Während viel über das Gefecht von Airbus und Boeing bei Super-Jets gesprochen wird, erfasst das Duell auch ein Wachstumsfeld – und dort spielt Zukunft der Luftfahrt, des Automobils, des öffentlichen Verkehrs, der Mobilität zwischen den Städten, der Logistik und der Ersten Hilfe: Es geht um die autonome Drohne.

Ihre Anwendungen sind unzählig, ihr Potenzial wird auf mehr als 127 Milliarden Dollar geschätzt.

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Tatsächlich haben sowohl Boeing als auch Airbus in den letzten Monaten elektrische und pilotenlose Luftfahrzeuge getestet. Und die beiden Konzerne sind bei weitem nicht die einzigen, die sich für fliegende Autos interessieren: Viele Automobil- und Digital-Player sowie Start-ups entwickeln ebenfalls solche Drohnen.

Boeing: Erste Tests gestartet

Im Januar 2019 testete Aurora Flight Sciences, eine Boeing-Tochtergesellschaft, erstmals ihr fliegendes Passagier-Luftgerät. Das Passenger Air Vehicle (PAV) soll für Boeing die Luftmobilität revolutionieren. Auf dem Papier kann es 80 Kilometer zurücklegen; bisher ist es allerdings bloss gestartet, geflogen und gelandet. Die nächste Phase wird die heikelste sein – der Übergang von der vertikalen zur horizontalen Verschiebung.

Der Autor

Oihab Allal-Chérif ist Professor für Informationssysteme und Supply Chain Management an der Neoma Business School in Reims. Zu seinen Spezialgebieten gehören Felder wie E-Business, Serious Games und Open Innovation.

Allerdings: Schon das Fliegen und Starten eines vollelektrischen Flugzeugs ist bereits eine grosse Leistung. Eine der Haupt-Herausforderung bei der Entwicklung bildet der hohe Energieverbrauch und die Installation von Ladestationen für die Batterien, denn hier entscheidet sich die Autonomie der Vehikel.

Weitere Probleme bilden die die Kontrolle der künstlichen Intelligenz, der Kollisionsschutz, der Schutz vor Piraterie, die Datensicherheit, das Nebeneinander von unbemannten und bemannten Fahrzeugen sowie die Koordination der Drohnenflotte.

Boeing: Erster Test eines elektrischen PAV im Januar 2019.

Boeing will 2019 auch eine autonome logistische Transportdrohne namens CAV (Cargo Air Vehicle) testen. Sie wäre für den Transport von Lasten bis zu 230 Kilogramm vorgesehen. Und geplant ist auch eine eine solarbetriebene Drohne für Telekommunikation sowie für meteorologische, geologische und topografische Analysen: Dieses Ding soll fast unbegrenzt fliegen können.

Uber: Lufttaxi-Pläne für 2023

Boeing ist Partner von Uber Elevate, das bereits 2023 ein Lufttaxi-Netzwerk starten will: Uber Air. Allerdings braucht die US-Luftfahrtbehörde möglicherweise viel länger, um solchen Lufttaxis überhaupt zu erlauben, Städte zu überfliegen.

Uber Air Taxi

So stellt sich Uber das Zukunftstaxi vor: Aus einem Projektfilm von Uber Air.

Quelle: PD Uber

Airbus: Vahana

Am 12. Februar 2019 absolvierte Airbus über seine Silicon-Valley-Tochterfirma A³ erfolgreich den ersten Langstreckenflug seiner UAV eVTOL; die Abkürzung steht für «electric-powered vertical take off and landing». Nach rund fünfzig kürzeren Testflügen seit dem ersten Test im Januar 2018 konnte der Alpha One-Prototyp einige komplexere Manöver durchführen: Er startete zum Beispiel vertikal in 70 Metern Höhe, kam mit 90 Stundenkilometern voran, wendete um 180 Grad oder flog rückwärts.

Der Airbus Vahana ist ein einsitziges Flugtaxi mit futuristischem Design, eine Mischung aus Drohne und Hubschrauber. Es scheint besser zu sein scheint als das Gerät von Boeing. Die acht Kipprotoren werden von einem innovativen System gesteuert, dessen Algorithmus die Führung optimiert und zugleich die Risiken senkt.

Testflug eines Vahana in Pendleton, Oregon.

Noch erscheinen die Übergänge zwischen den verschiedenen Phasen, in denen die Flügel um 30 Grad geneigt sind, chaotisch; aber ausser Frage steht, dass die durchgeführten Tests die Fliessfähigkeit verbessern. Mit seinen 6 Metern Spannweite und 750 Kilogramm Gewicht ist der Vahana imposant, dennoch wird ihm die Aerodynamik ermöglichen, sich präzise zu bewegen und zugleich den Energieverbrauch zu minimieren.

Ziel von Airbus ist es, bis 2020 Kurzstreckenflüge zu Preisen anzubieten, die einer Auto- oder Bahnreise entsprechen. In der Entwicklung sind auch noch andere Drohnentypen – zum Beispiel die Skyways von Airbus Helicopters; dieser Paketdienst wurde an der National University of Singapore getestet.

Volkswagen: Pop.Up Next

Das Konzept Pop.Up Next wurde vor zwei Jahren von Italdesign – einer Volkswagen-Tochter – angekündigt. Dies geschah in Zusammenarbeit mit Airbus, und seit letztem Jahr ist auch Audi an Bord.

Die Konzerne bieten ein modulares Fahrzeug an, das sich zu Lande wie in der Luft bewegen soll. Es besteht aus 3 Teilen, die zusammengesteckt werden können:

  • einem Fahrgestell mit 4 Rädern;
  • einer Kapsel mit einem Fahrgastraum für zwei Personen;
  • einer Drohne mit 8 Rotoren.

Ein Verriegelungssystem erlaubt es, die verschiedenen Elementen mechanisch, elektrisch und digital miteinander zu verbinden. Die Kapsel kann sich in drei verschiedenen Konfigurationen bewegen: auf der Strasse auf das Chassis geklippt; unter der Flugdrohne aufgehängt; und in Tunneln oder auf Waggons ohne die anderen Module.

Das Pop.Up Next wird aus Kohlefaser bestehen. In der Endversion soll die Kapsel 130 Kilometer weit fahren können – mit einem Tempo von Stundenkilometern –, und sie wird zugleich 50 Kilometer weit fliegen, hier mit 540 Stundenkilometern. 

Die ersten Bilder zeigen, wie man mit einem «Pop.Up Mobility Service» eine Reise bestellt, indem man zwischen mehreren Wegen und Tarifen wählt; ähnlich sieht es auch Uber vor.

In Mexiko City und São Paulo wird die Anwendung von Voom getestet, einem Helikopter-Taxidienst, der zu Airbus gehört.

Pop VW Flugtaxi

Modulares System: Etwas Flugzeug, etwas Helikopter, etwas Auto. Studie von Pop.Up Next

Quelle: Volkswagen AG

Ziel ist es, Pop.Up vor 2030 in Betrieb zu nehmen. Noch können wir nur ahnen, welches Potenzial darin liegt, dass sich hier die Fähigkeiten und Ressourcen von Airbus und Volkswagen bündeln – also von zwei weltweit führenden Unternehmen der Luft- und Raumfahrt- sowie der Automobilindustrie.

Google: Das fliegende Motorrad

Die Riesen der Luft- und Raumfahrt sind nicht die einzigen, die unseren Planeten lautlos, ohne Schadstoffe, ohne Anstrengung und in absoluter Sicherheit überfliegen wollen. Auch Google hat mehrere Projekte mit fliegenden Autos aufgestartet. Die Tochtergesellschaft dafür heisst Kitty Hawk, sie wird geleitet von Standord-Professor Sebastian Thrun, einem Pionier bei der Entwicklung des autonomen Autos. Nach der Leitung von Google X verantwortet Thrun nun für Kitty Hask die Entwicklung der beiden Modelle Flyer und Cora.

Der Flyer ist eine einsitzige Freizeitdrohne, die in der Lage ist, zwischen 8 und 12 Minuten in zehn Metern Höhe zu fliegen, bei dreissig Stundenkilometern. Eigentlich ähnelt sie eher einem fliegenden Motorrad als einem Flugzeug oder Hubschrauber. Obwohl wir den Preis oder das Verfügbarkeitsdatum nicht kennen, ist es bereits möglich, den Flyer zu buchen. 

Cora wiederum ist eine zweisitzige autonome Drohne, die wie ein kleines Flugzeug mit 12 Rotoren an den Flügeln und einem grossen vertikalen Propeller im Heck aussieht. Völlig elektrisch, kann das Ding bei 150 Stundenkilometern 100 Kilometer weit fliegen.

Google Cora
Quelle: Kitty Hawk

Bell: Luxuriös in die Luft

Der Helikopter-Hersteller Bell präsentierte im Januar 2019 auf der CES 2019 in Las Vegas ihr autonomes Flugtaxi-Projekt. Der Bell Nexus ist – neben der Drohne von Boeing – das zweite Passagier-Fluggerät, das schon im nächsten Jahr unter dem Banner von Uber fliegen könnte. 

Der Nexus ist stärker, weil er mit einem Hybridmotor läuft. Er kann fünf Personen in einer futuristischen Kabine transportieren. Das geplante Bell AirTaxi positioniert sich klar im Luxussegment – wie Video zur Vorstellung des Konzepts zeigt.

Trendsetter China

Weitere grosse Gruppen machen mit im Run auf die Passagierdrohne – darunter die Amerikaner General Motors und Ford, die Deutschen Volocopter – Partner von Daimler – ferner Volkswagen mit Porsche, der britischen Rolls-Royce und der japanischen Toyota.

Doch die allererste Drohne für den Personenverkehr wurde bereits auf der CES 2016 vorgestellt – von einem chinesischen Unternehmen, eHang. Der eHang 184 war in drei Jahren von einem Team von 150 Ingenieuren entwickelt worden, vollständig mit chinesischen Technologien.

Bis Februar 2018 flog das Modell hunderte von Flügen mit einem oder zwei Passagieren, auch unter extremen Bedingungen, bis zu 300 Meter über dem Meeresspiegel bei einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern.

Das neue Modell, der eHang 216, ist bereits für 200'000 Euro auf dem Markt. Das Beispiel deutet daneben auch an, dass China bei militärischen, kommerziellen und Freizeitdrohnen eine technologische Führungsrolle gegenüber den Vereinigten Staaten und Europa übernommen hat.

Und nun: Wer setzt sich durch?

Während in einigen Ländern städtische Überflugregimes den Einsatz von Drohnen für den Personenverkehr verzögern können – wie in den USA und Europa –, sind andere Länder schon bereit, diese Geräte zu akzeptieren: darunter China, Japan, Brasilien oder die Vereinigten Arabischen Emirate.

Jeder Staat wird wahrscheinlich zunächst Maschinen seiner nationalen Unternehmen bevorzugen, aber auf lange Sicht werden sich wohl die zuverlässigsten, stabilsten, leisesten und wirtschaftlichsten Technologien durchsetzen.

Boeing profitiert von der Partnerschaft mit Uber. Airbus steuert mit seiner Tochtergesellschaft Voom den städtischen Luftverkehr auf Abruf. Google ist führend bei autonomen Fahrzeugen mit seinem von Volkswagen und Toyota übernommenen System. An diesen drei Riesen führt daher vorerst kein Weg vorbei – ausser in China.

«The Conversation»

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Hochschulplattform «The Conversation» unter dem Titel «Airbus, Boeing, Google, Textron, Toyota, VW… la guerre des drones autonomes de transport de passagers», 19. März 2019. Übersetzung und Publikation mit Genehmigung des Autors.