In einer Stadt wie Zürich, wo sich viele gut situierte Leute tummeln, ist es schwierig, Eindruck zu schinden. Ein Porsche oder eine Rolex? Who cares. Nein, wirklich bewundernde Blicke kann man ernten, wenn man wie beiläufig fallen lässt, dass man jetzt dann dabei sein werde: dort auf dem grünen Teppich, im exklusiven Kreis der Opening Night des Zurich Film Festivals. Oder dort im Garten des Nobelhotels Baur au Lac an der jährlichen Rive Gauche Summer Party, «by invitation only».

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Zutritt zu haben, «to be on the list», ist ein mächtiges Statussymbol, selbst in einem eher nüchternen Land wie der Schweiz. Auch wenn das edle Ambiente von Metropolen wie Wien oder Paris fehlt, hat fast jede Schweizer Stadt ihre exquisiten Anlässe mit handverlesener Gästeschar: In Luzern ist es das Lucerne Festival, in Bern die Dählhölzli-Gala, in Basel die Voreröffnung der Art Basel, in St. Moritz der Zugang zum Dracula Club von Rolf Sachs, dem Sohn der Society-Legende Gunter Sachs. Doch wie funktioniert das Gästemanagement für erlesene Anlässe in der Schweiz? Wer ist dabei und wieso? Wie schafft man es ins Schlaraffenland der Exklusivität?

«Sehr delikate Aufgabe»

Die Auswahl der wenigen Gäste für die Eröffnungsnacht, welche man selbst einladen kann, sei eine «sehr delikate Aufgabe», sagt Nadja Schildknecht, Co-Chefin des Zurich Film Festivals (ZFF), «es ist schwierig, niemanden zu vergessen». Schildknecht betont, das ZFF sei kein abgeschotteter Anlass, im Gegenteil: Das Festival, das letztes Jahr 98 000 Eintritte zählte, sei offen fürs breite Publikum und auch dafür gemacht.

Nur gerade zwei der über hundert Anlässe, die feierlichen Opening Night und Award Night, fänden in exklusivem Rahmen statt, dies vor allem wegen der beschränkten Plätze. Rund 650 sind es an der Eröffnungsnacht, wo sich die Gäste nach dem Gang über den grünen Teppich im Kino Corso versammeln, 800 an der Award Night, die im Opernhaus stattfindet, was mit Gratis-Champagner und Austern, aber auch mit Wurst und Bier gefeiert wird. Wichtig seien diese Anlässe auch, um Medienaufmerksamkeit zu schaffen, was letztlich dem gesamten elftägigen Festival zugutekomme. Zudem sei es «ein wichtiges Dankeschön an die Partner, Sponsoren und Verleiher».

Rund drei Viertel der begehrten Plätze sind denn auch den Partnern zugeteilt, die selbst Leute aus ihrem Umfeld mitbringen: Freunde des Hauses, wichtige Kunden oder Geschäftspartner. Die restlichen Gäste werden von Hand verlesen – von den Co-Chefs Schildknecht und Karl Spoerri persönlich. Ausgewählt würden Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik – idealerweise mit Bezug zum Festival oder zum Thema Film.

Nadja Schildknecht und Karl Spoerri zusammen mit Al Gore

Prominenter Gast: Al Gore (m.) zusammen mit Nadja Schildknecht und Karl Spoerri am Zurich Filmfestival 2017.

Quelle: Keystone

Beziehungen sind das A und O

Der persönliche Kontakt ist das A und O für den Zugang zu exklusiven Events. Thomas Russenberger von der Eventagentur Russen & Berger, der zusammen mit seiner Partnerin Karina Berger zwei Jahre lang die Miss-Schweiz-Organisation geführt hat und die Welt der VIPs bestens kennt, betont: «Einfach nur wohlhabend zu sein, nützt einem in der Schweiz wenig – hier sollte man die Leute kennen oder zumindest eine bekannte Persönlichkeit sein.» Fast alles laufe über Beziehungen oder das private Netzwerk.

Stelios Sterkoudis, der mit seinem Bruder Seigi das Zürcher In-Restaurant Kaufleuten führt und zudem Veranstalter der angesagten Mykonos Party ist, bestätigt: «Wir kennen 80 Prozent unserer Gäste persönlich.» In den Tagen vor der Party erhielten er und sein Bruder pro Tag 30 bis 40 Anrufe aufs Handy mit der Bitte, noch für ein Ticket oder einen Platz im Restaurant sorgen zu können. «Zürich ist ein kleiner Kuchen», sagt er. Wer im «Kaufleuten» an einem ausgebuchten Abend einen Tisch haben will, komme mit protzigem Auftritt nicht weiter – eher suche er für Leute, die er kenne und möge, eine Lösung.

Was aber, wenn Mick Jagger am selben Abend noch kommen will? «Echte VIPs melden sich im Normalfall früh an», sagt Stelios Sterkoudis. Natürlich würde er versuchen, eine Lösung zu finden, zu schauen, ob vielleicht ein Tisch früher frei werde oder so: «Ich würde aber nie einen angemeldeten Gast ausladen, um Platz für eine VIP zu schaffen.»

«Wenn es voll ist, ist es voll, da kann auch Mick Jagger nichts dran ändern», sagt Michel Mabillard, Geschäftsführer der «Casa Novo» in Bern. Gerade im Sommer ist das Restaurant mit Terrasse direkt an der Aare sehr begehrt – für einen Platz an einem Wochenendabend muss man gut ein bis zwei Wochen vorweg reservieren. Vom Konzept, immer ein paar wenige Plätze nicht zu vergeben, um sich Flexibilität für kurzfristige Anmeldungen von besonders wichtigen Personen zu erhalten, halte er nichts: «Bei uns gilt strikt: First come, first served.»

Anlässe im halbprivaten Umfeld

«Bern hat weniger den Glamour von Zürich, vieles ist hier direkter», sagt Lorenz Furrer, Managing Partner der PR-Agentur Furrerhugi, der in den politischen Kreisen Berns bestens vernetzt ist. Viele Anlässe fänden im halbprivaten Umfeld statt wie die Events von Berater Claudio Righetti im «Chalet Muri», wo unlängst Bundesrat Ignazio Cassis seiner Tessiner Landsfrau, Ex-Miss-Schweiz Christa Rigozzi, in einer Rede ein Kränzchen wand – und dafür sogar auf den Heizkörper stieg.

Andere Veranstaltungen sind da weit weniger hemdsärmlig. Der Eröffnungsanlass des traditionsreichen Lucerne Festivals etwa, laut Intendant Michael Haefliger «einer der wichtigsten gesellschaftlichen Anlässe in der Schweiz überhaupt». Er gilt als glamouröser Höhepunkt der Sommer-Festival-Zeit. «Jeder einzelne Gast wird persönlich per Brief eingeladen», sagt Haefliger. Nur 400 Plätze sind zu vergeben. Sie gehen an wichtige Vertreter von Wirtschaft und Politik, an Vertreter der Sponsoren, an private Förderer und einzelne ausgewählte VIPs.

Eröffnungskonzert des Lucerne Festivals im KKL Luzern

Top-Anlass: Das Eröffnungskonzert des Lucerne Festivals im KKL Luzern ist ein Stelldichein bekannter Namen aus allen Bereichen.

Quelle: Lucerne Festival

Geld zu haben, ist nicht entscheidend

Auch in Zürich setzt man stärker auf Glamour. Ein paar Dutzend der 1200 Tickets für die Rive Gauche Summer Party halte er in Reserve, sagt Co-Organisator Wolf Wagschal. So könne er kurzfristig noch Gästen Zulass gewähren. Die Party ist «by invitation only», man wird viele Wochen vorweg per Brief eingeladen und erhält einen Code, den man bei der Anmeldung angibt.

Entstanden ist der Event vor 14 Jahren als Feier zur Neueröffnung des Restaurants Rive Gauche, das Teil des «Baur au Lac» ist. Die erste Gästeliste sei eine Mischung aus Stammgästen von Hotel und Restaurant sowie Leuten aus seinem persönlichen Umfeld gewesen, so Wagschal. Die Sache kam so gut an, dass die Veranstalter beschlossen, fortan jedes Jahr eine Summer Party zu machen.

Der Anlass ist angesagt: «Wir könnten leicht über 2000 Tickets verkaufen.» Dies trotz saftigem Preis: 195 Franken pro Person kostet der All-inclusive-Abend, an dem es Champagner, Wein und Essen sowie künstlerische Vorführungen gibt. Geld zu haben, sei nicht das primäre Kriterium, um eine Einladung zu erhalten. «Wichtig ist: nicht langweilig.» Viele Gäste seien «offene, kosmopolitische Leute».

Rive Gauche Summer Party im Hotel Baur au Lac

«By invitation only»: Gäste in der Warteschlange anlässlich der Rive Gauche Summer Party im Hotel Baur au Lac in Zürich.

Quelle: David Biedert

«Ein guter Mix ist entscheidend.»

Eventpionier Schoscho Rufener, schon seit Jahren Garant für hochkarätige Anlässe, weiss, worauf es bei der Auswahl ankommt: «Ein guter Mix ist entscheidend.» Die Mechanismen, die einst bei der legendären Disco Studio 54 in New York funktionierten, hätten sich auf die gesellschaftliche Ebene verschoben. Er sehe sich als eine Art Kurator der Guest List: «Man will sich stufengerecht begegnen und vom Gästemix inspiriert werden, doch es braucht bewusst auch Sollbruchstellen.» Was meistens gut funktioniere, sei eine fein austarierte Mischung: «Etwas Nachtvögel, etwas Finanz, etwas Beauty und etwas Glamour.»

Christian Jott Jenny, der im Dracula Club in St. Moritz sein jährliches Festival da Jazz durchführt, bestätigt: Nichts sei langweiliger als ein Anlass nur mit Bankern oder Unternehmensberatern. Am Eröffnungsanlass kommen nur rund 150 Personen hinein – der Club ist klein. Die Auswahl sei daher schwierig, so Jenny. Ein Grundsatz sei «Locals first».

Wichtig sei auch, dass er ein echtes Interesse am Festival spüre. «Wenn jemand kommt und mich spontan überzeugt, würde ich alles tun, um für die Person ein Plätzchen zu finden.» Immerhin ist sein Festival eine der raren Gelegenheiten, überhaupt in den Dracula Club zu gelangen. Er ist privat, ursprünglich entstanden als Nachtclub für Cresta-Fahrer, jene wagemutigen Schlittenfahrer, die kopfvoran den Eiskanal runtersausen. Es sei eine Art «erweiterter Stammtisch», sagt Jenny: Hinein kommt nur, wer von einem Member eingeladen wird.

Eröffnungsnacht des Festival da Jazz in St. Moritz

Begrenztes Angebot: Die Eröffnungsnacht des Festival da Jazz in St. Moritz findet im Dracula Club statt – der Raum fasst nur 150 Personen.

Quelle: Stefan Bohrer

Oft die gleichen Köpfe

Nicht nur beim Dracula Club, sondern generell seien in der kleinräumigen Schweiz die persönlichen Connections das wichtigste Kriterium, um Zugang zu den angesagten Events zu bekommen, so Jenny. Er sehe darin auch Nachteile, komme es doch schnell zu einer Art Klüngelei. «Sehen Sie sich doch mal die Glamouranlässe in der Schweiz an: Es sind immer dieselben Gesichter. Man könnte im Grunde die Leute in vier grosse Twerenbold-Busse setzen und von einem Anlass zum nächsten karren.»

In der Tat tauchen viele Köpfe immer wieder an den verschiedensten Anlässen auf. Sandra Bauknecht etwa, als Modebloggerin in der Fashion-Welt gut vernetzt und Partnerin des flamboyanten Patrick Liotard-Vogt, der mit seiner an die Börse gebrachten Plattform A Small World aus dem Thema Networking sogar ein Businessmodell gebaut hat. Stark vertreten ist die Gruppe der Models und Ex-Missen, am besten sogar vereint, wie das Beispiel Tamy Glauser und Dominique Rinderknecht zeigt. Bei den Männern ist das Spektrum recht breit und reicht von Stylist Clifford Lilley bis zu Unternehmer Jürg Marquard.

Als Aussenstehender in die erlauchten Kreise der angesagten Events zu gelangen, ist nicht einfach. Manche versuchen es mit Tricks. Etwa jener Banker, der vor ein paar Jahren in der damaligen In-Bar Valzer im Zürcher Seefeld immer wieder vom Türsteher abgewiesen worden war und deshalb einmal für über tausend Franken einen Champagnertisch buchte, wie sich einer der früheren Betreiber erinnert. Natürlich waren der Banker und seine Freunde an diesem Abend willkommen, doch der Hintergedanke des Schlaumeiers war ein ganz anderer: Ob er denn jetzt zukünftig auch auf der Liste sei und fortan jeden Abend locker am Türsteher vorbeikomme? Nein, so die Antwort des Managements, auf die Liste der Auserwählten komme er deswegen noch lange nicht. Er könne aber wieder mal einen Champagnertisch buchen, dann komme er wenigstens an diesem Abend hinein.

«Irgendwas geht immer»

Es ist ein Geheimtipp, der selten enttäuscht: Die Concierges grosser Hotels stehen im Ruf, begnadete Türöffner zu sein. Vor allem jene, die schon lange in ihrem Beruf tätig sind und ein Netzwerk haben, das ihnen beste Kontakte zu den entscheidenden Figuren in Kultur, Gesellschaft oder Gastronomie garantiert. Ein ausgebuchtes Konzert oder ein Restaurant? «Irgendwie geht immer noch was», sagt Luc Frieseisen, Chefconcierge im Berner «Schweizerhof», und auch seine Kollegen Giuseppe Pesenti vom «Badrutt’s Palace» in St. Moritz oder Jérémie Varry vom Zürcher «Baur au Lac» sind für diese Haltung bekannt: «Ein Chefconcierge muss nicht jeden kennen, aber er muss schnelle Wege finden», sagt Varry.

Obwohl ihre Hotels Konkurrenten sind, spannen die Concierges eng zusammen. Organisiert sind rund 150 von ihnen im Verbund Les Clefs d’Or Suisse, wo Frieseisen als Sekretär engagiert ist. Wie das läuft, beschreibt Varry an einem Beispiel: «Wenn ich für meine Gäste an einem Abend kurzfristig im ‹Dolder› noch den besten Tisch am Fenster erhalten will, schaut mein Kollege dort für mich. Und bittet mich dann vielleicht später einmal, ob ich ihm einen unserer Rolls-Royce zur Verfügung stellen könnte.» Auch Frieseisen greift gerne mal auf einen Kollegen zurück: Wenn etwa einer seiner Gäste eine spezielle Uhr sucht, dann frage er bei seinen Kollegen in Gstaad oder Genf nach. Laut Frieseisen spielt das Netzwerk sogar international, denn auch weltweit seien die Concierges vernetzt. «So verschafft mir ein Kollege einen Kontakt in New York, ich helfe ihm dafür aus, wenn er etwas in der Schweiz braucht.»

Einen Schwarzmarkt gibts nicht

Wenn man schon Geld aufwerfen will, lohnt es sich vielleicht eher, ein paar Nächte in einem der lokalen Luxushotels zu buchen. Denn dann darf man sich des Supports des jeweiligen Chefconcierge gewiss sein. Und das sind begnadete Door Opener. Entscheidend sei das persönliche Netzwerk, erklärt Jérémie Varry, Chefconcierge des «Baur au Lac». Vieles im Leben beruhe auf dem Prinzip von Geben und Nehmen.

Ein Gast des «Baur au Lac» berichtet, dass Varry für ihn auch einmal einen Platz an einer eigentlich ausgebuchten Premiere des Opernhauses habe ergattern können. Das Geheimnis dahinter: Varry ist mit dem Sales Manager des Hauses befreundet, und der liess ihm Tickets zukommen von Leuten, die kurzfristig abgesagt hatten. «In der Schweiz gibt es für gehobene Anlässe keinen Schwarzmarkt», sagt Jérémie Varry, «was zählt, sind Beziehungen.»

Diese aufzubauen, ist in der Schweiz letztlich der einzig gangbare Weg, um irgendwann zur kleinen Gruppe der Leute zu gehören, die in der begehrten Tafelrunde der Exklusivität dabei sein dürfen. Wer es nicht schafft, kann sein Selbstwertgefühl notfalls immer noch auf andere Weise stärken: «Das Beste war, als sich für unseren Eröffnungsabend im Dracula Club ein bekannter Wirtschaftsführer abmeldete, der gar nie eine Einladung erhalten hatte», erzählt Festival-da-Jazz-Veranstalter Christian Jott Jenny lachend. Um wen es sich dabei handelt, verrät er nicht.