Die Aussicht auf weitere milliardenschwere Geldspritzen der US-Notenbank gab den Börsen am Dienstagnachmittag weltweit Auftrieb. Der Swiss Market Index, der Dax und der EuroStoxx50 drehten nach zwischenzeitlichen Verlusten zurück ins Plus, der SMI schloss den Handel mit einem Gewinn von über 3 Prozent.

Gleiches galt für die US-Leitindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500, die mehr als 5 Prozent gewannen. Die US-Notenbank Fed will wie während der Finanzkrise kurz laufende Unternehmensanleihen aufkaufen.

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Asiatische Aktien waren am Dienstag nach dem Crash an der Wall Street in ein turbulentes Auf und Ab geraten. An der US-Börse war der Dow-Jones-Index zum Wochenstart so stark abgestürzt wie seit 1987 an einem Tag nicht mehr.

«Der Schritt bei den US-Stock Futures hat dazu geführt, dass einige angeschlagene Aktien gekauft und den Dollar/Yen angehoben haben», sagte Junichi Ishikawa, Senior Stratege bei IG Securities in Tokio. «Der Fokus verlagert sich auf die fiskalische Reaktion auf das Virus. Wir sind in einem Muster gefangen, in dem die Märkte wieder Tritt fassen und dann wieder fallen.»

Der 225 Werte umfassende japanische Nikkei-Index schloss nach starken Ausschlägen 0,1 Prozent höher. Der breiter gefasste Topix-Index stieg um 2,6 Prozent.

Die Börse in Shanghai schloss leicht im Minus.

Erste Börse schliesst

Die philippinische Börse schloss ab Dienstag auf unbestimmte Zeit. Zudem ist der Devisen- und Anleihehandel ausgesetzt. Die Behörden führen für die erste weltweite Marktschliessung die Risiken für die Sicherheit der Händler an.

Bisher hatten einige Börsen nur das Handelsparkett gesperrt oder den Handel nach drastischen Kurseinbrüchen unterbrochen. Obwohl die Schliessung der Börse aus gesundheitlichen Gründen geschieht, erhöht dies die Sorge der Anleger und Analysten, dass andere Börsen folgen könnten.

«Angesichts der beispiellosen Geschwindigkeit des Einbruchs der Aktienkurse wurde vorgeschlagen, dass die Börsen bald geschlossen werden könnten, wenn sich das Blatt nicht wendet», erklärt das Analystenhaus Capital Economics am Dienstag.

Historischer Absturz in den USA

Die Finanzpolitik der Notenbanken zeigte am Montag nicht den gewünschten Erfolg. Die zweite ausserplanmässige Zinssenkung der US-Notenbank Fed binnen zwei Wochen hat bei den US-Anlegern Rezessionssorgen geschürt.

An der Wall Street büsste der Dow Jones zum Wochenstart fast 13 Prozent ein und schloss auf einem Stand von 20'188 Punkten. Gleich zu Beginn des Handels ging es am Montag so kräftig bergab, dass der Handel automatisch ausgesetzt wurde.

Beim breiter gefassten S&P 500 belief sich das Minus auf 12 Prozent. Der Index der Technologiebörse Nasdaq brach um 12,9 Prozent ein.

In Europa gab der deutsche Dax am Schluss rund 5 Prozent. Der SMI schloss 1,7 Prozent tiefer.

Schon in Asien hatten die meisten Börsen tiefer tendiert. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index schloss um 2,5 Prozent tiefer. «Das, was wir hier sehen, hat nichts mit Stimulieren zu tun, dies ist der verzweifelte Schritt, um die Katastrophe zu verhindern», kommentierte ein Marktteilnehmer.

«Die US-Notenbank hat mit ihren Massnahmen nicht zur Beruhigung beigetragen», kommentierte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Nur wenige Tage vor der regulären Zinsentscheidung solch einen deutlichen Schritt zu vollziehen, lasse auf Stress schliessen.

Konzertierte Aktion der Notenbanken

Dies nach der massiven Zinssenkung der US-Notenbank Fed. Sie kappte den geldpolitischen Schlüsselsatz überraschend zum zweiten Mal binnen zwei Wochen. Die Notenbank wird zudem zur Stützung der Wirtschaft in den kommenden Wochen mindestens 700 Milliarden Dollar in die Hand nehmen.

Die Europäische Zentralbank (EZB), die kanadische Notenbank, die Bank von England, Japans Notenbank, sowie die Schweizerische Nationalbank (SNB) wollen zudem gemeinsam mit der Fed die Versorgung mit globaler Dollar-Liquidität stärken.

Die aggressiven geldpolitischen Schritte der Fed zielten darauf ab, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus und die daraus resultierende Angst der Investoren zu beruhigen. «Nach jedem historischen Standard war Art und Umfang dieser Massnahmen aussergewöhnlich», sagte Nathan Sheets, Chefökonom bei PGIM Fixed Income. «Dies ist eine drastische Aktion und die Fed hat wirklich die grossen Geschütze aufgefahren.»

Im asiatischen Devisenhandel verlor der Dollar 0,8 Prozent auf 107,01 Yen und gab 0,1 Prozent auf 6,9944 Yuan nach. Zur Schweizer Währung notierte er kaum verändert bei 0,9496 Franken.

Stabilisierung und Aufholjagd am Freitag

Nach dem historischen Einbruch des Vortages hatte sich die Schweizer Börse am Freitag stabilisiert. Die Hoffnung auf Konjunkturpakete von Regierungen im Kampf gegen eine Rezession liess die Verkäufe versiegen, sagten Händler. Der SMI gewann 0,8 Prozent auf 8338 Punkte. Im Verlauf der gesamten Woche resultierte dennoch ein Minus von rund elf Prozent.

Der Dow Jones legte am Freitag über 9 Prozent zu und holte den Rückstand des Vortagescrashs fast wieder heraus. Es war nach dem grössten Absturz einer der grössten Tagesgewinne der Börsengeschichte.

Die schwärzesten Börsentage seit 1987

Beim bislang grössten Börsenkrach der Nachkriegszeit am 19. Oktober 1987, als Spekulationen auf Zinserhöhungen den Dow-Jones-Index an der Wall Street um 23 Prozent einbrechen liessen, gab es den SMI noch nicht. Er wurde am 1. Juli 1988 erstmals veröffentlicht.

Eine Übersicht über die prozentual höchsten Verluste des Schweizer Leitindex seither:

Die 1990er Jahre und die Anschläge von 9/11

  • 16. Oktober 1989: Der SMI fällt um 11 Prozent und folgt damit der Wall Street, wo Finanzierungs-Schwierigkeiten bei einem Unternehmensverkauf einen Crash auslösen. Auch der deutsche Leitindex Dax gibt um rund 13 Prozent nach.
  • 19. August 1991: Ein später gescheiterter Putsch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow drückt den SMI um gut 8 Prozent ins Minus.
  • 28. Oktober 1997: Im Sog der Asienkrise sackt der SMI im Handelsverlauf um bis zu über 10 Prozent ab und schliesst 4,6 Prozent niedriger.
  • 1. Oktober 1998: Die Sorge vor einem Flächenbrand im Bankenwesen nach der Schieflage eines Hedgefonds sowie einer Eskalation der Krisen in Asien, Japan, Lateinamerika und Russland drücken den SMI um knapp 6 Prozent ins Minus.
  • 11. September 2001: Nach den Anschlägen in den USA fällt der SMI um rund 7 Prozent.
  • 21. September 2001: Zehn Tage später markieren die Börsen weltweit neue mehrjährige Tiefstände. Der SMI sackt zwischenzeitlich um knapp 8 Prozent ein. Anleger fürchten sich nicht länger nur vor wachsenden Konjunkturrisiken und den finanziellen Terrorschäden in vielen Branchen, sondern auch vor einem möglichen Krieg.

Finanz- und Schuldenkrisen hinterlassen tiefe Spuren

  • 21. Januar 2008: Sorge vor einer Rezession in den USA drückt den SMI um über 5 Prozent ins Minus.
  • 15. September 2008: Bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers gibt der SMI um 5,4 Prozent nach. Währenddessen kommt der deutsche Dax glimpflich davon und verliert moderate 2,7 Prozent. Bis zum Handelsende erholt sich auch der SMI etwas und schliesst noch 3,8 Prozent tiefer.
  • 8. Oktober 2008: Im Sog der Finanzkrise stürzt der Nikkei-Index um über neun Prozent ab. Der SMI verliert bis zu 6,6 Prozent, der Dax bis zu neun Prozent. Nach einer konzertierten Zinssenkungsrunde der grossen Notenbanken erholen sich die Kurse nur leicht. Der SMI schliesst mit einem Minus von 5,5 Prozent.
  • 24. Oktober 2008: Ein erneuter Absturz der Tokioter Börse drückt den SMI in der Spitze um über 8 Prozent.

China, Zinsen und Frankenschock

  • 15. Januar 2015: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hebt den Euro-Mindestkurs auf. Der SMI erlebt mit einem zwischenzeitlichen Sturz um 13,8 Prozent seinen bisher grössten Tagesverlust von über 9'000 Punkten am Vorabend auf unter 8'000 Punkte. Er schliesst 8,7 Prozent tiefer. Am Tag darauf geht es um weitere 6 Prozent nach unten.
  • 24. August 2015: Die Furcht vor einem deutlichen Konjunktureinbruch in China drückt den SMI um 7,3 Prozent. Spekulationen auf eine Geldspritze der chinesischen Notenbank bremsen am Abend die Talfahrt. Der SMI schliesst 3,7 Prozent im Minus.
  • 24. Juni 2016: Grossbritannien entscheidet sich für den Ausstieg aus der EU. Der SMI bricht zwischenzeitlich um 6,8 Prozent ein und schliesst um 3,4 Prozent tiefer.
  • 24. Februar 2020: Ein neuartiges Coronavirus breitet sich nach Europa aus. Die Furcht vor den Folgen der Epidemie beendet den Höhenflug des SMI, das Barometer gibt vier Prozent nach. Erst kurz zuvor hatte der SMI ein neues Rekordhoch bei 11'270 Punkten erreicht.
  • 9. März 2020: Zu einer allgemeinen Verunsicherung wegen des Coronavirus kommt ein Ölpreiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland hinzu: Weil die Regierung in Moskau sich nicht an einer Förderbremse beteiligen will, dreht Saudi-Arabien den Ölhahn voll auf, der Preis bricht zeitweise um rund ein Drittel ein. Das drückt den SMI im Handelsverlauf um 7,0 Prozent oder fast 700 Punkte. Weltweit brechen die Börsen ein.
  • 12. März 2020: Ein Einreisestopp der USA für Personen aus dem Schengen-Raum lässt die Börsen im Zuge der Corona-Krise erneut abstürzen. Der SMI verliert an diesem schwarzen Donnerstag 9,6 Prozent. In den USA verliert der Dow Jones fast 10 Prozent.
  • 16. März 2020: Die Wall Street erlebt in der Corona-Krise den schwärzesten Tag seit 1987. Der Dow Jones stürzt um 12,9 Prozent ab, der S&P 500 um 12 Prozent und der Nasdaq um 12,9 Prozent.
Anleger in der Falle: Milliarden auf Pump verspekuliert

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(gku | reuters/awp/sda)