Wie könnte sich die Wahl von Präsident Trump auf die Märkte und die Anlegerstimmung auswirken?
Märkte hassen Unbekanntes. Seit die Ergebnisse bekannt sind, könnte sich die relativ hohe Marktvolatilität etwas abschwächen. Dennoch gehen wir davon aus, dass die Märkte weiterhin von politischen Trends beeinflusst werden. Die militärischen Konflikte auf der ganzen Welt könnten die Nerven der Anlegerinnen und Anleger dauerhaft strapazieren. Und das Potenzial für Änderungen in der Steuerpolitik, anhaltende Debatten über die Finanzpolitik und die Schuldenobergrenze sowie zusätzliche, bisher ungeklärte Angelegenheiten könnten die Unsicherheit weiter befeuern.
Welche Anlageklassen sind besonders zu beachten?
Marktbewertungen und Fundamentaldaten der Unternehmen sind wichtiger als die Politik. Dennoch gehen wir davon aus, dass der Wechsel zu einer republikanischen Regierung wahrscheinlich zu einer Verschiebung des regulatorischen Umfelds für den Finanz-, Energie- und Gesundheitssektor führen wird. Es überrascht nicht, dass Bankaktien bei der Rally nach dem Wahlausgang an der Spitze stehen. Möglicherweise wird auch verstärkt in die traditionelle Öl- und Gasexploration investiert, was diesen Marktbereichen zugutekommen würde.
Saira Malik
Sie ist Chief Investment Officer (CIO) und Head of Equities and Fixed Income des amerikanischen Vermögensverwalters Nuveen. Das Unternehmen verwaltet über 1 Billion Dollar Vermögen in verschiedenen Anlageklassen, darunter Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Multiassetstrategien.
Viele Anlegerinnen und Anleger besitzen hohe Bargeldbestände. Ist jetzt die Zeit, diese zu investieren?
Wir sind schon seit einiger Zeit davon überzeugt, dass Anlegerinnen und Anleger, die aufgrund der gestiegenen Unsicherheit hohe Bargeldbestände horten, umschichten sollten – insbesondere in festverzinsliche Wertpapiere. Viele haben ihr Kapital in Bargeld geparkt und auf einen Auslöser gewartet – sei es der Start von Zinssenkungen durch die Fed, mehr Klarheit über das Wirtschaftswachstum oder die Finanzpolitik. Für sie könnte der Wahlausgang als Wendepunkt dienen. Festverzinsliche Wertpapiere bleiben attraktiv, da sie nach wie vor hohe Renditen und stabile Erträge bieten.
An welche Festverzinslichen denken Sie konkret?
Besonders überzeugt sind wir von Hochzinsanleihen, vorrangigen Darlehen und verbrieften Vermögenswerten. Auch Privatkredite stehen im Fokus. Hier bleibt die Nachfrage stark, das Volumen wächst weiter. Kommunalanleihen punkten ebenfalls mit soliden Fundamentaldaten, gesunden kommunalen Haushalten, einer günstigen Angebots-/Nachfragedynamik und attraktiven Bewertungen.
Wie wird sich das Haushaltsdefizit entwickeln?
Unter einer Einheitsregierung – unabhängig von der Partei – neigen Defizite dazu, sich stärker auszuweiten als unter einer geteilten Regierung. Es wird einfacher, umfassende Steuersenkungen und neue Ausgaben zu verabschieden – wie der Tax Cuts and Jobs Act (TCJA) unter der republikanischen Einheitsregierung oder der Inflation Reduction Act (IRA) unter der demokratischen Einheitsregierung zeigen. Die budgetären und inflationären Auswirkungen von Steuersenkungen, Zöllen und anderen politischen Prioritäten werden die Bewältigung der fiskalischen Herausforderungen für die Nation noch schwieriger machen. Dabei stellen die erwarteten wachsenden Defizite und die Rückkehr der Schuldenobergrenze im Jahr 2025 grosse Herausforderungen dar. Dafür müssen die Republikaner eine Lösung finden.
Bei anhaltender Volatilität: Welche Absicherungsstrategien würden Sie Anlegern empfehlen?
In unsicheren Märkten haben Anleger Schwierigkeiten, ihre Renditen zu steigern und Risiken zu reduzieren. Jedoch können Privatmarktanlagen genau das erreichen. Also solche Vermögenswerte, die nicht an öffentlichen Börsen gehandelt werden, zum Beispiel Private Debt, Private Equity, Real Estate oder Real Assets. Ihre Vorteile liegen in ihrer Stabilität: Inflationsgebundene Private Assets wie Immobilien und Agrarland waren eine der wenigen Zufluchtsorte während der Marktumwälzungen der vergangenen Jahre.
Was erwarten Sie in der Steuerpolitik?
Mit dem Auslaufen zentraler Steuerregelungen des Tax Cuts and Jobs Acts von 2017 wird ein umfangreiches Steuerpaket erwartet. Unter der republikanischen Mehrheit sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus – dem sogenannten Red Sweep – dürfte Präsident Trump auf die Verlängerung niedriger Grenzsteuersätze für Personen mit hohem Einkommen sowie mögliche Steuersenkungen für Unternehmen drängen. So könnten die Körperschaftssteuersätze von derzeit 21 Prozent gesenkt und Stiftungen privater Universitäten besteuert werden. Gleichzeitig könnten Steuergutschriften für saubere Energie gekürzt und die Kontrollen der US-Steuerbehörden IRS reduziert werden. Unabhängig von möglichen Änderungen der Steuersätze bleibt die investitionsbezogene Steuerplanung ein wichtiger Faktor. Daher rechnen wir damit, dass Strategien einerseits zur Nutzung von Steuerverlusten und anderseits in Investitionsbereichen wie Kommunalanleihen und Immobilien entwickelt werden.
Welche Rolle könnten mögliche Änderungen in Handelsabkommen für internationale Investoren spielen?
Der Joker in der Steuerpolitik sind Zölle. Schon als Kandidat hat Trump dazu grosse Zustimmung geäussert. Als Präsident wird Trump über beträchtliche Möglichkeiten verfügen, Zölle einseitig durch Exekutivmassnahmen zu verhängen. Es wäre nicht überraschend, wenn seine Regierung dies zu einer frühen Priorität machen würde. Die Einzelheiten sind noch unklar. Jedoch rechnen wir mit Zöllen auf chinesische Waren und einem grösseren Schritt in Richtung einer protektionistischeren Zollpolitik. Sollte dies eintreten, würde die inländische Produktion steigen. Wir würden wahrscheinlich einige Vorteile für Small-Cap-Aktien in den USA sehen. Allerdings würde die daraus resultierende höhere Inflation die Anleiherenditen unter einen Aufwärtsdruck setzen. Das Tempo der Zinssenkungen durch die US-Notenbank könnte sich verlangsamen.
Welche langfristigen Trends sehen Sie, die Anlegerinnen und Anleger nach dieser Wahl im Auge behalten sollten?
Trotz einer Präsidentschaft von Trump und einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus sowie im Senat gibt es einige längerfristige Investitionstrends. Dazu zählt der Inflation Reduction Act (IRA) oder die Energiewende. Donald Trump und die Republikaner haben den IRA kritisiert. Aber selbst mit Trumps Sieg erwarten wir kein vollständiges Ende der IRA-Bestimmungen. Denn die derzeitigen Vorteile kommen nicht nur den roten, sondern auch den blauen Staaten zugute. Es gibt eine breite Unterstützung sowohl von Firmen als auch von Verbrauchern und Verbraucherinnen für die Dekarbonisierung. Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner im Allgemeinen mit dem IRA zufrieden sind. Denn die Gelder für die Infrastruktur werden breit gestreut, während einzelne Kongressmitglieder schnell mit den spezifischen Investitionen werben, die ihrer eigenen Wählerschaft zugutekommen. Es ist jedoch möglich, dass wir einige Änderungen in Randbereichen sehen werden, wie etwa angepasste oder reduzierte Gutschriften für Elektrofahrzeuge. Eingeschränkte oder gestrichene Klimaförderungen, getrieben von der Trump-Administration, könnten zudem Gegenwind für die grüne Energiebranche bedeuten. Zugleich würden wir sicherlich neuen Rückenwind für Investitionen sehen, die sich auf traditionellere Energieformen und Branchen wie Fracking konzentrieren.
Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der «Handelszeitung», erschienen (Dezember 2024).