Derzeit sitzt vielen Anlegern die Angst in den Knochen. Sie sind schon froh, wenn sie im unberechenbaren Umfeld von volatilen Aktienmärkten, Währungsspekulationen, unternehmerischen Hiobsbotschaften und stotterndem Konjunkturmotor keine Verluste erleiden. In dieser Konstellation rücken alternative Anlagen in den Fokus. Doch Investitionen in vermeintlich von den Aktienmärkten abgekoppelte Werte sind kein Kinderspiel. Denn auch Güter hängen oft von den Börsen und den Konjunkturerwartungen ab. Und: Alternative Investments erfordern viel Fachwissen oder sind für Privatanleger zum Teil nur schwer zugänglich. Auf der Suche nach echten Perlen sind Vorsicht und Geduld geboten.
Luxusrohstoffe. Immer wenn die Börsen purzeln, gewinnen Luxusrohstoffe an Zulauf. Gold ist in Krisenzeiten der Liebling der Anleger. Laut Goldman Sachs dürfte der Preis in den nächsten sechs Monaten auf 1300 Dollar pro Unze klettern und das im Juni erreichte bisherige Allzeithoch von 1265 Dollar toppen. Aber aufgepasst: Kurzfristig kann es selbst beim Gold zu Kursverläufen kommen, die sich parallel zu den Aktienbörsen bewegen – dann nämlich, wenn der Liquiditätsbedarf institutionelle Investoren zu Goldverkäufen zwingt.
Grundsätzlich ist Gold allerdings eine stabile Währung: Der Preis des Edelmetalls korreliert praktisch nicht mit den Aktienmärkten, sondern wird durch die Förderung in den Minen, den Bedarf von Schmuckherstellern und Industrie, Edelmetall-Transaktionen der Zentralbanken sowie die private Nachfrage beeinflusst. Auch ist Gold gut vor Kursstürzen geschützt. Denn abgesehen davon, dass die Notenbankenvorräte stabilisierend auf den Preis wirken, bleibt die Nachfrage nach Gold hauptsächlich in Schwellenländern gross.
Für den Privatanleger gestaltet sich das Investment in Gold einfach. Mittlerweile gibt es in der Schweiz vier Anbieter für Gold-ETF: Zürcher Kantonalbank (zum Beispiel Valoren-Nr. 2 439 100), Julius Bär (4 478 114), Credit Suisse (10 413 623) und UBS (10 602 712).
Problematischer ist die Investition in andere Edelmetalle, allen voran in Platin, Palladium und Silber. Zwar existieren auch für diese Rohstoffe ETF, die eine leichte Handelbarkeit garantieren (zum Beispiel Julius Bär Silber-ETF, Valoren-Nr. 10 640 586; Platin, 10 640 623; Palladium, 10 640 721). Da die Märkte vergleichsweise klein sind, können die Preisschwankungen hier aber extremer ausfallen. «Für solche Edemetalle ist spezielles Fachwissen über die den Preis beeinflussenden Faktoren unbedingt nötig», weiss Anlageexperte Markus Lackner vom VZ VermögensZentrum.
Das gilt auch für Diamanten. Sie haben zwar laut Edelsteinspezialisten im Vergleich zu Gold Nachholbedarf. «Allerdings ist der Handel mit Diamanten im Gegensatz zu demjenigen mit Gold intransparent», warnt der Schweizer Diamantenhändler Walter Muff. Ein Wiederverkauf sei nicht immer einfach. Besondere Vorsicht ist gemäss dem Experten bei günstigen Angeboten von Internethändlern angebracht, denn Mängel sind für Laien nur schwer erkennbar.
Muff empfiehlt für Investments nur grössere Steine bester Qualität von einem, zwei, drei oder gar fünf Karat. Und das Investment sollte sich möglichst auf mehrere Steine verteilen. Ein erstklassiges Zertifikat des Gemological Institute of America (GIA) oder des Schweizerischen Gemmologischen Instituts (SSEF) in Basel sei Voraussetzung. Als Alternative zu den Steinen nennt Muff auch die Investition in Minenaktien. Diamanten weisen keine direkte Wechselwirkung mit den Finanzmärkten auf: Während der jüngsten Krise verloren sie weniger als die Aktienmärkte, der massgebende Rapaport Index für Diamanten steht heute allerdings erst wieder auf dem (hohen) Niveau vom Sommer 2008.
Kunst und Wein. «Erwerben und geniessen», rät Dirk Boll, Managing Director des Auktionshauses Christie’s Schweiz, bei Kunstinvestments. «Denn die Liebe zur Kunst ist ein starker emotionaler Einfluss und kann daher rationale Entscheidungen stören.» Will heissen: Was einem selbst gefällt, muss Experten und Markt nicht zwingend entzücken.
Immerhin geht es mit den Renditen langsam wieder aufwärts. So erzielten in diesem Frühjahr, zwei Jahre nach dem tiefen Einbruch infolge der Finanzkrise, gleich zwei Kunstwerke wieder Rekordpreise von über 100 Millionen Dollar, nämlich Alberto Giacomettis Skulptur «L’Homme qui marche I» und Pablo Picassos «Nu au plateau de sculpteur». Dirk Boll ist überzeugt: «Kunst ist in der letzten Dekade Teil des Lebens vieler Menschen geworden. Das wird sich nicht mehr umkehren lassen.»
Wer sich nicht mit einzelnen Künstlern befassen will, der kann sich in Kunstfonds engagieren. Derartige Investmentvehikel gibt es seit den sechziger Jahren. Das bekannteste unter ihnen ist der Fine Art Fund von Philip Hoffman. Die Mindesteinlage liegt allerdings bei 250 000 Dollar, womit der Eintritt vielen Privatanlegern verwehrt bleibt. Bei den weniger renommierten Fonds kann man sich schon mit 20 000 Dollar einkaufen. Die Transparenz der diskreten Anlagevehikel punkto Performance und Fondsvermögen lässt indes oft zu wünschen übrig.
Durchschaubarer ist das Investment in einzelne mit Kunst verbundene Aktien, etwa jene des Auktionshauses Sotheby’s. Die beispiellose Erholung der Aktie nach der Finanzkrise zeigt freilich, wie eng der Kunstmarkt mit den Wertpapierbörsen verflochten ist. «Der Kunstmarkt als unabhängiger Nischenmarkt ist weitgehend Geschichte. Gute Börsendaten sind wichtig für die Spendierfreudigkeit der Käufer», gibt Boll zu bedenken. Wenn das System wie 2008 erschüttert sei, bemerke das auch der Kunstmarkt.
Das Rütteln an den Grundfesten des Kapitalismus liess 2008 auch den Wein überschwappen: Spitzenweine verloren bis zu 50 Prozent an Wert, und der Weinindex Liv-ex 100, der Fiebermesser für Weinanleger, brach um 30 Prozent ein. Inzwischen haben sich die Weinpreise wieder deutlich stärker erholt als der SMI. Vereinzelt waren Wertzuwächse von 200 Prozent in weniger als einem Jahr zu registrieren.
Joe Frei von der Steinfels Weinauktionen und Weinhandels AG in Zürich empfiehlt interessierten Anlegern, in Blue-Chip-Werte wie die Premiers Crus von Lafite-Rothschild, Latour, Margaux, Mouton-Rothschild und Haut-Brion mit gefragten Jahrgängen zu investieren. Von mittelklassigen Weinen rät er als Anlageobjekt ab: «Sie haben nicht das gleiche Preissteigerungspotenzial.» Überhaupt warnt Frei, dass die Weinpreise nicht zwingend weiter in den Himmel wachsen. «Es ist offen, wie sich die Nachfrage in Asien entwickelt. Der gegenwärtige Boom ist von dort getrieben.»
Investments in Weinfonds bergen seines Erachtens besondere Risiken. «In der Schweiz existieren keine solchen Produkte. Und bei Papieren im Ausland müssten Anleger zuerst kontrollieren, ob die Weine physisch hinterlegt sind. Das ist kompliziert.» Bei Fonds drohten ohnehin Totalverluste – «bei eigenen Weinanlagen hat man selbst bei Wertverlust noch den Genuss beim Trinken», so Frei.
Wertpapiere ohne Aktienbezug. Abgesehen von physischen Werten gibt es auch Papieranlagen, die weitgehend von den Aktienmärkten abgekoppelt sind – zum Beispiel Lebensversicherungen. Hier ist nicht die persönliche Lebensversicherungspolice gemeint, sondern der Handel damit. Policeninhaber verkaufen dabei ihre Versicherung, weil sie das gebundene Kapital anderweitig benötigen oder der vorgesehene Nutzniesser verstorben ist. Statt die Police mit Verlust aufzulösen, werden diese sogenannten Life Settlements über einen Makler in der Regel an institutionelle Anleger weitergegeben. Diese bezahlen die Prämien weiter und erhalten bei Tod des ursprünglich Versicherten das entsprechende Kapital. «Öffentlich von der Finma zugelassene Life-Produkte gibt es allerdings nicht. Somit haben Privatanleger eigentlich keine Produktauswahl», schränkt Jean-Paul Messerli von Fundabilis ein.
Besser sehe es für Privatanleger im Nichtlebenbereich aus. «Hier beträgt das Gesamtvolumen öffentlich zugelassener Fonds rund eine Milliarde», so Messerli. Es sind von Versicherern und Rückversicherern verbriefte Risiken gegen Katastrophen wie Erdbeben, Hurrikane, Flugzeugabstürze, Pandemien usw. Die Käufer dieser sogenannten Cat Bonds erhalten hohe Zinsen. Doch beim Eintritt der entsprechenden Katastrophe riskieren sie einen Totalverlust. Zwei Drittel des Schweizer Cat-Bond-Markts werden laut Messerli von Clariden Leu bewirtschaftet. Ein weiterer Anbieter ist die Falcon Bank, bei der die Minimalzeichnung für Privatanleger bei 100 Franken liegt. Bei Clariden Leu beträgt die untere Limite 140 Franken. Messerli warnt: «Verglichen mit der Informationsfülle bei Aktienanlagen, ist es für Privatpersonen schwierig, anbieterunabhängige Informationen über Cat Bonds zu bekommen.» Zudem handle es sich um einen Nischenbereich, in dem sich in erster Linie institutionelle Anleger tummelten und der nicht unbeschränkt wachsen könne.
Weniger spektakulär sind Mikrofinanzfonds. Mikrokredite gehen an Kleinstunternehmer in der Dritten Welt und sichern diesen die Existenz. Für Anleger in den Industrieländern springt dabei eine finanzielle und eine soziale Rendite heraus. Die Social Investments verzeichnen anlegerseitig eine zum Teil nicht mehr zu befriedigende Nachfrage.
So nimmt das Social-Investments-Unternehmen ResponsAbility momentan für zwei seiner Fonds keine Neugelder mehr an. «Konstante Nettozuflüsse seitens unserer Investoren bei gleichzeitig rückläufiger Kreditnachfrage in Entwicklungs- und Schwellenländern haben zu hoher Liquidität in unseren Mikrofinanzfonds geführt», begründet Geschäftsführer Klaus Tischhauser. Unter normalen Umständen können Anleger mit einer Mindestinvestition von 1000 Franken bei den ResponsAbility-Fonds einsteigen, Gutes für die Welt tun und sich von den Aktienmärkten erholen: Der Global Microfinance Fund wies selbst im Krisenjahr 2008 eine Rendite von 6,44 Prozent aus.
Immobilien und Schiffbau. Anleger auf der Flucht vor den Börsen können auch in Immobilien, den Schiffbau oder andere Sachwerte wie Flugzeuge oder Lokomotiven investieren. In Deutschland haben sich Schiffsfonds als beliebtes Anlagevehikel etabliert, in der Schweiz bietet die Swiss Invest Group einen Vollservice an. Deren offener Transportschifffahrt-Fonds ist mit einer Einlage von 5000 Franken zugänglich. Eine Direktbeteiligung an Sachwerten ist ab 10 000 Euro möglich. Laut Managing Director Kurt Schori sind Schiffs- und auch andere Sachwertfonds aber nichts für Ungeduldige: Der Anlagehorizont sollte sich mindestens über fünf Jahre erstrecken.
Risikofrei sind die Instrumente ebenfalls nicht, denn der Schiffbau kennt seine eigenen Zyklen. Das zeigt die jüngste Entwicklung des Baltic Dry Index. Er misst die Frachtkosten für das Verschiffen von Gütern und hat sich von den Rohstoffpreisen und Aktienmärkten scheinbar völlig abgekoppelt. Entscheidende Faktoren sind hier die Erneuerungszyklen der grossen Frachtschiffgesellschaften. Diese haben in der Hochkonjunktur 2006 und 2007 letztmals einen Höhepunkt erreicht.
Immobilien werden zwar als sichere und börsenentkoppelte Werte gehandelt. Trotzdem sind sie nicht ohne Risiken. So müssen heute Immobilienbesitzer ihre vor Jahrzehnten erworbenen Reihenhäuser teilweise unter dem damaligen Einstandspreis verkaufen. Und Wohnungsbesitzer staunen nicht schlecht, wenn sie bei einem Mieterwechsel mit allzu hohen Renovationskosten konfrontiert werden.
Wer nicht genauestens über Lage, Ausstattung und Finanzierung von Immobilien als Anlage informiert ist, droht zu scheitern.