Wie ein Monolith steht das schwarze Haus am steilen Hang über dem Flüsschen Melezza. In einer Gegend, in der es viel pseudoromantische Häuser gibt, passend zu den Boccalini, aus denen Touristen im Grotto gerne den Merlot schlürfen, ist das ein in seiner Einfachheit spektakulärer Bau in bester Tessiner Architekturtradition. Entworfen haben es die Architekten Britta Buzzi-Hubbert und Francesco Buzzi aus Locarno.

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Tessiner Architektur – das waren seit Jahrzehnten Mario Botta, Luigi Snozzi und Livio Vacchini. Inzwischen ist eine Generation jüngerer Architekten nachgewachsen, die anders bauen will. Dazu gehören auch Britta und Francesco Buzzi, deren Thema «Einfachheit» ist. Die beiden an der ETH Zürich ausgebildeten Architekten sind zugleich den konstruktiven Belangen des Bauens verpflichtet, worin sie die Chancen der Gegenwart ausloten.

«Das Projekt setzt sich mit der Topographie und dem spezifischen Charakter des Ortes auseinander», heisst es im Bericht der Architekten. «Von einer schmalen Strasse erreichbar, ist die 630 Quadratmeter grosse Parzelle am Rande der Bauzone von einem steilen Hang mit Flussmaterial der letzten Überschwemmung geprägt. Das Haus nimmt Bezug auf den im Süden vorbeifliessenden Fluss Melezza, die Aussicht aufs Maggiadelta und die Berge im Norden, wobei der Bau wortwörtlich ins Terrain eingeschoben ist.»

Inmitten von ruhe und Natur
Seit der grossen Überschwemmung 1978 haben viele Tessiner Angst, nahe an ein Flussbett zu bauen. Zehn Jahre lang zeigte niemand Interesse für dieses Grundstück, bis sich die heutigen Bauherren zusammen mit den Architekten an das Abenteuer wagten. Sie hätten den Ort zum ersten Mal im Spätherbst erblickt, erzählt das Ehepaar: Den goldgelben Wald zu Füssen, majestätische Felsen im Rücken. Hier, inmitten von Ruhe und Natur, wollten sie für ihre Familie ein Heim bauen.

Für die Architekten war der Steilhang eine Herausforderung. Doch mit schwierigen Bauplätzen hatten sie bereits Erfahrung: Ihr Erstlingswerk – die Villa sulla Roccia – steht, wie der Name sagt, auf einem scheinbar unüberwindbaren Felsen in Ascona. Um überhaupt bauen zu können, musste damals ein grosses Stück Gestein gesprengt werden. Hier in Tegna wollten sie das Haus nicht einfach auf einen Sockel setzen, wie das der Steilhang diktiert hätte. Stattdessen liessen sie eine Art künstliche Landschaft unterhalb des Hauses errichten, wie sie neben den Autobahnen oft zu sehen ist. Dank dieser «armierten Erde» wirkt das Gebäude natürlich eingefügt.

«Das Haus antwortet auf den suburbanen Charakter mit einer entschiedenen Abgrenzung nach den Seiten und einer maximalen Öffnung im Inneren und zur Landschaft. Wie ein monolithischer Panzer umgibt der mit Oxideisen eingefärbte Sichtbeton das ganze Volumen: Der Bau wirkt wie eine aus einem einzigen Steinblock gemeisselte Skulptur.» So beschreiben die Architekten ihre Intentionen.

Die Architektur ist Teil der Natur
Die strenge, kubische Form ergab sich aus den strikten Bauvorschriften und dem Wunsch, den extremen Hang spürbar zu machen. Zehn Meter Waldabstand und die Beschränkung auf zwei Stockwerke hätten das Projekt entscheidend mitgeprägt, erklären die Architekten. Es sollte ein modernes Haus werden. Ausserdem wünschte man sich viele Gemeinschaftsräume, ein separates Arbeits- und ein Gästezimmer, ein Schwimmbad und eine tolle Küche. Die Architekten trafen mit den ersten Entwürfen auf Anhieb ins Schwarze, dann wurden Details diskutiert. Der Farbton des Betons fand sich nach vier Versuchsmischungen.

«Als Gegensatz zum schwarzen Panzer wird das Innere wie ein monochromes Futter in Hautfarbe behandelt. Durch diesen spannungsreichen Kontrast entsteht das Gefühl der Geborgenheit», erklären die Architekten den Innenraum. «Die chromatische Einfachheit erlaubt eine räumliche Komplexität, die aus den schrägen Sichtbezügen (die Innenwände sind wie ein Kartenspiel positioniert) hervorgeht.»

Wie das weiche Futter eines wärmenden Mantels wirken Wände, Decken und Böden im Inneren des Hauses denn auch. Der Gips erhielt einen hauchzarten Anstrich, abgestimmt auf den Farbton des weiss eingefärbten und geölten Eichenparketts. Die Einbaumöbel der Küche – Entwürfe der Architekten – wurden in einem ähnlichen Ton lackiert.

Wo Wände und Decken aufhören, beginnt die Natur. Die riesigen Glasflächen scheinen zu verbinden, statt zu trennen. Man fühle sich hier wie in einem Aquarium, sagt der Hausherr. Die Architektur werde Teil der Natur. Diese bemerkenswerte Grosszügigkeit und Transparenz ermöglicht es auch, den gesamten Lebensbereich im Wohngeschoss auf einen Blick zu erfassen: Kochen, Essen und Wohnen bilden eine Einheit, eine Passarelle führt zum Arbeitszimmer, und von der Terrasse zum Schwimmbad ist es nur ein Schritt.

Im Schlafgeschoss bringt das Atrium willkommene Durchblicke und Lichtspiele – zudem gelangt man aus jedem Schlafraum direkt in den geliebten Garten. Es gibt keinen Gartenzaun, und zum Baden im Fluss führt die Treppe und ein schmaler Pfad. Die Stimulation durch die Natur hat die Bewohner hierher gelockt, die ruhige Atmosphäre hat sie in den Bann gezogen, die grenzenlose Aussicht verzaubert.

Kay Wettstein ist Architekturjournalistin in Zürich.