Frauen haben von Finanzen keine Ahnung.» Dieses Statement lässt sich nicht einfach als Macho-Spruch abtun. Die Commerzbank veröffentlichte im Sommer vergangenen Jahres eine Studie zum Finanzwissen der Deutschen. Das ernüchternde Ergebnis: Frauen schnitten erheblich schlechter ab als Männer, vor allem beim Thema Geldanlage. Man muss davon ausgehen, dass in der Schweiz ein ähnliches Ergebnis ermittelt worden wäre. Denn eines haben Frauen hier zu Lande mit denen aus dem Nachbarland gemein: Sie wünschen sich öfter zusätzliche Informationen, wohingegen Männer sich häufiger ausreichend informiert fühlen, wenn es um Finanzangelegenheiten geht.
Der Grund für die Wissensdefizite von Frauen in Finanzfragen wird oft mit mangelndem Interesse begründet. Sicher liegt es auch daran, dass Frauen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz noch immer über sehr viel weniger Geld verfügen als Männer. Viele Frauen kommen erst durch eine Scheidung oder einen Todesfall zu einem grösseren Vermögen. Oft wissen sie dann nicht, wie sie dieses Geld anlegen sollen. Zahlreiche Banken bieten daher für Frauen spezielle Dienstleistungen an. Von Seminaren über Newsletters bis hin zur individuellen Anlageberatung von Frau zu Frau ist alles im Angebot.
«Der Umgang der Frauen mit Finanzen hat sich im Laufe der Zeit enorm gewandelt. Früher haben sie finanzielle Angelegenheiten oft in die Hände ihrer Partner gegeben. Heute wollen sie die Verantwortung für ihr Vermögen selbst übernehmen», sagt Jeannette Ganz, bei der UBS für die Veranstaltungsreihe «Pour Elle» verantwortlich. Neben verschiedenen Workshops zum Thema Finanzplanung stehen unter anderem auch Unternehmensbesichtigungen auf dem Programm. Alles exklusiv für Frauen.
Und die Nachfrage nach den «Pour Elle»-Veranstaltungen nimmt zu. Fast alle Termine sind in kürzester Zeit ausgebucht. Am meisten Anklang finden Events zu Vorsorge-, Nachfolgeregelungs- und allgemeinen Finanzthemen. «Natürlich gibt es solche Veranstaltung auch für alle – Frauen und Männer. Aber bei diesen Anlässen trauen sich die Frauen dann oft nicht, Fragen zu stellen. Daher haben sie mehr davon, wenn sie bei solchen Workshops unter sich sind», so Ganz.
Dieses Phänomen kennt man bereits aus Studien über getrenntgeschlechtliche und gemischte Schulen. Doch nicht nur die Angst der Frauen, sich in einem Kreis von Männern mit einer vermeintlich dummen Frage zu blamieren, rechtfertigt solche Veranstaltungen. Auch die Unterschiede im Investitionsverhalten verlangen ein individuelles Angebot. Frauen sind bei Anlageentscheidungen nicht nur rationaler und risikobewusster, sie informieren sich auch intensiver. «Frauen wollen, bevor sie sich für eine Anlage entscheiden, in der Regel mehr wissen als Männer. Wenn sie von einer Frau beraten werden, fühlen sie sich besser verstanden und stellen mehr Fragen», erklärt Natalie Waltmann, Leiterin des Projekts «Lady Consult» der Basler Kantonalbank (BKB). Im Mittelpunkt dieses Programms steht die Betreuung von Frauen durch die Mitarbeiterinnen des «Lady Consult»-Teams in allen Fragen rund ums Geld. «Wir beraten unsere Kundinnen zu allen Themen vom Sparbuch bis zur Hypothek. Und bei einem jährlichen Anlass werden aktuelle Finanzthemen präsentiert», sagt Waltmann. Die Idee für das BKB-Programm entstand bereits von sechs Jahren. Seither nimmt die Nachfrage stetig zu. Dem Team gehören inzwischen 50 Frauen an.
Eine Studie der Stuttgarter Unternehmensberatung 4P Consult belegt, dass Frauen tatsächlich individuell beraten werden wollen. Fast die Hälfte der Befragten gab an, Beratungsangebote speziell für Frauen wichtig zu finden. Darauf setzt auch die Bank Coop. Das Programm «Eva» umfasst eine Beratung von Frau zu Frau, eine telefonische Beratungshotline, einen regelmässig erscheinenden Newsletter und einen Internetauftritt. Projektleiterin Sandra Riner erklärt, warum «Eva» bei den Kundinnen so gut ankommt: «In Beratungsgesprächen mit Männern fühlen sich Frauen oft nicht richtig verstanden. Und die Sprache empfinden sie häufig als zu fachtechnisch, da haben Frauen Hemmungen nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen.»
Damit sich Frauen in der Finanzwelt nicht mehr so unsicher fühlen müssen, bietet die Bank Vontobel die Seminarreihe «Women & Finance» an. Die Kurse kosten rund 1000 Franken und umfassen rund zehn Lektionen. Die Teilnehmerzahlen sind begrenzt, um den Lerneffekt zu gewährleisten. «Diese Kurse unterscheiden sich gar nicht von solchen, die man für Männer anbieten würde», sagt Elisabeth Meyerhans, Leiterin Corporate Communications bei Vontobel. «Doch wenn Frauen unter sich sind, lernen sie mehr.» Die Seminare sind nicht nur den Vontobel-Kundinnen vorbehalten. «Wir machen auch Werbung für die Veranstaltungen und kündigen neue Seminare im Internet an», sagt Meyerhans und räumt ein, dass die Bank bei dieser Gelegenheit auch neue Kundinnen gewinnen wolle.
So wird denn immer wieder der Vorwurf laut, solche Angebote dienten hauptsächlich der Akquisition neuer Kundinnen und seien daher in erster Linie Marketingmassnahmen. Auch Simon Roth, Sprecher der Bank Pictet, ist eher skeptisch: «Wir haben viele Frauen als Kundinnen, die den gleichen Anspruch an Service und Performance haben wie Männer. Und wenn wir ein sehr gutes Produkt für Frauen hätten, dann hätten Männer natürlich auch Anspruch darauf.» Wenn eine Kundin es wünsche, habe sie aber selbstverständlich die Möglichkeit, von einer Frau betreut zu werden.
Dies gilt im Prinzip für alle Banken – auch für solche, die keine speziellen Angebote für Frauen vermarkten. Etwa die Bank Julius Bär. Ein Teil des Veranstaltungskalenders der Bank richtet sich zwar speziell an Frauen, doch bei diesen «Madame Bär»-Events, die vier- bis sechsmal im Jahr stattfinden, stehen eher kulturelle Themen im Vordergrund. Aber auch ein Vortrag zur Finanzplanung steht auf der Agenda. Hierzu werden Kundinnen offiziell von ihrem Anlageberater eingeladen, und die Teilnehmerzahl liegt nie über 30 Personen.
Dass solche Weiterbildungsveranstaltungen ebenso für Männer einen Mehrwert bieten könnten, hat das starke Geschlecht inzwischen erkannt. «Es gab schon Anfragen von Männern, die sich für unsere Kurse interessierten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Kurse für Männer auf genügend Resonanz stossen würden, denn ihr Bedürfnis nach Weiterbildung ist weniger ausgeprägt als bei Frauen», so Meyerhans von Vontobel.