Rücktrittsangebot, Krisensitzung, Last-Minute-Treffen: Der seit Wochen schwelende Asylstreit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU hat sich in der Nacht zum Montag noch einmal verschärft. Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer bot seiner Partei den Rücktritt von beiden Ämtern an. Die Spitze der CSU konnte ihn aber nach langen Gesprächen hinter verschlossenen Türen davon überzeugen, zunächst weiterzumachen.
Nun soll am Montagnachmittag ein erneuter Anlauf unternommen werden, den Zwist mit der CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Frage der Zurückweisung von Migranten an den Grenzen beizulegen und ein Auseinanderbrechen der Bundesregierung zu verhindern. Dazu treffen sich die Spitzen der beiden Unionsparteien in Berlin - «in der Hoffnung, dass wir uns verständigen», betonte Seehofer und fügte mit Blick auf seine politische Zukunft hinzu: «Alles weitere werden wir dann sehen.»
Keine einhellige Zustimmung für Seehofer
Stundenlang rangen die Parteigremien von CSU und CDU in München und Berlin seit Sonntagnachmittag um eine gemeinsame Position in der Flüchtlingskrise. Seehofer stellte dabei seinen Parteifreunden den sogenannten «Masterplan Migration» vor.
Parteikreisen zufolge bekam Seehofer dafür zwar eine grosse, aber keine einhellige Zustimmung. Daraufhin wollte er seine Ämter binnen dreier Tage zur Verfügung stellen, wovon ihn Parteifreunde wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Generalsekretär Markus Blume in kleiner Runde zunächst abbringen konnten. Das Spitzengespräch mit der CDU soll nun zu einem letzten Einigungsversuch werden, an dessen Ausgang Seehofer seine politisches Zukunft knüpfen dürfte.
CDU-Bundesvorstand steht hinter Merkel
Die CSU konnte sich auch nach langer Debatte nicht darauf einigen, ob sie mit Zurückweisungen an der deutschen Grenze im Alleingang vorangehen soll. Sowohl Seehofer als auch Dobrindt plädierten trotz Fortschritten auf dem EU-Gipfel für nationale Massnahmen.
Derweil musste das CDU-Präsidium ohne das Papier «Masterplan Migration» tagen. In Berlin stellte sich der CDU-Bundesvorstand fast geschlossen hinter Kanzlerin Merkel und ihre Position, die Migrationskrise europäisch zu lösen. «Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner», heisst es in der mit einer Enthaltung angenommenen Erklärung.
Es droht ein Regierungsbruch
Ein nationaler Alleingang der CSU gegen den ausdrücklichen Willen der Koalitionspartner CDU und SPD könnte den Regierungsbruch auf Bundesebene bedeuten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte in der ARD, dass die Kanzlerin dann keine Alternative zu einer Entlassung des Innenministers habe.
In Berlin zeigten sich das CDU-Präsidium und später der erweiterte Bundesvorstand unbeeindruckt von den CSU-Drohungen für einen Alleingang. Nachdem sich zunächst das Präsidium hinter Merkel gestellt hatte, verabschiedete der Bundesvorstand eine Erklärung, in der der europäischen Ansatz betont wird. Nur der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring enthielt sich. Er hatte zuvor wie einige andere CDU-Politiker dafür plädiert, der CSU eine Brücke zu bauen. Er betonte später, dass auch er für ein abgestimmtes europäisches Vorgehen sei.
«Ich bin dafür, dass Europa zusammengehalten wird»
Merkel hatte im ZDF-Sommerinterview ihren europäischen Ansatz erneut bekräftigt. Sie wolle weiter mit der CSU zusammenarbeiten. Aber sie werde nach der Devise «nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zu Lasten Dritter» handeln und Absprachen mit EU-Partnern suchen, sagte sie. «Ich bin dafür, dass Europa zusammengehalten wird», sagte die Kanzlerin. Auch in der EU-Gipfelerklärung sei davor gewarnt worden, dass bei nationalen Alleingängen der Schengen-Raum gefährdet sei. «Deshalb ist das einheitliche Handeln von Europa mir so wichtig.»
Sie teile mit Seehofer das Ziel, die Migration nach Europa und Deutschland zu verringern. Gestritten werde nur über die Wege dahin. Auch in dem Beschluss des CDU-Vorstands heisst es, dass man sich mit der CSU in dem Ziel einig sei, die Zuwanderung nach Deutschland «besser zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen».
Fortschritte dank CSU-Druck
Merkel warnte aber, bei Zurückweisungen im nationalen Alleingang würden Flüchtlinge «irgendwo umherirren» und möglicherweise an einem anderen Grenzübergang nach Deutschland kommen. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat bereits angekündigt, von Deutschland abgewiesene Flüchtlinge nicht annehmen zu wollen.
Die EU habe auch dank des Drucks der CSU in den vergangenen Tagen Fortschritte gemacht, betonten sowohl Merkel als auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte sich jedoch bereits vor den Beratungen in München skeptisch zu den Ergebnissen des EU-Gipfels und den von Merkel geplanten bilateralen Abkommen zur Rücknahme von registrierten Flüchtlingen geäußert. Auch Seehofer kritisierte die EU-Beschlüsse in der Sitzung als nicht ausreichend.
(reuters/ccr)