Wetzikon war bisher auf der Landkarte des Genusses nicht verzeichnet. Ein weisser Fleck, Ausgangspunkt allenfalls für abwechslungsreiche Radtouren. Nun hat sich das nachhaltig geändert. 19 Fahrminuten (S5) vom Zürcher Hauptbahnhof und zwei Gehminuten vom lokalen Bahnhof entfernt, hat eines der originellsten Restaurants des Kantons seine Tore geöffnet. Es nennt sich «Il Casale» (italienisch für «Gehöft»). Untergebracht ist es im Parterre eines unter Denkmalschutz stehenden Backsteingebäudes, das einst landwirtschaftlichen Zwecken diente. Es enthält ein Bistro, einen Gourmetteil und eine Zigarrenlounge.

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Klassisch-modern und mit viel Gespür für dezent eingesetzte edle Materialien wurde umgebaut und eingerichtet. Schnörkellos und präzis ist die Architektursprache, und eine ähnlich klare Handschrift prägt die Gerichte, die auf zeitlos schönen Tellern aufgetischt werden. Angerichtet hat sie Maestro Antonio Colaianni zusammen mit seiner vierköpfigen Kochtruppe. Der Süditaliener gleicht einer Figur aus einer Oper. Doch wenn er den Mund öffnet, erklingt keine Arie, sondern sanftes Parlando in breitem Berndeutsch.

Colaianni ist in Bern als Kind von Einwanderern aus Lecce aufgewachsen. Das kulinarische Urvertrauen schenkte ihm die Mamma. Eine Schnupperlehre als Koch entfachte das Feuer. Dort spürte Antonio zum ersten Mal, was ihn heute am Beruf begeistert: die Chance, kreativ zu sein und den Ehrgeiz sinnvoll ausleben zu können. Der Rat einer älteren Frau – «werde Koch, so hast du immer genug zu essen und die Möglichkeit, die ganze Welt zu bereisen» – überzeugte ihn vollends von seiner Berufswahl.

Er lernte im «Le Gavroche» in London in einer Riesenbrigade, richtig zu arbeiten, und bei Roberto Galizzi im «Al Portone» in Lugano, so zu kochen, dass die Gerichte auch Geschmack aufweisen. Im Schloss-Restaurant Rapperswil erarbeitete er sich dann innerhalb von drei Jahren 17 «Gault Millau»-Punkte und einen Stern im «Guide Michelin» – eine Blitzkarriere, wie sie nur aussergewöhnlichen Talenten gelingt.

Seit März 2003 wirkt Antonio Colaianni nun als sein eigener Chef. Die Rapperswiler Stammkundschaft ist ihm ins Zürcher Oberland gefolgt und erlebt da einen Koch, der noch selbst- und stilsicherer geworden ist. Wir setzen uns ins elegante Restaurant (im Bistro daneben liesse sich auch Antonios einfachere und preiswertere Küche geniessen).

Als Amuse-Bouche serviert die motivierte Crew ein Kalbstatar auf einer kleinen, kreisrunden Focaccia mit Wachtelei. Dann folgt die karamelisierte Brust vom Ormalinger Jungschwein auf weissem, getrüffeltem Bohnenpüree – ein überraschender, aufwändiger, sehr gelungener Gang. Ein gebratenes Stück Wolfsbarsch mit Artischocken, Tomaten, Oliven und einer Zitronen-Safran-Olivenöl-Emulsion entzückt durch seine mediterrane Frische und Geschmackstiefe. Fabelhaft dann das Bärlauchsüppchen, darin eingelegt eine Morchel-Pannacotta, in einem Schälchen daneben frittierte Kalbsmilken und Morcheln. Die Pasta ist ein grosser Raviolo mit raffinierter Salsicciafüllung und einer kräftigen, klaren Oxtailsauce. Der Hauptgang ein colaiannischer Klassiker: geschmorte Kalbsbacke und gebratenes Kalbsfilet auf Lauchgemüse, Selleriekartoffelpüree und ein dichter, unaufdringlicher Portweinjus. Je nach Marktangebot und Saison variiert die «Sättigungsbeilage». Beschlossen wird das meisterlich komponierte, vom Spiel der verschiedenen Konsistenzen belebte Menü durch ein erfrischendes, kaltes Passionsfruchtsoufflé mit Mango-Lychee-Salat.

Il Casale
Antonio Colaianni,
Leutholdstrasse 5,
8620 Wetzikon,
Tel. 043 477 57 37,
Fax 043 477 57 38,

Menü 115 bis 145 Franken,

17 «Gault Millau»-Punkte, 1 «Guide Michelin»-Stern (die Bewertung bezieht sich noch auf Colaiannis frühere Wirkstätte im Schloss Rapperswil), sonntags und montags geschlossen.