Am 16. Oktober jährt sich die UBS-Rettung durch die öffentliche Hand zum zehnten Mal. Die Aktion des Bundes und der Nationalbank war zwar von langer Hand vorbereitet. Für die Öffentlichkeit kam sie trotzdem überraschend. Es war ein Schock, der bei der Grossbank jedoch unmittelbar kaum etwas bewirkt hat.
Am Donnerstag, 16. Oktober 2008, kurz vor sieben Uhr riss eine Mitteilung des Bundesrats die Schweiz aus dem Schlaf. In nur leicht verklausulierter Form teilte er dem Land darin mit, dass die grösste Schweizer Bank vor dem Kollaps stehe und sie deshalb vom Staat gerettet werden müsse.
UBS hatte bereits beträchliche Schlagseite
Es war dabei nicht so, dass das Schweizer Bankenflaggschiff vor dem 16. Oktober als unsinkbar gegolten hätte. Im Gegenteil: Die Grossbank hatte sogar beträchliche Schlagseite. Die UBS war ja schliesslich einer derjenigen Banken, die sich am amerikanischen Immobilienmarkt besonders stark verspekuliert und entsprechend hohe Verluste eingefahren hatten.
Dazu kam am 15. September der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, dessen Schockwellen noch Jahre später Wirkung zeigen sollten. Anfang Oktober jedoch schien die grösste Schweizer Bank - unter anderem dank milliardenschweren Stützungsmassnahmen der USA und der EU für deren Banken - beide Stürme einigermassen überstanden zu haben.
Falsche Prognosen
Das zumindest liess der Kapitän verlauten. «Ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen berichten zu können, dass wir die UBS recht erfolgreich durch diese Turbulenzen manövrieren konnten», sagte der damalige UBS-Präsident Peter Kurer am 2. Oktober an einer Generalversammlung. Nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Fachwelt glaubte ihm.
«UBS und CS haben die Kurve gekriegt», titelte jedenfalls die «Handelszeitung» nur einen Tag vor Bekanntgabe der Stützungsmassnahmen am 15. Oktober. Finanzmarktexperten wie der später über den Steuerstreit gestürzte Konrad Hummler von der Bank Wegelin oder der Präsident der Bankiervereinigung Pierre Mirabaud hielten nach den US- und EU-Stützungsmassnahmen ein Rettungspaket für die Schweizer Grossbanken nicht mehr für nötig. «Ich bin überzeugt, dass keine Schweizer Bank zusammenbrechen wird», liess sich am 12. Oktober Mirabaud zitieren.
Aufklärung über akuten Notstand
Sie lagen falsch, massiv falsch sogar. Bundespräsident Pascal Couchepin, SNB-Präsident Jean-Pierre Roth, EBK-Präsident Eugen Haltiner, Finanzverwaltungsdirektor Peter Siegenthaler und die für Hans Rudolf Merz eingesprungene Eveline Widmer Schlumpf klärten sie und die Schweiz an diesem Donnerstag im Herbst 2008 über den akuten Notstand bei der UBS auf.
Die UBS-Führung der Bankenkommission habe vier Tage zuvor mitgeteilt, dass sie akut Hilfe brauche, weil sich die Bank kaum noch refinanzieren könne, erklärten Haltiner und Widmer Schlumpf der überrumpelten Öffentlichkeit.
Folge des Swissair-Groundings
Was der Bund und die Schweizerische Nationalbank (SNB) damals präsentierten, war jedoch trotz des Überraschungseffekts kein Schnellschuss, sondern das Resultat jahrelanger Vorbereitung. Als Lehre aus dem Swissair-Grounding hatten sie bereits 2002 mit der Ausarbeitung von Rettungsplänen für die Grossbanken begonnen.
Die UBS dagegen war auf einen Notfall weniger gut vorbereitet. Zwar hatte die Bank das Schiff mit zwei Kapitalerhöhungen im Dezember 2007 und im März 2008 noch stabilisieren können. Im «Lehman-Brothers»-Sturm jedoch versagten dann die bordeigenen Gegenmassnahmen. Bund und SNB sprangen als Retter in der Not ein.
Ein zu ehrgeiziger Wachstumsplan
Begonnen hatte alles mit einem ehrgeizigen Wachstumsplan. «Unsere Investmentbank soll die Nummer eins werden», machte UBS-Präsident Marcel Ospel im Februar 2005 öffentlich, was er intern bereits 2004 als Ziel verkündet hatte. In der Folge mutierte die zuvor als grundsolide geltende UBS zu einem Finanzcasino, das auf dem US-Hypothekenmarkt mit Kundengeldern und hochriskanten Derivaten spekulierte.
«Sie haben die Bremsen ausgebaut», wird der damalige UBS-Rechtschef Peter Kurer später dazu sagen. Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren sollte die Grossbank insgesamt über 70 Milliarden Dollar in Finanzderivate auf US-Hypotheken investieren.
Im Sommer 2006 fing es an
In Sommer 2006 drehte am amerikanischen Immobilienmarkt dann jedoch der Wind. Die Preise und damit auch der Wert der von der UBS angehäuften Finanzprodukte begannen zu sinken. Die erste Folge davon war, dass die Bank Anfang Mai 2007 die Schliessung des Hedgefonds mit dem Namen Dillon Read Capital Management(DRCM) bekannt geben musste.
Die Grossbank stellte diesen Kollaps damals noch als leicht zu bewältigendenden, kleinen Unfall dar. Fünf Monate später wurde mit dem ersten Milliardenabschreiber jedoch klar, dass hier ein Kartenhaus zusammenbrach. Bis im Herbst 2008 sollten sich die buchhalterischen Verluste auf über 40 Milliarden Franken summieren.
Zwei Sturmtiefs treffen aufeinander
Im Oktober 2008 setzte der UBS jedoch nicht nur die Fehlspekulationen ihrer Investmentbank zu. Ein Sturmtief hatte sich auch über der Vermögensverwaltung zusammengebraut. Im Juni 2007 packte nämlich in den USA der ehemalige UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld aus. Der Vorwurf an die Bank lautete auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Birkenfeld lieferte den US-Behörden die Mittel und Informationen, mit der diese die Grossbank unter Druck setzen konnte.
Das für die UBS gefährlichste Szenario war eine offizielle Anklage, mit der die US-Justiz jede in den USA tätige Bank «ausknipsen» konnte. Um das zu verhindern, schickte der Bundesrat im Juni 2008 eine Vertretung des Bundes nach Washington. Im Februar 2009 läutete er mit der ersten, rechtlich zweifelhaften Herausgabe von Kundendaten das Ende des Schweier Bankgeheimnis ein. Der Bund hat demnach die UBS 2008 nicht nur einmal, sondern zweimal vor dem Untergang gerettet.
Festhalten am «bewährten Geschäftsmodell»
Bewirkt hat das bei der UBS zuerst wenig. Zwar hatte das Subprime-Debakel dafür gesorgt, dass die Grossbank bis im Frühling 2009 die gesamte Führungsriege auswechselte und zusammen mit einem Stellenabbau auch eine etwas stärkere Fokussierung auf die Vermögensverwaltung einleitete.
Am «bewährten Geschäftsmodell» einer Universalbank - so drückten sich die UBS-Chefs damals tatsächlich aus - hielt die Bank und hielten vor allem die UBS-Banker jedoch fest.
2,2 Milliarden Franken Boni im Katastrophenjahr
Dazu gehörten insbesondere auch weiterhin exzessive Gehälter und Spesen. So löste Peter Kurer am Tag nach der UBS-Rettung durch den Bund mit seiner Aussage, dass Investmentbanker trotz des Subprime-Debakels auch weiterhin Boni in zweistelliger Millionenhöhe erhalten sollten, zwar ein Sturm der Entrüstung aus.
Die UBS schüttete für das Katastrophenjahr 2008 dennoch insgesamt 2,2 Milliarden Franken Boni aus. Im Mai 2009 gewährte die Bank den Investmentbankern sogar eine Lohnerhöhung.
Ausser Spesen nichts gewesen
Das war jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Obwohl die Bank gleich zweimal am Zusammenbruch vorbeischrammte und Milliardenverluste schrieb, liessen sich höhere UBS-Angestellte offenbar weiterhin ihre Familienferien, den privaten Wagen oder den Besuch im Striplokal aus der Spesenkasse bezahlen.
Das musste jedenfalls die Öffentlichkeit aus einer Aussage von UBS-Chef Oswald Grübel schliessen, die er an der Generalversammlung im April 2009 machte. «Zudem werden wir gewisse Gehaltsnebenleistungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere für das Management aufgeben, was zu namhaften Einsparungen führt», sagte Grübel, der im Februar als Krisenmanager zur UBS geholt worden war.
Nach Subprime und Steuerstreit folgten weitere Skandale
Dass zwei Fast-Havarien allein noch keine Geschäftskultur verändern, zeigt auch, was bei der UBS nach Subprime-Debakel und Steuerstreit folgte. Ob die Wechselkurse oder die Leitzinsen manipuliert wurden: die UBS hatte ihre Hände im Spiel. Auch beim 1MDB Korruptionsskandal hat sie sich als Helfer einspannen lassen. Das ging auch ins Geld: Von 2009 bis 2018 zahlte die UBS für Rechtsfälle und Bussen fast 12 Milliarden Franken.
Wenn auch weniger aus eigener Einsicht, sondern mehr aufgrung neuer Regulierungen, der Digitalisierung und dem wirtschaftlichem Aufstieg Asiens: Die UBS hat sich seit damals markant verändert.
So arbeiteten 2007 bei der Grossbank 22'000 Personen in der Investmentbank von insgesamt 84'000 Beschäftigten. Ende 2017 waren es noch 5000 von 61'000 Angestellten. Von 7000 auf über 25'000 angewachsen dagegen ist die Zahl der Stellen im Corporate Center, das unter anderem die Einhaltung der Regulierung überwachen muss.
(awp/ccr)