Da sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamt, war die Zentralbankpolitik in diesem Jahr zunehmend locker. Diese Zinskulisse bedeutet für die Rentabilität der Banken nichts Gutes. Andererseits bietet der globale Finanzsektor weiterhin einige interessante Investmentmöglichkeiten – nicht nur trotz, sondern vor allem wegen der Zinsentwicklung.
Das globale Finanzanlageuniversum geht weit über den Bankensektor hinaus. Die Palette ist breit und es gibt Teilsektoren wie etwa Versicherungen, Börsen, Zahlungsabwickler oder Unternehmen, die die Finanzdienstleistungsbranche unterstützen. Bei letzterem denken wir zum Beispiel an Cybersicherheit oder Datenanalyse. Diese Teilsektoren reagieren oft unterschiedlich auf die jeweiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und korrelieren entsprechend wenig miteinander.
US-Banken in guter Verfassung
Im Gegensatz zum europäischen Bankensektor, der mit anhaltendem wirtschaftlichem Gegenwind konfrontiert ist, befinden sich die US-Banken in guter Verfassung. Die am 27. Juni vorgestellten Stresstests der Fed übertrafen die Erwartungen deutlich und ebneten den Weg für Aktienrückkäufe und Dividenden im Wert von 136 Milliarden Dollar – rund zehn Prozent ihrer gesamten Marktkapitalisierung. Die Stresstests bezogen zwölf inländische Banken und sechs Tochtergesellschaften von ausländischen Banken mit ein.
JPMorgan und Citigroup haben seit der Ergebnisvorstellung der Fed Dividendenerhöhungen und Aktienrückkäufe zugesagt. JPMorgan strebt eine um zwölf Prozent gesteigerte Dividendenrendite und einen Aktienrückkauf im Wert von 29 Milliarden Dollar bis Juni nächsten Jahres an. Die Dividende der Citigroup wird unterdessen um circa elf Prozent erhöht und das Unternehmen plant Aktien im Wert von 21,5 Milliarden Dollar zurückzukaufen, was etwa zehn Prozent seiner Marktkapitalisierung entspricht.
Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass eine Zinssenkung die Profitabilität belasten wird, und die zurückhaltende Bewertung in diesem Jahr spiegelt bereits den erwarteten Druck auf die Nettozinsmargen wider. Aber es gibt noch mehr Gründe, bei US-Banken relativ optimistisch zu sein.
Banken können Aktionäre belohnen
Dass Unternehmen wie JPMorgan und Citygroup so viel Kapital an die Investoren zurückgeben können, spiegelt die grundlegende Stärke ihrer Kapitalpositionen wider. Die Common Equity Tier One Kapitalquoten haben sich in den letzten zehn Jahren seit der Kreditkrise mehr als verdoppelt. Sie liegen nun deutlich über den von der Fed geschätzten Mindestquoten, die erforderlich sind, um einem «stark negativen Szenario» standzuhalten. Damit sind diese Banken in der Lage, Aktionäre auch in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld zu belohnen.
Die Nettozinsmargen werden von der flacheren Zinskurve beeinträchtigt und nicht von niedrigen Zinsen per se. Wie ein Artikel der "Financial Times" kürzlich feststellte, könnte eine Zinssenkung am oberen Rand der Kurve verbunden mit einer Lösung des Handelskrieges dazu beitragen, die Kurve im Sinne des Bankensektors zu normalisieren.
Wir halten es daher für ratsam, unser Engagement bei JPMorgan und Citigroup beizubehalten, allerdings nicht nur wegen der verbesserten Kapitalausstattung. Beide Banken nehmen auch die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im Finanzsektor an.
Innovative Unternehmen profitieren
Die Nutzniesser des Niedrigzinsumfelds werden wahrscheinlich innovative Unternehmen sein. Also solche Finanzinstitute, bei denen unterm Strich mehr herauskommt und die den Strukturwandel akzeptieren. Hinzu kommen Disruptoren, die bei dieser Entwicklung vorangehen und bestenfalls noch in den erwähnten Bereichen wie elektronischer Zahlungsverkehr und Cybersicherheit tätig sind. Insofern können niedrige Zinsen den in den letzten Jahren aufkommenden langfristigen strukturellen Wachstumstrend in der globalen Finanzdienstleistungsbranche beschleunigen.
*Guy de Blonay, Fondsmanager des Jupiter Financial Innovation Fund (SICAV) bei Jupiter Asset Management