BILANZ: Herr Burgmans, Manager sind fürs Thema Sustainability meist schnell zu begeistern. Was bedeutet das, was man gemeinhin mit «Nachhaltigkeit» umschreibt, für einen globalen Konzern wie Unilever?
Antony Burgmans: Unilever existiert seit 75 Jahren. Und damit es uns in 75 Jahren noch gibt, müssen wir dem Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten Rechnung tragen. Zunächst bedeutet Sustainability nichts weiter als dies.
Konkret: Was heisst das?
Burgmans: Will ein Konzern erfolgreich und profitabel arbeiten, muss er sich bewusst sein, dass all seine Aktivitäten Auswirkungen haben auf die Gesellschaft und das Umfeld, in dem er tätig ist. Ein Unternehmen hat ein vitales Interesse daran, seine Beziehungen nach aussen harmonisch zu gestalten. Das ist möglich, indem sich eine Firma darum bemüht, über die Zeit nachhaltig zu geschäften und sich dadurch Akzeptanz in der Gesellschaft zu erarbeiten.
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Herr Martin, was bedeutet Sustainability für eine NGO wie den WWF?
Claude Martin: Die Integration der sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekte ins unternehmerische Handeln, so lautet zumindest die gängige Definition. Als Umweltschutzorganisation richten wir unser Augenmerk naturgemäss vor allem auf die Ökologie – ein Thema, das von den Unternehmen lange Zeit stiefmütterlich behandelt wurde. Tatsache ist aber, dass die natürlichen Ressourcen begrenzt sind. Wir sind konfrontiert mit einer fortschreitenden Umweltzerstörung und einer schleichenden Reduktion der Artenvielfalt. Wir können es uns somit nicht mehr leisten, einseitig auf Wachstum zu setzen, ohne gleichzeitig der Nachhaltigkeit Genüge zu tun.
Heute sitzen der Manager und der Umweltschützer an einem Tisch. Noch vor wenigen Jahren wäre dies undenkbar gewesen.
Martin: Im Falle von Unilever dauert der Dialog mit dem WWF bereits rund acht Jahre. Der entscheidende Durchbruch fand in den frühen Neunzigerjahren statt, als NGOs wie der WWF realisierten, dass über regulatorische Vorstösse in Sachen Nachhaltigkeit kein Fortkommen möglich war. Wir mussten einsehen, dass die Regierungen dem Thema nicht die notwenige Priorität einzuräumen gewillt waren.
Also setzten Sie sich direkt mit den Unternehmen zusammen?
Martin: Ganz so einfach war das nicht. Denn die Einsicht, dass Politik und Regierungen unsere Anliegen nicht mit dem notwendigen Druck unterstützten, hat ja auch bei den NGOs zu internen Auseinandersetzungen geführt. Viele dieser Organisationen waren es ja nicht gewohnt und auch nicht gewillt, in Kategorien von Markt und Unternehmen zu denken. Erst als längerfristiges Denken in einigen Unternehmen Einzug hielt, waren die Voraussetzungen für den Dialog gegeben.
Wie geht das zusammen: die auf Langfristigkeit angelegte Optik der Nachhaltigkeit und die kurzfristigen Aspekte der Profitmaximierung, die unserem Wirtschaftssystem inhärent sind?
Burgmans: Wir müssen damit leben, dass wir gewissen kurzfristigen Notwendigkeiten Rechnung tragen müssen. Anderes ist langfristigen Zeitzyklen unterworfen. Die Kunst besteht darin, beide Aspekte richtig zu managen. Ich gehe mit Claude Martin einig, dass Regierungen in der Vergangenheit oft überfordert waren. Ein Beispiel: Die Legislative kann zwar beschliessen, dass innerorts die Geschwindigkeit bei 50 Stundenkilometern zu begrenzen sei – nur hält sich kein Mensch daran. Also muss man mehr tun, als Gesetze zu erlassen, wenn man die Sicherheit auf den Strassen erhöhen will.
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Was ist zu tun?
Burgmans: Wer Lösungen finden will, muss sich mit den gesellschaftlichen Kräften verbünden, die – wenn auch vielleicht aus unterschiedlichen Gründen – ähnliche Ziele verfolgen. NGOs wie der WWF und Unternehmen wie Unilever sind solche konstruktiven Kräfte, die an gemeinsamen Lösungen interessiert sind. Wenn auf diesem Weg Kräfte gebündelt werden, sind die Chancen gross, bei den Regierungen Gehör zu finden.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo dies gelungen ist?
Burgmans: Ich denke zum Beispiel an die Fischerei. Unilever ist mit ihren Marken Iglo und Findus einer der weltweit grössten Verwerter von gefrorenem Fisch. Wir wissen um das Problem der Überfischung der Weltmeere. Und ohne kontinuierliche Fischlieferungen ist dieser Geschäftszweig nicht aufrechtzuerhalten. Der WWF war am Thema aus ökologischen Gründen interessiert, wir auch aus kommerziellen. Seit 1996 haben wir den so genannten Marine Stewardship Council (MSC) aufgebaut, der sich für eine Zertifizierung nachhaltiger Fischereipraktiken einsetzt. Heute ist der MSC von WWF und Unilever unabhängig, und wir verpflichten uns, lediglich Produkte aus nachhaltiger Fischerei zu verarbeiten.
Martin: Wir haben schon 1992 den Forest Stewardship Council (FSC) geschaffen. Das Einzigartige an diesem Zertifizierungssystem für nachhaltig produzierte Waldprodukte ist, dass durch eine Partnerschaft Produzenten, alle Glieder der Wertschöpfungskette und der Konsument freiwillig an einem Strick ziehen. Es substituiert zumindest zum Teil, was in der Vergangenheit ausschliesslich eine staatliche Aufgabe war.
Das Hauptproblem ist immer dasselbe: Wie lässt sich menschliches Verhalten hin zu mehr Nachhaltigkeit verändern?
Martin: Das ist richtig. Appelle verpuffen meist. Deshalb müssen sich NGOs wie der WWF im privaten Sektor engagieren und auf die Marktmechanismen einwirken. Dies soll staatliche Gesetzgebungen nicht ersetzen, sie aber ergänzen. Gerade die USA unterlaufen immer wieder nachhaltige Lösungen und torpedieren damit sinnvolle gesetzliche Rahmenbedingungen.
Ist es realistisch, dass NGOs im Verbund mit multinationalen Unternehmen auf Staaten wie die USA einwirken können?
Burgmans: Jeder hat seine Rolle, die er spielen kann und muss, Unternehmen ebenso wie NGOs und auch staatliche Organisationen. Wir von Unilever sind sehr interessiert an Partnerschaften mit beiden Letztgenannten. Ich bin überzeugt, dass alle Seiten positive Wirkungen entfalten können, um eine Win-win-Situation für alle involvierten Parteien zu erreichen.
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Verfügen Sie bei Unilever über eine ausformulierte Sustainability-Strategie?
Burgmans: Wir haben sorgsam analysiert, wo unsere Firma durch ihre Geschäftsaktivitäten auf die Umwelt einwirkt. In verschiedenen Bereichen, die der Lösung harren, können wir nur einen sehr kleinen Beitrag leisten, beispielsweise beim Treibhauseffekt. In anderen aber schon, etwa in der Landwirtschaft. Zwei Drittel der Rohstoffe, die wir verarbeiten, sind landwirtschaftliche Güter. Oder das Thema Wasser: Wir produzieren Tee und Waschmittel – sauberes Wasser ist ein Megathema für uns. In diesen Bereichen entwickeln wir Know-how, machen dieses über Partnerschaften verfügbar und setzen uns für eine nachhaltig schonende Bewirtschaftung ein.
Sie haben jetzt am «Sustainability Forum», das von Unternehmen wie Swiss Re oder Unique unterstützt wird, den so genannten Sustainability-Award erhalten. Was bedeutet das für Ihre Firma?
Burgmans: Wir freuen uns, dass eine Expertenrunde unsere Anstrengungen bezüglich Nachhaltigkeit anerkennt. Aber wir prahlen nicht damit. Denn es ist uns bewusst, dass unser Beitrag nur ganz klein ist, gemessen an den Herausforderungen, die zu lösen sind, wenn wir auf diesem Planeten überleben wollen.
Solch ein Preis motiviert sicherlich auch die Mitarbeiter in der Firma. Wünschenswert wäre aber mehr: ein Sustainability-Zertifikat für Unternehmen. Wäre das nicht ein Thema für den WWF?
Martin: Sustainability ist schwer messbar – zu viele ökonomische, soziale und ökologische Komponenten spielen hinein, wenn es darum geht, die Wirkung nachhaltiger Massnahmen zu eruieren. Aber es gibt glücklicherweise zahlreiche Unternehmen, die in der richtigen Richtung aktiv sind. Im Bereich Stickstoffemissionen haben wir eine Art Benchmark für Unternehmen, die aktiv sind. Wir nennen sie «climate savers».
Kritiker monieren allerdings, die ganze Diskussion um Sustainability sei eine reine Modeerscheinung, die dem Image dient, weiter nichts. Was sagen Sie dazu?
Burgmans: Es gibt, grob gesagt, zwei Haltungen zum Thema. Die einen sagen, es ist wichtig. Einer davon ist Uno-Generalsekretär Kofi Annan, der mit über tausend Unternehmen den Global Compact geschlossen hat. Andere finden, dass dies nicht in die Kernkompetenz von privatwirtschaftlichen Unternehmen zu fallen habe. Diese Schule besagt, dass Firmen effizient Produkte und Dienstleistungen zu produzieren und Steuern zu bezahlen hätten. Der Rest sei Sache der Regierungen. Ich sehe auch, dass Effizienz absolut notwendig ist – wenn wir uns aber darauf beschränkten, würde wohl der gesellschaftliche Widerstand gegen die Unternehmen und ihr Tun wachsen. Das hülfe weder der Wirtschaft, noch förderte es den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Martin: Ich denke, die Skepsis rührt auch daher, dass ein Informationsdefizit besteht, was Sustainability alles bedeutet und umfasst. Denn in jedem Bereich, in der Ökonomie, in der Ökologie und in sozialen Fragen, sind die Phänomene nachhaltigen Handelns ja anders gelagert und andere Lösungen gefragt. Deshalb muss es unser Bestreben sein, Standards zu definieren für Best Practices in verschiedenen Sektoren. Zum anderen lesen die Menschen all diese Business-Reports über nachhaltiges Handeln und fragen sich, ob das wohl nur Lippenbekenntnisse von Unternehmern und Managern seien. Die Menschen beginnen jedoch zu realisieren, dass dieser Planet nicht zu retten ist, wenn wir nicht alle zusammenstehen.
Als Unternehmer sind Sie zu permanentem Wachstum verdammt. Für viele Menschen ist aber nicht klar, wie Effizienzsteigerung mit dem schonenden Umgang der Ressourcen zusammengehen kann.
Burgmans: Das ist kein Widerspruch. Sie können eine unserer Teeplantagen in Afrika besuchen und werden feststellen, dass dort punkto Sustainability höchste Standards erfüllt werden und die Plantage zu den effizientesten der Welt gehört. Warum? Ein Kriterium für nachhaltiges Handeln ist, die Verschwendung von Ressourcen bei der Produktion möglichst einzudämmen. Weniger Verschwendung führt zu wachsender Nachhaltigkeit. Dies wiederum führt zu geringeren Kosten und damit zu höherer Effizienz.
Die philosophische Frage ist: Braucht der Mensch wirklich alles im Überfluss?
Burgmans: Ich glaube nicht, dass unsere Zukunft darin bestehen kann, uns zurückzunehmen. Aber wenn wir an Wachstum denken, sollten wir nicht primär das quantitative, sondern das qualitative Wachstum im Auge behalten. Sustainability hat mit diesem Bewusstsein zu tun. Zum Beispiel damit, dass wir uns bewusst sind, dass wir, wenn wir in unseren Wagen steigen, Erdölvorräte verbrennen. Der Markt wird das richten. Entweder wird das Benzin so teuer, dass wir zu Fuss werden gehen müssen. Oder es gelingt, technologisch derart effizient zu werden, dass der Benzinverbrauch eines Autos auf einen Bruchteil zurückgeht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir in Zukunft auf die individuelle Mobilität werden verzichten müssen.
Die technologischen Möglichkeiten, den Benzinmotor durch erneuerbare Ressourcen zu ersetzen, wären vorhanden. Nur handelt die Industrie nicht danach.
Martin: Wachstum wird dann zum Killer, wenn es auf einem statischen Technologie- und Anwendungsstandard basiert. Wenn China den gleichen Lebensstandard und Verbrauch aufwiese wie die industrialisierten Staaten, würden die natürlichen Ressourcen und die Nahrungsmittelproduktion kollabieren. So lautet zumindest die gängige These. Die Realität verhält sich weniger linear. So hat China inzwischen hohe Standards bezüglich Effizienz beim Treibstoffverbrauch erlassen – nicht weil die Chinesen plötzlich alles Grüne wären, sondern weil sie realisiert haben, dass die Entwicklungschancen ihres Landes in hohem Masse von dieser Effizienz abhängen. Und in den USA ist der Markt für die viel Benzin schluckenden Geländefahrzeuge um ein Fünftel zurückgegangen, nur weil der Preis für Treibstoff gestiegen ist. Das sind klare Signale des Marktes.
Burgmans: Ähnlich verhält es sich mit dem Bevölkerungswachstum. Dieses entwickelt sich nicht linear nach oben. Hat eine Population einen bestimmten materiellen Wohlstand erreicht, schrumpft sie. Wobei ich damit nicht sagen will, dass die fallenden Bevölkerungszahlen in den europäischen Nationen nur positiv sind.
Sondern?
Burgmans: Bevölkerungswachstum ist per se kritisch. Die Frage ist: Zerstören wir natürliche Ressourcen unwiederbringlich, während wir damit beschäftigt sind, die Erdpopulation zu stabilisieren? Wenn in afrikanischen Staaten Tierarten verschwinden, sind sie für immer verloren. Wenn das letzte Rhinozeros geschossen ist, gibt es keinen Nachschub mehr. Deshalb ist es entscheidend, dass wir das richtige Verhältnis finden zwischen unseren natürlichen Ressourcen und dem Energieverbrauch, der nicht dazu führen darf, irreversible Schäden zu verursachen.
Und wie machen Sie das einem Afrikaner klar, der nur ein Ziel hat: ein besseres Leben, koste es, was es wolle?
Martin: Das ist nicht einfach. Es ist klar, dass dort Wasser und bebaubares Land beschränkte Ressourcen sind. Und der kritische Punkt dabei ist das Bevölkerungswachstum. Je ärmer die Bevölkerung, desto grösser ist ihr Wachstum. Vor allem in Ländern, in denen Schulen fehlen. Bildung ist vielleicht das einzige Mittel gegen die Bevölkerungsexplosion. Deshalb muss die Weltgemeinschaft dafür sorgen, dass in Drittweltstaaten eine minimale Schulbildung zum Standard wird.
Burgmans: Hinzu kommt ein zweiter Aspekt: Europa, Japan und auch die USA sollten ihre Märkte langsam öffnen für landwirtschaftliche Produkte aus den armen Regionen der Welt. Auf diesem Weg können wir diesen Ländern eine gesunde Entwicklung zu ökonomischer Selbstständigkeit ermöglichen. Gewinnen können beide Seiten. Die Entwicklungsländer erhalten Devisen, und wir werden versorgt mit billigen landwirtschaftlichen Gütern in hoher Qualität. Derzeit passiert aber leider das Gegenteil: Europa und auch die USA versuchen die Farmer aus der Dritten Welt von ihren Märken fernzuhalten.
Ein anderer Punkt: Investoren, die in ein Unternehmen wie Unilever investieren, wollen eine Rendite sehen. Ist Ihr Sustainability-Programm ein Argument für Investoren, Unilever-Aktien zu kaufen?
Burgmans: Investoren handeln rational. Sie suchen Gelegenheiten, auf ihrem Investment eine gute Rendite zu erzielen. Sie analysieren die Unternehmen auf ökonomische, vermehrt aber auch auf soziale und ökologische Aspekte hin. Wir sind in der Dritten Welt aktiv, und wir tun es auf eine Weise, dass Investoren dies nicht als Risiko einstufen. Andernfalls könnte dies den Aktienkurs negativ beeinflussen. Insofern ist für sie nicht unser Engagement in der Dritten Welt das zentrale Thema, sondern die Tatsache, dass dies für das Investment keine negativen Folgen hat.
Martin: Viele institutionelle Anleger und Pensionskassenfonds gewichten bei ihren Investitionsentscheiden inzwischen auch ethische Aspekte und investieren dort aus diesem Grund. Profit um jeden Preis ist dabei nicht mehr die einzige Motivation.
Sehen Sie in dieser Frage auch eine Bewusstseinsänderung innerhalb der Kaste der Manager?
Burgmans: Ich kann nur für mich sprechen und über Eindrücke, die ich in Gesprächen mit Kollegen erhalten habe. Wir haben jüngst in Europa die Sustainability Agricultural Initiative (SAI) gegründet. Wir begannen zusammen mit zwei grossen Nahrungsmittelproduzenten, und heute haben wir zwanzig Mitglieder. Das Institut liefert diesen Unternehmen Know-how für nachhaltige landwirtschaftliche Produktion.
Wie stellen Sie sicher, dass diese Nachhaltigkeit nicht nur in den Headquarters der Unternehmen gelebt wird, sondern auch von den zahlreichen Zulieferern?
Burgmans: Wir führen Audits durch. Zulieferer erhalten einen Fragebogen, den sie unterschreiben müssen. Die Antworten werden überprüft. Wenn es Widersprüche gibt, weisen wir darauf hin. Wenn sich das über einen Zeitraum nicht eliminieren lässt, kappen wir im Extremfall die Geschäftsbeziehungen. Das erfordert auch von uns einen Einsatz, bieten wir doch Hilfestellung, damit ein Zulieferer unsere Standards auch erfüllen kann.
Führt dies nicht notwendigerweise zu höheren Kosten, was die Effizienz schmälern würde?
Burgmans: Wir haben gewisse Werte, nach denen wir unser Business betreiben. Selbst wenn wir für ein Produkt astronomische Kosten zu bezahlen hätten, substituierten wir es niemals durch ein billigeres, das beispielsweise mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt würde. Wenn das die einzige Alternative wäre, würden wir diese Geschäftsaktivität aufgeben.
Die Unternehmen haben also einiges gelernt in den vergangenen Jahren. Herr Martin, sehen Sie eine Zukunft, in der es NGOs wie den WWF gar nicht mehr braucht?
Martin: Dies ist eine schöne Vorstellung. Aber es wird nicht vor dem Jahr 2050 der Fall sein. Im Ernst: Wenn ich die vergangenen 40, 50 Jahre überblicke – seit NGOs überhaupt existieren also –, sehe ich eine unglaubliche Vielfalt von über 50 000 nationalen und internationalen NGOs, und es ist schwer vorauszusehen, wie sich diese weiterentwickeln werden. Der WWF hat immer versucht, politische Anliegen mit konkreten Projekt- aktivitäten zu kombinieren. Das macht unsere Stärke aus. Wer nicht konkret in den Entwicklungsländern aktiv ist, kann auf dem politischen Parkett auch keine tragfähigen Lösungen erwirken. Es braucht beides. Und erst dies ergibt eine Glaubwürdigkeit, die notwendig ist, um positive Resultate zu erzielen. Die Zeiten, in denen Umweltaktivisten auf die Strasse gehen konnten im Glauben, a priori alles besser zu wissen, sind vorbei. Auch wir müssen Rechenschaft ablegen über unser Tun, und das ist gut so.