Die Gleichung ETF gleich kostengünstige passive Indexanlage gilt längst nicht mehr: In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von aktiv verwalteten ETFs auf den Markt gekommen. Ihre Anzahl geht allein im deutschsprachigen Raum in die Hunderte. 

Grob klassifizieren lassen sie sich Richtung Derivatestrategie (Buy /Write), Dividendentitel-Optimierung, Large Caps, Sektoren-ETFs, Wachstumswerte, Value-Aktien, ETFs, die ethisch problematische Aktien (typischerweise aus den Sektoren Rüstung und Tabak) nicht berücksichtigen, sowie «smarte» ETFs, bei denen die Aktien anders gewichtet werden als in den zugrunde liegenden Indizes. Kleinster gemeinsamer Nenner aller Ansätze: Man versucht, die Benchmark zu schlagen, ohne die Kostenfrage ganz ausser Acht zu lassen – denn sonst verlieren die ETFs ihre wichtigsten Argumente nebst der leichten Handelbarkeit. 

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Wichtige Stellschrauben

Die wichtigste Stellschraube bei den mehr oder weniger aktiv gemanagten ETFs unterschiedlicher Ausrichtung ist die Gewichtung der einzelnen Bestandteile. Die hierfür entscheidenden Kriterien werden im Branchenjargon «Faktoren» genannt. Der Stellenwert der Gewichtung wird oft unterschätzt, er lässt sich aber gleichsam vor der Haustüre beobachten: Beim SMI-Index sind die grossen Aktien wie Nestlé, Novartis und Roche entsprechend ihrer Marktkapitalisierung sehr hoch gewichtet; diese hohe Gewichtung ist ebenfalls ein Faktor (beispielsweise im Zusammenhang mit Blue-Chip-Ansätzen). Sie kommen zusammen auf fast zwei Drittel der Gesamtkapitalisierung. Beim SLI-Index auf die gleichen Werte gibt es hingegen eine Limite bei 10 Prozent – höher wird eine Aktie nie gewichtet. Das schlägt sich sofort in der Performance nieder: Der SMI ist 2017 um gut 15 Prozent gestiegen. Der SLI ist auf drei Prozent mehr gekommen. 

«Smart-Beta-ETFs schlagen gewissermassen die Brücke zwischen aktiv gemanagten Fonds und passiven Instrumenten», sagt Christian Gast, Leiter iShares und Index Investing in der Schweiz bei BlackRock. Aktiv sind sie in der Hinsicht, dass sie darauf ausgerichtet sind, bessere risikoadjustierte Renditen zu erzielen. Dazu setzen sie laut Gast auf wissenschaftlich fundierte Renditefaktoren wie Unternehmensgrösse (Size), positive Kursdynamik (Momentum), günstige Aktienbewertung (Value), Unternehmensqualität (Quality) und niedrige Volatilität (Low Volatility). «Gleichzeitig ähneln sie traditionellen passiven Strategien, indem sie regelbasiert, systematisch und transparent sind», so Gast. 

Im Fonds- und Retailderivatebereich wurden in den vergangenen Jahren etliche Innovationen lanciert, die sich in der Praxis als wesentlich schlechter entpuppt haben, als man das selbst nach ausführlichen Backtests gedacht hatte. Laut Gast ist das bei den Smart-Beta-ETFs anders: «Smart Beta ist unserer Ansicht nach ein langfristiger Trend, der sich weiter verstärken wird. Er befindet sich gerade erst in einem Stadium wie Anleihen-ETFs vor etwa fünf Jahren.» Das zeige, wie viel Potenzial diese Entwicklung biete. «Es ist vielfach empirisch nachgewiesen, dass bestimmte Faktoren das Risiko-Rendite-Profil von Aktien langfristig optimieren können», so Gast weiter. Faktor-ETFs würden einen besonders effizienten Zugang zu diesen wissenschaftlich fundierten Renditetreibern bieten. Diese Erkenntnis setzt sich bei Investoren zunehmend durch und führt zu einer immer stärkeren Nachfrage nach Faktor-ETFs. «Wir erwarten, dass Smart-Beta-ETFs bis 2020 weltweit von aktuell rund 400 Milliarden Dollar auf rund eine Billion Dollar anwachsen werden», so Gast. 

 

Value und Momentum besonders gefragt

Anleger halten sich bei den Faktoren an das, was sich bei den aktiven Ins-trumenten oft (aber nicht immer) bewährt hat. «Die fünf Faktoren Size, Momentum, Quality, Value und Low Volatility sind durch wissenschaftliche Analysen besonders gut fundiert», sagt Gast. Welche davon aus Anlegersicht als interessant erachtet würden, sei so individuell wie die Risiko-Rendite-Profile der Anleger. Denn es hänge unter anderem davon ab, ob bereits Faktor-Schwerpunkte in den Portfolios existieren würden, die es zu neutralisieren gelte, und davon, ob gezielt Schwerpunkte aufgebaut werden sollen. Einzelne ETFs aus den USA klammern auch die durch den Job verbundenen zusätzlichen Risiken aus: Ein Banker hat via Arbeitgeber bereits ein signifikantes Branchen-Exposure, und das Gleiche gilt für Pharmavertreter. Solche Investoren können dann ETFs auf den S&P-500-Index ohne Finanzwerte bzw. Pharmaaktien kaufen. Entsprechende Produkte sind indes bisher nicht über ihre Nische hinaus gewachsen. 

Eine weitere Frage ist, ob Renditemaximierung oder Risikomini-mierung im Vordergrund steht. «Erfahrungsgemäss entfalten die einzelnen Faktoren ihre Stärken unter verschiedenen konjunkturellen Bedingungen besonders gut und entwickeln sich vielfach unabhängig voneinander», so Gast. «Daher
ist es aus unserer Sicht zielführender, mehrere Faktoren im Portfolio zu berücksichtigen und dabei gegebenenfalls Schwerpunkte zu setzen, als sich im genauen Timing einzelner Faktoren zu versuchen.»

2017 war vor allem das Interesse an Momentum- und Value-ETFs gestiegen, getrieben von dem soliden globalen Wirtschaftswachstum und von den gesunden Unternehmensgewinnen. Value-ETFs verwalteten Ende November 2017 weltweit 13,7 Milliarden Dollar, das entspricht 67 Prozent Wachstum seit Anfang Januar. Momentum-Produkte bringen es inzwischen auf 9,7 Milliarden Dollar, wobei sich das verwaltete Vermögen in den ersten elf Monaten 2017 in etwa verdoppelt hat. Anleger haben sowohl Value- als auch Momentum-ETFs 2017 unterm Strich so viel frisches Kapital anvertraut wie nie zuvor innerhalb eines Kalenderjahres. «Wir gehen davon aus, dass das Makroumfeld 2018 stark bleiben wird», zeigt sich Gast zuversichtlich. «In einem solchen Umfeld haben sich die Faktoren Value, Momentum und Size historisch betrachtet besonders gut entwickelt.» 

 

Aktive sind nicht risikofrei 

Nicht alle Ansätze funktionieren für alle Märkte und Sektoren gleich gut. «Smart-Beta-ETFs kommen vor allem strategisch zum Einsatz, weniger für taktische Allokationen», beobachtet Gast. Daher sind statt einzelnen Sektoren vor allem breit diversifizierte Produkte gefragt. Regional lassen sich Renditefaktoren weltweit nachweisen – von den USA über Europa bis hin zu Schwellenländern. «Während die Forschung sich bislang auf die Aktienmärkte konzentrierte, rücken Renditefaktoren auch am Obligationenmarkt zunehmend in den Blickpunkt. Daher dürften auch für dieses Marktsegment vermehrt Faktor-ETFs auf den Markt kommen», glaubt Gast. 

Smart-Beta-ETFs sind wie ETFs insgesamt deutlich kostengünstiger als der Durchschnitt aktiv gemanagter Lösungen. So liegen die jährlichen Gebühren der iShares-Faktor-ETFs laut BlackRock zwischen 0,3 und 0,4 Prozent, die Multi-Faktor-Produkte kosten 0,45 beziehungsweise 0,5 Prozent. Damit bewegen sich die Produkte über die gesamte iShares-Produktpalette hinweg betrachtet im Mittelfeld.

Die Schweizer Börse SIX hat für die aktiv verwalteten ETFs ein eigenes Marktsegment geschaffen, um zu verhindern, dass die Produkte verwechselt werden. Für Ratgeber-Plattformen wie das Vermögenszentrum sind bei den aktiv verwalteten ETFs die Regeln für die genaue Gewichtung und für die Auswahl der Basiswerte nicht nachvollziehbar, und dadurch sind sie intransparent. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Index-Performance verpasst werde und dass der Preis oft deutlich höher sei als bei den rein passiv funktionierenden Produkten. Deshalb sei auch hier ein Blick in die Factsheets der Sponsoren unabdingbar – verbunden mit der Empfehlung, lediglich in die Produkte zu investieren, die man als Investor verstehe (und als Berater anderen Anlegern erklären könnte).