Mit Blick auf einen Abschwung der Wirtschaft halte ich mich primär an grosskapitalisierte, qualitativ hochwertige und weniger zyklische Aktien. So schrieb ich vor einem Monat. Worauf ein Leser anfragte, ob ich Zykliker nun völlig meide. Nein, das nicht. Denn gerade unter den konjunktursensitiven Industrieaktien lassen sich interessante Anlagechancen ausmachen. Speziell die Kurse der gefallenen Engel – einst beliebte Aktien, die nach einem steilen Kursanstieg abstürzten – notieren auf verführerisch tiefem Niveau. Wer auf solche Titel setzt, muss Geduld und noch mehr Risikofreude aufbringen.

Einer der gefallenen Engel ist Georg Fischer (GF). Die Valoren der Industriegruppe haussierten innert zweier Jahre um 140 Prozent; seit März 2018 brachen sie um 40 Prozent ein. Auslöser für die Verkäufe sind Konjunkturängste sowie die Probleme der Automobilbranche, einer wichtigen Kundengruppe. Zwei handfeste Gründe für eine Korrektur – nur ist diese zu stark ausgefallen. Denn CEO Yves Serra (65) – dieser wird bald vom bisherigen Finanzchef Andreas Müller (48) abgelöst – richtet den Konzern neu aus: Expansion in Wachstumsmärkte, Konzentration auf Bereiche mit besseren Margen und geringerer Konjunkturabhängigkeit.

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Nach erfreulichen Zahlen für 2018 dürfte dieses Jahr für GF harziger verlaufen. Die UBS prognostiziert einen Umsatz von vier Milliarden Franken, der Rückgang um geschätzte 13 Prozent ist vor allem den Devestitionen geschuldet. Auch der Ertrag dürfte zurückgehen, wenn auch nur minim. Ab 2020 dagegen geht es wieder spürbar aufwärts. Für längerfristig disponierende Anleger bieten die Aktien Erholungspotenzial. Das lässt sich auch am für 2019 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12,2 ablesen.

HANDOUT -  Andreas Mueller, Finanzchef, wird beim Industriekonzern Georg Fischer Nachfolger vom langjaehrigen Konzernchef Yves Serra, der im kommenden Fruehjahr altershalber zuruecktritt, Mittwoch, 19. Dezember 2018. (HANDOUT GEORG FISCHER) *** NO SALES, DARF NUR MIT VOLLSTAENDIGER QUELLENANGABE VERWENDET WERDEN ***

Designierter Nachfolger als CEO: Finanzchef Andreas Müller.

Quelle: Keystone

Marktleader Bucher Industries

Unter Rezessionsängsten leiden ebenso die Aktien von Bucher Industries. Dabei gehörten sie lange zu den Highflyern; zwischen Januar 2016 und März 2018 haussierten die Valoren um 130 Prozent, seither wurden sie um gegen 40 Prozent zurückgestuft. Sicher, diese Aktien gehören zu den Zyklikern. Und die Firmenleitung selbst sprach im Oktober von einer abnehmenden Wachstumsdynamik – nach drei exzellenten Quartalen, notabene. Dennoch sind die Kursrückschläge übertrieben.

In den meisten Divisionen – Landmaschinen, Kommunalfahrzeuge, Hydrauliktechnik, Maschinen für die Herstellung von Glasbehältern oder Saftpressen – ist Bucher Marktführer. Diese Position baut das Unternehmen über clevere Akquisitionen laufend aus. Zwar bekommt Bucher in diesem Jahr die sich abkühlende Konjunktur zu spüren. Allerdings dürfte sich die Abschwächung beim Umsatz- und Ertragswachstum in Grenzen halten. Die Aktien haben in den ersten Januartagen stark zugelegt. Dennoch bieten sie mit einem geschätzten KGV von 12,4 geduldigen Investoren eine attraktive Einstiegsmöglichkeit.

Massig Cash bei OC Oerlikon

Beim Ausverkauf der zyklischen Industrieaktien heftig unter die Räder gekommen ist im Weiteren OC Oerlikon. Seit dem Höchststand vor einem Jahr verloren die Aktien bis im Dezember über 40 Prozent an Wert, legten danach jedoch wieder deutlich zu. Auch hier spielen Konjunkturbedenken mit. Teilweise zu Recht.

Die Sparte Manmade Fibers – Bau von Fabriken zur Herstellung von Kunstfasern – ist starken Zyklen unterworfen; nicht zuletzt deshalb, weil China der Hauptmarkt ist. Dafür liefert das Hauptgeschäft Oberflächenbehandlung und -beschichtung (Surface Solutions), wo über die Hälfte des Umsatzes und zwei Drittel des Betriebsgewinns anfallen, starke Wachstumszahlen. Drive Systems als dritter Bereich brachte nur magere Renditen und wurde im letzten Jahr abgestossen. Damit hat sich auch die Konjunkturabhängigkeit von Oerlikon verringert.

Der Verkauf spülte frisches Geld in die Firmenkasse. Nun verfügt das Management über eine Milliarde Franken an Cash. Diese Mittel dürften für Akquisitionen im nur gering zyklischen Segment Surface Solutions eingesetzt werden. Damit sollten sich mittelfristig auch die Margen deutlich verbessern. Die Aktien gehören zu jenen Valoren, die bei einer freundlichen Börsenstimmung überdurchschnittlich zulegen. So schossen sie in den ersten Januartagen um gegen 20 Prozent in die Höhe. Dies hat auch das geschätzte KGV auf 19,1 getrieben. Bereits für 2020 gehen Analysten von wieder attraktiven 16,9 aus. Oerlikon sind eine Wette auf übermorgen.

Heisser Ritt

Unter den gefallenen Engeln am heftigsten abgestraft wurden AMS. Die Titel des österreichischen Halbleiter- und Sensorenproduzenten glänzten lange durch einen fulminanten Höhenflug. Damit ist es seit vergangenem März vorbei. Innert zehn Monaten krachten die an der Schweizer Börse kotierten Papiere um nicht weniger als 80 Prozent in die Tiefe.

Chief Executive Alexander Everke of the multinational semiconductor manufacturer AMS (Austria Mikro Systeme) addresses a annual news conference, in Zurich, Switzerland February 6, 2018. REUTERS/Moritz Hager - RC1D1472EE40

Zu abhängig von Apple: AMS-Chef Alexander Everke hatte zu ambitiöse Ziele und versucht mit Zukäufen zu diversifizieren.

Quelle: Reuters

Der Grund ist Apple: Der US-Technologiekonzern bezieht von AMS 3-D-Sensoren für die iPhones sowie iPads und ist der mit Abstand grösste Kunde. Nur harzt der Absatz von iPhones, was subito auf den Aktienkurs von AMS und anderen Apple-Zulieferern durchgeschlagen hat. Eine Mitschuld am Preiszerfall trifft aber auch CEO Alexander Everke (55): Zu lange hat er an zu ambitiösen Wachstums- und Renditezielen festgehalten – nur um diese später kappen zu müssen. Eine mögliche Kapitalerhöhung gab den Aktien den Rest.

AMS versucht seit längerem, über Zukäufe von Firmen in andere Gebiete zu diversifizieren und so die Abhängigkeit von Apple abzubauen. Das hat dem Unternehmen eine drückende Schuldenlast eingetragen. Mager ist auch der operative Cashflow. Anderseits ist im Aktienkurs weitaus mehr Negatives eingepreist, als noch auf das Unternehmen zukommen dürfte. Darauf weist ein für dieses Jahr geschätztes KGV von 10,8. Beenden die USA und China ihren Handelskrieg, dürfte der Absatz von iPhones und iPads im Reich der Mitte wieder anziehen, was auch AMS zugutekäme.

Nicht wenige Banken empfehlen die Titel denn auch zum Kauf. Doch wer auf AMS wettet, muss noch mehr Risikofähigkeit aufbringen, als dies bei gefallenen Engeln sonst der Fall ist. Die Aktien sind eine heisse Spekulation – für meinen Geschmack etwas gar heiss.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch