BILANZ: Vor sechs Jahren wurden Sie in einem BILANZ-Artikel als fast unbegrenzt leistungsbereit beschrieben. Sie sind inzwischen 30 Jahre alt. Welche Ziele haben Sie erreicht?
Adriana Bodmer: Ich habe meine Ausbildung abgeschlossen und eine Firma gegründet. Diese ist gut gestartet und seitdem kontinuierlich gewachsen. Das Geschäftsergebnis war von Anfang an positiv. Aber ich schaue lieber in die Zukunft als zurück.
Sie schlossen Ihre Doktorarbeit an der Universität Zürich summa cum laude ab und haben ein erfolgreiches Unternehmen. Noch nicht zufrieden?
Nein, unsere Firma hat grosse Wachstumschancen. Diese möchte ich nutzen.
Wie steht es mit Ihrer politischen Karriere? Sie haben mit zwanzig für den Nationalrat kandidiert und über 15 000 Stimmen erhalten.
Es war eine interessante Lehre mit positiven und negativen Aspekten. Stark beeindruckt hat mich Ulrich Bremi, der junge Menschen wie mich auf dem Weg in die Politik mit viel Engagement förderte. Die visionären Gespräche mit ihm waren sehr motivierend und hilfreich. Negativ finde ich, dass die persönliche Leistung bei der Partei weniger zählt als die Sprossen der Bürokratieleiter.
Immerhin waren Sie Vizepräsidentin der FDP in Zollikon. Sie organisierten und leiteten Podiumsgespräche mit prominenten Gästen wie Christoph Blocher, Pascal Couchepin und Franz Steinegger. «Wirtschaft und Politik – Gegner oder Freunde?», hiess eines der Themen. Wie sehen Sie dies heute?
Ich bedaure es sehr, dass die FDP keine Wirtschaftspartei mehr ist, ja sogar der Wirtschaft den Rücken zukehrt. Ich bin im April dieses Jahres aus der Partei ausgetreten. Ihr Mitte-links-Kurs und das unberechenbare Präsidium haben mich zu diesem Entscheid gezwungen. Mein Herz schlägt nach wie vor für den rechten Flügel der FDP. Dieser schmilzt aber schneller als unsere Gletscher.
Ist das ein Grund, warum Sie und Herr Ospel nicht nach Zollikon, sondern nach Wollerau zügeln?
Nein. Wir haben erst vor kurzem ein Haus um den Zürichsee zu suchen begonnen und es in den Höfen gefunden. Und glauben Sie mir, diese Region ist viel weniger elitär, als jüngst medial breitgewalzt worden ist. Vor allem liegt in dieser Gegend viel Unternehmergeist in der Luft, und das gefällt mir sehr.
Sie sind oft als Begleiterin von Marcel Ospel an Veranstaltungen anzutreffen. Stört es Sie nicht, wenn Sie in seinem Schatten stehen?
Ich empfinde das nicht so. Ich beteilige mich an den Diskussionen, aber es ist nicht mein Ziel, mich an diesen Veranstaltungen persönlich zu profilieren. Überhaupt gibt er mir immer das Gefühl, eine gleichwertige Partnerin zu sein.
Was verbindet Sie mit Marcel Ospel? Beim Humor halten Sie sich wohl die Waage.
Ja, der Humor ist eine starke Verbindung.
Wie viel Zeit bleibt Ihnen fürs private Zusammensein?
Da ich die Geschäftsleitung mit meinem Partner Ruedi Steinhauser teile und mich vor allem mit Akquisition und Strategie befasse, bin ich vom Arbeitsort her flexibel. Nachdenken und telefonieren kann ich überall. Natürlich wünschten wir uns hie und da mehr Freizeit. Umso sorgfältiger planen und geniessen wir sie miteinander.
Wie halten Sie es mit der Fasnacht? Marcel Ospel ist aktiver Fasnächtler. Haben Sie sich als Zürcherin mit der Basler Fasnacht angefreundet? Tragen auch Sie eine Larve?
Ich bin nicht die ganzen 72 Stunden lang dabei. Ich mische mich aber gerne während einiger Stunden ins bunte und sehr originelle Treiben. Seit ich die Bräuche und die damit verbundenen Menschen besser kennen lernte, habe ich auch Freude an den Tagen gewonnen, die für viele Basler zu den schönsten im Jahr zählen. Eine Larve zu tragen, wäre mir jedoch fremd. Ich verstelle mein Gesicht nicht gerne. Man weiss bei mir, woran man ist. Auch im Geschäft. Wenn ich etwas zu bemängeln habe, sage ich es. In der Regel wird dies auch geschätzt, und ich bin damit nicht schlecht gefahren.
Sieht man Sie deshalb auch nie geschminkt? Sie legen offensichtlich auch keinen grossen Wert auf Mode?
Ich denke, dass ich meinen Stil gefunden habe. Im Unterschied zur Generation der Achtundsechziger wurden Sie als fast unbegrenzt leistungsbereit, topqualifiziert, belastbar, initiativ und effizient gelobt.
Ist dies typisch für Ihre Generation, die zunehmend ans Ruder kommt?
Ja, ich denke schon. Das Pendel schlägt wieder zurück. Meine Generation ist tendenziell mutiger und initiativer. Das bildet einen guten Nährboden für unternehmerischen Erfolg.
Ihre Firma beschäftigt zwei Partner und sieben Projektleiter, also Analysten. Sie sind aber laut Ihrer Homepage ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden mit charakterlich und intellektuell überdurchschnittlichen Fähigkeiten. Sind diese derart rar, oder sind Ihre Ansprüche zu hoch?
Unsere Ansprüche sind tatsächlich speziell gelagert. Es gibt viele junge, leistungswillige und hoch begabte Menschen, die sich von unserer Kultur angesprochen fühlen. Wir suchen allerdings Mitarbeiter, in deren Adern überdies unternehmerisches Blut fliesst.
Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?
Neben bereits Erwähntem suchen wir erstens Leute, die ihr Studium schnell und ausgezeichnet abgeschlossen haben. Und zweitens Lebensläufe, die Hobbys wie zum Beispiel die Mitgliedschaft in einem erfolgreichen Sportteam, Orchester usw. enthalten. Dies sind für uns Indizien für gutes Teamplaying.
Traf das auch auf Sie zu?
Ja, ich spielte beim Grasshopper Club Zürich und in der Nationalmannschaft Landhockey sowie in einem Orchester Klarinette, Letzteres allerdings auf etwas tieferem Niveau.
Und trotz all dem haben Sie sich Bestnoten beim Studium verdient, das sie innert viereinhalb Jahren abschlossen – inklusive Teilzeitjobs bei Banken und politischer Ämter. Wie schafften Sie dies alles?
Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Sie war voll für meinen Bruder Alexander und mich da, als wir noch Knöpfe waren. Sie ist heute Chefin von Stahlton und engagierte Gemeinderätin. Dank Disziplin und Effizienz bringt sie alles unter einen Hut.
Hat sie Ihnen die Lust auf Leistung beigebracht?
Das habe ich eher von meinem Vater, den ich dafür bewunderte und immer noch bewundere. Ganz im Gegensatz zu grossartig klingenden Namen beeindruckt mich Leistung. Leistung, gekoppelt mit Bescheidenheit. Leider trifft man zu oft aufs Umgekehrte: wenig Leistung und viel Überheblichkeit.
Auch an der Spitze?
Dort weniger, und wenn, dann meist nur kurz …
Wie unterscheiden Sie echte Komplimente von Schmeicheleien?
Man merkt es leicht, wenn die Leute etwas loben, ohne zu wissen, wovon sie reden. Ausserdem kann ich mich auf ein recht zuverlässiges Bauchgefühl verlassen.
Wie gehen Sie mit Neid um?
Ich war schlecht in Latein und bekam bloss die Note 3,5. Doch ein Zitat von Ovid habe ich fürs Leben mitgenommen: «Lass die Leute reden, sie reden sowieso.»
Wie halten Sie sich von den Klatschspalten fern?
Mein Ziel ist es, eine Firma aufzubauen, und nicht, mich in den Medien zu profilieren. Im Übrigen gibt es für die Presse doch viel spektakulärere Opfer als mich.
Sie haben sich im Zusammenhang mit Ihrer Doktorarbeit intensiv mit der Strategie der UBS befasst. Wie stark ist Ihr Einfluss auf die Bank via Marcel Ospel?
In seinem Geschäftsumfeld mangelt es nicht an geeigneteren Beratern.
Was bedeuten Ihnen Macht, Geld und Beziehungen?
Auf seinem Weg zum Erfolg eignet sich ein Unternehmer Macht, Geld und Beziehungen an. Nichts davon hat für mich per se eine negative Färbung. Macht verstehe ich als Gestaltungsraum. Die negative Assoziation mit diesem Begriff kommt von den ganz wenigen Fällen her, in denen sie missbraucht wurde, sei es in Erziehung, Wirtschaft, Kultur oder Politik.
Ihre Firma ist laut der Homepage auf wertorientierte Unternehmensführung und -strategie, Unternehmens- und Bereichsbewertung, Ertrags- und Kostenoptimierung und systematisches Risikomanagement spezialisiert. Wie unterscheiden Sie sich von anderen Beratungsunternehmen?
Wir pflegen keine Beratermentalität, sondern denken unternehmerisch. Wir sind auch bereit, direkte operative Verantwortung zu übernehmen und uns bei unseren Kunden finanziell zu engagieren. So etwa bei der Firma Swiss Water System oder bei Go4talents, einem Joint Venture mit der Universität Zürich. Go4talents ist ein Online-Rekrutierungsservice für Studierende der Universität Zürich, der Talente und Arbeitgeber zusammenführt.
Wollten Sie mit Go4talents Ihrer Alma Mater einen Dienst erweisen?
Ja! Es ärgert mich, dass sich die Universität Zürich im Vergleich mit der Universität St. Gallen nicht besser vermarktet. Sie hat schliesslich nicht weniger, sondern eher mehr zu bieten. Wir haben mit dieser Dienstleistung bei Ökonomieabsolventen begonnen und planen, sie auf alle sechs Studienrichtungen der Uni Zürich auszudehnen. In Kürze werden auch die juristische und die naturwissenschaftliche Fakultät integriert.
Womit befasst sich Swiss Water System, bei der Sie Verwaltungsratspräsidentin sind?
Mit allem, was im weitesten Sinn mit Wasser zu tun hat. Unser Unternehmen prüft laufend den Einsatz neuster Technologien und Innovationen. Wir betreiben Projekte in den Bereichen Aufbereitung, Lagerung, Distribution und Veredelung von Wasser. Unser neustes Produkt ist der Water-Cooler AquaSì, ein Trinkwasserbehälter, der hygienisch zuverlässiger ist als herkömmliche Produkte.
Und was ist daran neu?
AquaSì kommuniziert über SMS mit einer Datenbank. So kann das Bestellwesen für Wasser automatisiert, die Hygiene überprüft und die verbrauchte Wassermenge aufgezeichnet werden. Eine wirkungsvolle Kontrolle wird so erst ermöglicht. Zudem kann das Wasser mit Geschmacksnuancen, Kohlensäure und Sauerstoff angereichert werden.
Welches sind weitere Kunden von Ihnen?
Über einzelne Kunden, bei denen wir keine Organfunktion innehaben, müssen und wollen wir nicht sprechen. Um Ihnen dennoch ein Bild über unser Kundenportefeuille zu vermitteln: Die Adbodmer AG betreut drei SMI-Konzerne, elf schweizerische KMU, drei ausländische Firmen und eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Ihre unternehmerische Leidenschaft kommt auch da voll zum Zug. Sie stammen aus einer uralten Unternehmerfamilie, deren Stammbaum so alt ist wie die Eidgenossenschaft. Was heisst das für Sie? Hat es Sie geprägt?
Darüber begann ich erst nachzudenken, als mir Journalisten diese Frage stellten. Mein Name ist keine eigene Leistung von mir und hat mich dank meiner Erziehung auch nicht geprägt.
Sie haben während Ihrer Schulzeit in einem Orchester Klarinette gespielt. Existiert sie noch?
Ich habe sie letzte Weihnachten erstmals seit 13 Jahren wieder gespielt.
Und Herr Ospel sang dazu «O du fröhliche»?
Die ganze Familie hat gesungen! Bald beginne ich mit dem Üben für kommende Weihnachten.