50-80-60 sind nicht die Körpermasse eines Topmodels; die Zahlen zeigen die Aktienentwicklung des Schweizer Solarstromunternehmens Edisun – vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima, kurz danach und sechs Wochen später. Wie Edisun haben die Kurse der meisten Firmen aus dieser Branche Mitte März zum Höhenflug angesetzt. Meyer Burger, der Systemanbieter von Solaranlagen, wurde innert Stunden um 50 Prozent höher bewertet. Der führende Hersteller von Windenergieanlagen, Vestas aus Dänemark, legte um 25 Prozent zu.

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Doch die Freude der Anleger währte nur kurz. Der Aktienkurs der Dänen notiert heute tiefer als vor Fukushima. Auch bei den meisten anderen Werten aus dem alternativen Energiesektor sind die Kurse erschlafft. Damit geht die Geduldsprobe für die meisten Anleger in diesem Zukunftssektor weiter. Seit Monaten tendieren vor allem Solar-, aber auch zahlreiche Aktien aus der Windenergie abwärts.

Dabei gibt es für Anlageprofis keine Zweifel am Potenzial der nachhaltigen Stromerzeugung. «82 Prozent der weltweiten Stromerzeugung basieren auf nicht erneuerbaren Brennstoffen», sagt etwa der Schweizer Vermögensverwalter Peter Silberschmidt. Diese Kapazität müsse in den nächsten 100 Jahren ersetzt werden. Die nukleare Stromerzeugung mit sechs Prozent der weltweiten Strommenge ist seit Fukushima keine realistische Alternative mehr. Die Lösung liege allein in den erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. «Anleger kommen deshalb nicht umhin, dieses Thema in ihrer Vermögensplanung einzubauen», ist Silberschmidt überzeugt.

Zu diesem Schluss kommt auch Kevin Parker, Leiter Asset Management der Deutschen Bank: «Während die Politik noch zögert, richten die Anleger ihre Strategie bereits neu aus.» Der Energiebedarf wächst weiter, wie die Bank in einer Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels für Anleger aufzeigte. Danach nimmt der Verbrauch in den nächsten 20 Jahren weltweit um 39 Prozent zu, ausserhalb der OECD-Länder gar um 68 Prozent. Das stärkste Wachstum wird bei der Nutzung erneuerbarer Energiequellen mit über acht Prozent jährlich ausgemacht. Schon heute sind in Deutschland mehr Menschen in diesem Sektor beschäftigt als in der Automobilindustrie.

Trotz den rosigen Wachstumsaussichten ist den meisten Aktien in diesem Bereich seit dem Höhenflug von 2008 die Puste ausgegangen. Gemessen am Erix Index der Bank Société Générale, der die grössten Firmen aus den Bereichen Solar, Wasser, Wind, Biomasse und Geothermie enthält, verloren die Titel seit damals zwei Drittel an Wert. Auch im vergangenen Jahr erlitten die Anleger, in Euros gerechnet, 30 Prozent Wertverlust. Entsprechend schwach haben sich die Anlagefonds in diesem Themenfeld entwickelt. Von den 18 in der Schweiz zugelassenen Fonds und den drei kotierten Indexfonds (ETF) hat gemäss der Fondsplattform Morningstar, in Franken gerechnet, der Smart Energy Fund von Sam über die letzten fünf Jahre mit 2,5 Prozent Verlust am besten abgeschnitten. Alle anderen liegen bis 13,5 Prozent im Minus – pro Jahr.

Subventionen weg

Die Gründe für die enttäuschende Leistung sieht Silberschmidt nicht nur in der allgemeinen Marktschwäche. Auf der Suche nach geeigneten Produkten für die Kunden habe er kaum einen Fonds gefunden, bei dem eine klare Fokussierung erkennbar sei und die Fremdwährungsrisiken berücksichtigt würden. Viele Fondsmanager hätten auch die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen zu spät erkannt, ergänzt Eckhard Plinke, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Bank Sarasin.

Gerade diese Rahmenbedingungen sind einer der Hauptgründe für die Kurseinbrüche bei Windenergie- und vor allem bei Solarwerten. Zuerst wurde besonders Solarstrom mit hohen Einspeisevergütungen gehätschelt. Mit massiven Preisstützen halfen Regierungen, den teuer produzierten Strom marktfähig zu machen. Diese Subventionen wurden ab 2008 in Deutschland jedoch massiv gekürzt. Die Staatsfinanzen veranlassten Spaniens Regierung gar zu einer rückwirkenden Streichung. In den USA verlängerte Präsident Barack Obama die Steuererleichterungen für Windenergie nur um ein Jahr.

Unfassbare Risiken

Eine Rückkehr zu höheren Vergütungen ist nicht in Sicht. Die Produktionskosten für Solarstrom liegen aber noch deutlich über dem Niveau der Strompreise, welche die Konsumenten bezahlen müssen (siehe «Finanzierungslücke» rechts). Die Abhängigkeit vom politischen Goodwill ist laut der Studie der Deutschen Bank ein wichtiger Risikofaktor für Anleger. Die Internationale Energieagentur (IEA) errechnete zwar, dass die Subventionen für fossile Energieträger 2009 rund 400 Milliarden Dollar erreichten, gegenüber 57 Milliarden für erneuerbare. Auf die Stromleistung hinuntergebrochen, verändern sich die Relationen aber: 5 Cent pro kWh bei erneuerbaren Energien und 0,8 Cent bei fossilen. Unfassbar hoch sind die öffentlich zu tragenden Risikokosten bei Kernenergie.

Weitere Gründe für die Kurserosion der letzten Jahre waren schliesslich die Überkapazitäten und der Preiszerfall. 2009 brachen die Preise für Solarmodule gemäss einer Studie von Sarasin um 30 bis 50 Prozent ein. Die Preisdifferenz hat sich bei chinesischen Herstellern gegenüber ihren Konkurrenten in Europa innert Jahresfrist auf 20 Prozent verdoppelt. Die Zahl der Modulanbieter ist von 20 auf 200 angestiegen. Bei der Windenergie sind die Preise der Anlagen in den letzten drei Jahren um 30 Prozent günstiger geworden. Die Betriebsgewinnmargen der führenden Anbieter erreichen in beiden Sparten noch etwa 10 Prozent, halb so viel wie vor fünf Jahren.

Dass die Kurse nach dem Zwischenhoch rasch wieder auf die alten Niveaus zurückgefallen sind, überrascht nur wenige Anlageprofis. «An der schwierigen Situation hat sich nicht viel geändert», stellt Eckhard Plinke fest (siehe Interview unter 'Nebenartikel'). In der Tat musste etwa Vestas jüngst eine Gewinnwarnung aussprechen, und viele Quartalszahlen wie jene des deutschen Modulherstellers Centrosolar fielen enttäuschend aus.

Niedrige Grenzkosten

«Eine Energiewende kommt nicht so rasch, wie sich das viele Anleger erhofften», sagt Bernhard Schweizer, Pressesprecher von Gurit. Der Aktienkurs des Herstellers von Rotorblättern für Windräder ist im März um über 20 Prozent in die Höhe geschossen, hat aber das Niveau seither gehalten. Wie die Deutsche Bank in ihrer Studie aufzeigt, dauert allein die Entwicklung eines neuen Projektes in der Regel zwei Jahre. Bis die Anlage ans Netz geht, verstreicht noch einmal so viel Zeit.

Ähnlich tönt es beim Stromkonzern Repower, einst Rätia Energie. In fünf Monaten ist der Börsenwert des Unternehmens um über ein Drittel gestiegen. An der Strategie wurde laut Pressesprecher Werner Steinmann nichts geändert. Mit einem breiten Strommix soll das Wachstum mit steigender Eigenproduktion unterlegt werden. Wasserkraft steht an erster Stelle. Zudem ist der Konzern mit der neuen Stromleitung am Berninapass ans europäische Netz angebunden. Doch der Baubeginn neuer Projekte steht erst bevor. Das Unternehmen hält auch an der ökologisch umstrittenen Beteiligung an einem Kohlekraftwerkprojekt fest.

Für Thomas Germann ist Letzteres Grund genug, diesen Titel zu meiden. Germann führt den im Herbst 2009 gestarteten Elektrizitätsfonds WMP. Der Fondsmanager orientiert sich an der gesamten Wertschöpfungskette der Stromproduktion und kommt zum Schluss: «Viele negative Entwicklungen sind in den Aktienpreisen enthalten.» Zurzeit finde er deshalb unzählige Aktien, die mit einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) und teilweise zum Buchwert fast einmalige Anlagechancen böten. Dem pflichtet auch Robert Hauser bei, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Zürcher Kantonalbank. Viele Anlagen seien so weit abgeschrieben, dass sie zu Grenzkosten lieferten. Damit wird ihr Strom wirtschaftlicher. Die besten Anlagechancen sieht er bei den Anlagenbauern und den Stromerzeugern. «Sie profitieren zuerst von tieferen Beschaffungskosten.»

Bei den Stromproduzenten ist es etwa die Deutsche Energiedienst. Die Tochter der Energie Baden-Württemberg (EnBW)hat zwar seit Jahresbeginn eine Performance von rund 20 Prozent verzeichnet. Mit der Fokussierung auf Wasserkraft, dem erneuerten Kraftwerkpark und dem eigenen Absatzgebiet weist das Unternehmen jedoch ein stabiles Potenzial auf.

Bei den Anlagebauern bleibt die Schweizer Meyer Burger auch nach dem kräftigen Kursanstieg interessant. Durch die Übernahme der deutschen Roth  & Rau führt für die Hersteller von Solarmodulen fast kein Weg mehr an den Schweizern vorbei. Punkto Windenergie ist PNE Wind gut aufgestellt.

Um Sonneneinstrahlung und Wind überhaupt erst in Strom zu verwandeln, sind jedoch Wechselrichter nötig. Diese werden etwa von SMA Solar profitabel produziert, die mit einem KGV von nur 10 bewertet ist.

Stromnetze

Mit einem KGV im einstelligen Bereich hält Germann Solarmodulhersteller wie Trina und Yingli aus China für attraktiv. Neben dem Export bietet sich diesen Unternehmen auch auf dem Heimmarkt ein riesiges Absatzpotenzial.

In Europa sind laut Sarasin für 100 Gigawatt Windkraftanlagen auf dem Meer geplant, hundertmal mehr, als heute in Betrieb sind. Allerdings sind dazu nicht einmal die Schiffe vorhanden, die zum Bau der Anlagen benötigt werden. In Deutschland ist der ehemals marode Hochtief-Konzern in diesem Bereich tätig. Das ist für Anleger problematisch, denn bei solchen Konglomeraten lässt sich nicht abgrenzen, wie stark sich das Wachstum im Bereich der alternativen Energien auf das Gesamtunternehmen auswirkt. Das gilt auch für Siemens, wo zwar die Unternehmensstrategie auf Energieeffizienz ausgerichtet ist, die Anleger aber in einen Gemischtwarenladen investieren, zu dem auch Medizinaltechnik gehört.

Einer der Schlüsselfaktoren beim Ausbau der Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen sind die Stromnetze. Damit der Strom aus Wind- oder Solarfarmen transportiert werden kann, sind in Europa Hunderte von Kilometern neuer Leitungen zu erstellen. Gut dabei sind die beiden französischen Konzerne Nexans und Schneider Electric.

Wie die Infrastruktur bietet auch die Energieeffizienz die Chance, den politischen Launen auszuweichen und vom Wachstumspotenzial nachhaltiger Energienutzung zu profitieren. Allein mit Glühbirnen auf LED-Basis könnte in den USA jedes zweite Kernkraftwerk abgeschaltet werden. In Deutschland können sich Anleger an Aixtron beteiligen, die solche Glühbirnen produziert. Eine andere Anlagemöglichkeit bietet der ebenfalls attraktiv bewertete Schweizer Klimatechniker Walter Meier AG.