Nach der Europawahl 2019 wird in Brüssel der mächtigste EU-Posten neu besetzt, wenn EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker abtritt. Nun nimmt ein Deutscher Anlauf für das Spitzenamt.
Manfred Weber arbeitet leise, aber systematisch. Monatelang sondierte der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament das Terrain, taxierte seine Gegner, sammelte Unterstützer, zuletzt jene der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Nun wagt sich der CSU-Vizeparteichef aus der Deckung. «Ich bewerbe mich als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP für die Europawahlen, um Präsident der Europäischen Kommission zu werden», erklärte Weber am Mittwochvormittag auf Twitter.
Doch hat Manfred Weber das Zeug dazu? Der 46-Jährige ist kein Lautsprecher. Im persönlichen Gespräch ist der Diplomingenieur freundlich und eher nachdenklich, im EU-Parlament tritt er staatsmännisch auf. Zumindest in den eigenen Reihen punktet er damit.
Webers Chancen sind intakt
Nicht nur der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) lobte Weber zuletzt als glaubwürdig und kompetent. Der ehemalige CSU-Parteichef Theo Waigel sagte kürzlich in verschieden deutschen zeitungen über seinen Parteifreund: «Er hat die Gabe, Menschen zusammenzuführen, auch durch seinen persönlichen Charme.»
An die Spitze der grössten Fraktion im EU-Parlament kam Weber 2014, ein Karrieresprung nach zehn Jahren in Brüssel und fünf Jahren als Fraktionsvize.
2016 bestätigten ihn die 219 EVP-Abgeordneten zur Mitte der Legislatur mit 97,8 Prozent der Stimmen im Amt. Deshalb glauben viele in Fraktion und Partei, dass er gute Chancen auf die Nominierung als Spitzenkandidat hat: Weber hat in den eigenen Reihen viele Freunde und kaum Feinde.
Politkarriere in der CSU
In der CSU hat der verheiratete Katholik aus Wildenberg eine klassische Parteikarriere gemacht. Von 2003 bis 2007 war er Chef der Jungen Union in Bayern, von 2008 bis 2016 niederbayerischer Bezirksvorsitzender - was in der CSU-Hierarchie ein wichtiges Amt ist. Von 2002 bis 2004 sass er im bayerischen Landtag, bevor er 2004 erstmals ins EU-Parlament gewählt wurde. 2015 wurde er stellvertretender Parteichef.
Doch mit den EU-Kritikern in seiner Partei hat Weber wenig zu schaffen. Auf der Brüsseler Bühne gibt er sich als leidenschaftlicher Europäer, der Attacken gegen die EU persönlich nimmt.
Der für 2019 angekündigte EU-Austritt Grossbritanniens gehört dazu, aber auch die Feindseligkeit von US-Präsident Donald Trump gegen die einst so engen europäischen Verbündeten und der Aufschwung nationalistischer und europakritischer Populisten in vielen Ländern Europas.
Die Frage ist nun, ob gerade der leise Mann aus Niederbayern die Leidenschaft für Europa neu entzünden kann - nicht nur in Deutschland, sondern auch in Finnland, Estland, Polen, Portugal.
Webers Schwachpunkte
Zu seinen Schwachpunkten zählt, dass er anders als frühere Kommissionspräsidenten nie Regierungschef war, ja noch nicht einmal Minister oder Lenker eines auch nur annähernd ähnlich riesigen Apparats. Denn die EU-Kommission hat immerhin 32'000 Mitarbeiter.
Als Deutscher kämpft er zudem im übrigen Europa mit dem Vorurteil, die grosse Wirtschaftsmacht in der EU-Mitte wolle die Gemeinschaft dominieren. Die Prediger der Sparsamkeit aus Berlin kamen in der Krise in Griechenland oder auch in Italien nicht gut an.
Als Kommissionspräsident müsste Weber den deutschen Hut denn auch bald absetzen und wirklich ein übergeordneter Mr. Europa werden, so wie es auch Juncker versucht hat. Geübt hat Weber das in Brüssel schon eine ganze Weile. Seine Fraktion, sagt Weber, sei ja fast wie ein Kleineuropa.
(sda/ccr)