Zwischen Bangen und Hoffen liegt häufig nur ein schmaler Grat. Die Kursrückgänge zu Beginn des Corona-Ausbruchs in Europa waren historisch betrachtet zwar nicht die stärksten, aber die mit Abstand rasantesten.
Innerhalb von acht Börsentagen fiel der Dax um knapp 33 Prozent. Nach einer kurzen Verschnaufpause kletterten die Kurse in nur fünf Handelstagen dann um 23 Prozent. Die Börsen in den USA folgten diesem Muster. Mit Aktionismus konnte man als Investor in dieser Phase mehr falsch als richtig machen.
Kein guter Start in diesem Jahr
Gemessen am MSCI-Welt-Index hat man seit Anfang des Jahres mit Aktien einen Verlust von etwa 20 Prozent erlitten. Deutlich weniger als während der Finanzkrise zwischen Juni 2007 und März 2009 sowie während des Platzens der Technologieblase im Zeitraum von Juni 2001 bis Mai 2003. Beide Ereignisse hatten Kursverluste an den Aktienmärkten von rund 50 Prozent zur Folge, gerechnet in Euro unter Berücksichtigung der Dividenden.
Angesichts eines weitgehenden Stillstands der Wirtschaft über ein bis zwei Monate, verbunden mit erheblichen Einkommenseinbussen durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, erscheinen die Kursverluste, die Aktionäre bislang als Tribut an die Corona-Krise entrichten mussten, eher gering.
Dies rührt daher, dass viele Staaten mit einem in dieser Grössenordnung bisher nicht gekannten Haushaltsdefizit die Kosten und Einkommensverluste auffangen. Das lässt sich auch rechtfertigen, handelt es sich doch dieses Mal nicht um eine selbstverschuldete Krise der Wirtschaft beziehungsweise der Kapitalmärkte, sondern um höhere Gewalt.
So reagiert der Staat
Folgerichtig springt der Staat durch die Vergemeinschaftung der Schäden in Form von Schulden ein, um die negativen Folgen für den Einzelnen und für die Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Finanziert werden die Rettungsmassnahmen jedoch nicht über den freien Kapitalmarkt, sondern über die grossen Notenbanken wie die Federal Reserve, die Europäische Zentralbank oder die Bank of Japan.
Diese kaufen die Schulden auf, im Falle der USA sogar unlimitiert, und drucken damit Geld. Damit werden Liquiditätsengpässe ausgeglichen und eine explodierende Staatsverschuldung zu sinkenden Zinsen ermöglicht. Es gibt wohl keine Alternative zu diesem Vorgehen der Staaten, es sollte aber klar sein, dass damit in der Zukunft erhebliche Kosten auf uns zukommen.
Unterstützung der Notenbanken ist dringend nötig
So ist folgendes Szenario denkbar: Die Höhe der Staatsverschuldung legt massiv in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zu. Ohne eine dauerhafte Unterstützung der Notenbanken stiegen dann die Zinsen in einem Ausmass, das die Schuldentragfähigkeit der Staaten infrage stellen würde. Um dies zu verhindern, werden die Zinsen von den Notenbanken durch den Ankauf von Staatsanleihen in der Nähe von Null gehalten.
Dies wäre nicht weiter schlimm, verharrte die Teuerung auf dem derzeit niedrigen Niveau. Sollte diese sich jedoch beschleunigen, wären den Notenbanken die Hände gebunden. Denn ein Zinsanstieg würde nicht nur die Wirtschaft in eine schwere Rezession treiben, sondern auch die Schuldentragfähigkeit der Staaten in Frage stellen. Ein Schuldenschnitt wäre in diesem Szenario eine Gefahr für die Geldwertstabilität, da Geld im Wesentlichen durch die von den Notenbanken angekauften Staatsschulden gedeckt ist. Geld und Staatsschulden sind in diesem Szenario zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Die rote Flagge für Anleger
Für Anleger bedeutet dies, dass Staatsanleihen, vor allem jene mit längeren Laufzeiten, kein geeignetes Mittel zur Anlage von Vermögen sind. Kürzerlaufenden Staatsanleihen etwa der USA oder Deutschlands sei damit freilich nicht ihre Qualität als Liquiditätsreserve abgesprochen.
Die Stabilität des Gelds als Spiegelbild der Staatsschulden sollte in Zukunft von Anlegern vor allem am Gegenwert in Gold gemessen werden, da Gold ein von der Verschuldung unabhängiger und in der verfügbaren Menge weitgehend stabiler Wertgegenstand ist, der zumindest in der Vergangenheit auch von den Notenbanken als wichtiger Teil der Gelddeckung gesehen wurde.
Alternativer Weg aus Japan und der Schweiz
Interessant ist im gegenwärtigen Umfeld, dass einige Notenbanken, vor allem die Schweizerische Nationalbank und die Bank of Japan, einen alternativen Weg zur Finanzierung der Staatsschulden gehen, der zumindest die Risiken für die Geldwertstabilität verringert: Sie kaufen nämlich neben Anleihen vor allem auch Aktien, also Anteile an Unternehmen. Und Unternehmen sind, auch wenn ihre Verschuldung in den vergangenen Jahren stärker zugenommen hat, Produktivvermögen.
Als Quelle des Wohlstands eines jeden Staates generieren sie Einkommen und Wohlstand. Selbst wenn sie in der gegenwärtigen Krise Verluste machen, so sind sie doch die Substanz für einen künftigen Aufschwung. Die relative Stärke des Schweizer Franken und des Yen scheint der Strategie der beiden Notenbanken Recht zu geben.
Anleger sollten die Kursrückgänge von Aktien in der Corona-Krise als Chance nutzen und es den Notenbanken in Japan und der Schweiz gleichtun. Während Unternehmen Mehrwert schaffen, sind Staatsanleihen Vermögenswerte, bei denen man nicht nur gleichzeitig Gläubiger und Schuldner ist, sondern auch nicht einmal mehr durch Zinsen entlohnt wird.
Klaus Kaldemorgen ist Portfoliomanager bei DWS.