Vor genau einem Jahr veranlasste der starke Abverkauf an den Aktienmärkten die meisten Analysten, äusserst pessimistische Prognosen für das Jahr 2019 abzugeben – im Nachhinein wurde ihrem Selbstbewusstsein nur wieder ein gehöriger Dämpfer verpasst. Nun haben die meisten Experten entschieden, dass das Jahr 2020 dieselbe Entwicklung hinlegen wird.

Es gibt tatsächlich vernünftige Gründe für diese Annahme. China und die USA haben gerade eine erste Einigung im Handelsstreit erzielt, die, wenn auch nur in bescheidenem Umfang, die Unsicherheiten etwas lindern wird und möglicherweise sogar verhindern könnte, dass dieses neue Bündnis im Jahr 2020 ein katastrophales Ende findet.

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Amerikas Wirtschaft floriert unter Trump

Gleiches gilt für den Brexit. Das Gefühl, dass man sich vom Abgrund wieder ein Stück weit entfernt hat, lenkt die Aufmerksamkeit von den Hürden ab, die noch zu überwinden sind.

Politischen Einfluss wird gleichsam Donald Trump haben, wenn er sich im November der Wiederwahl stellt, denn er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um eine dynamische und gesunde US-Wirtschaft sowie hochperformante Aktienmärkte zu präsentieren.

Nach jahrelanger Unterstützung durch die Zentralbanken dürfen sich die Finanzmärkte nun auf einen ähnlichen Schub von Trumps Einsatz freuen.

Folgt nach dem Tiefpunkt endlich die Erholung?

Eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren deuten bereits darauf hin, dass der im Jahr 2016 eingeleitete Minizyklus seinen Tiefpunkt erreicht hat und in den nächsten Monaten voraussichtlich eine Erholung zu sehen sein wird, wie dies nach den Abschwüngen von 2011–2012 und 2014–2015 der Fall war.

Indessen herrscht allseits die Meinung, dass die Aktienkurse überbewertet sind. Solange die Zinssätze jedoch niedrig bleiben, wird die «Aktienrisikoprämie», also der Unterschied zwischen erwartetem Aktienkurs und risikofreiem Zinssatz, sicherstellen, dass Aktien weiterhin eine begehrte Anlageklasse bleiben.

Dieser Einstellung liegt das aussagekräftige TINA-Prinzip («There Is No Alternative») zugrunde, das derzeit praktisch alle Marktteilnehmer ohne Widerrede leben und umarmen.

Weiterhin strukturelle Probleme

Die aktuelle Entspannung der Rezessionsangst bietet eine gute Gelegenheit, die vorherrschenden strukturellen Probleme wieder verstärkt ins Augenmerk zu nehmen und zu bewerten.

Diese werden oft und schnell vergessen, sobald sie keine unmittelbaren Folgen mehr haben, nur um dann mit aller Macht zurückzuschlagen, wenn die Marktteilnehmer gebannt den neuesten Meldungen auf ihren Bildschirmen folgen.

Für die Sparer bedeuten die strukturellen Probleme, dass es der Weltwirtschaft nicht gelungen ist, die Finanzkrise von 2008 vollständig hinter sich zu lassen. Und dafür gibt es eine einfache Erklärung. Um diese historische Herausforderung zu bewältigen, mussten Regierungen noch nie zuvor dagewesene Schulden aufnehmen, um die angeschlagenen Banken zu retten.

Es ist Vorsicht geboten!

Wären diese untergegangen, wäre die westliche Welt in eine so verheerende Krise geraten wie in den 1930er-Jahren. Den Regierungen blieb aufgrund ihrer hohen Schuldenlast nicht einmal der geringste finanzpolitische Spielraum, sodass sie es wohl oder übel den Zentralbanken überlassen mussten, eine ziemlich mitgenommene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Der gewählte Ansatz war kühn und genial zugleich. Die US-Notenbank, gefolgt von der Bank of Japan, der EZB und den meisten anderen Zentralbanken der Welt, machte sich daran, die Preise für Vermögenswerte in die Höhe zu treiben.

Die Logik dahinter war, dass steigende Preise einen «Vermögenseffekt» hervorrufen und Vermögensinhaber dazu veranlassen würde, mehr Geld auszugeben, wodurch der Wirtschaftsmotor neu gestartet würde.

Reales Wirtschaftswachstum kann nicht Schritt halten

Durch anfängliche Preiserhöhungen für Anleihen haben die Zentralbanken, die meist selbst Anleihekäufe getätigt haben, letztendlich allen finanziellen Vermögenswerten Auftrieb verliehen.

Das Problem ist nur, dass Vermögenswerte zwar lange Zeit den Gesetzen der Schwerkraft trotzen können, da keine tatsächliche Beschränkung für deren Erwerb durch eine Zentralbank besteht – die Realwirtschaft vermag dies jedoch nicht.

Ohne Investitionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und zusätzliches Einkommen aus Löhnen und Gehältern entsteht kein dauerhafter Wohlstand. Definitionsgemäss profitieren nur die Vermögensinhaber von dem Vermögenseffekt. Infolgedessen konnte das reale Wirtschaftswachstum nicht mit dem Anstieg der Preise für finanzielle Vermögenswerte Schritt halten.

Regierungen unter Druck

Das erklärt auch, warum sich in den letzten Jahren Arbeitnehmer der Mittelschicht, die weitgehend vom Lohneinkommen abhängig sind, gegen die immer grösser werdende Ungleichheit, die sich in den letzten drei Jahrzehnten entwickelt und in den letzten zehn Jahren sogar beschleunigt hat, auflehnten.

Regierungen stehen daher unter zunehmendem Druck, die versprochene Haushaltsdisziplin, die sie im Zuge der Finanzkrise 2008 abgegeben haben, zu verwässern, und stattdessen die Zügel zu lockern.

Die Vereinigten Staaten können diese Lockerung sicherlich einfacher und schneller einleiten als Europa. Nicht, dass das Land über eine beneidenswerte finanzielle Position verfügt: Die Staatsverschuldung der USA sowie die Haushalts- und Handelsdefizite sind höher als auf dieser Seite des Atlantiks.

Die USA geben weiter den Ton an

Tugend – in diesem Fall finanzielle Tugend – war nie Donald Trumps Hauptanliegen. Darüber hinaus schwindet die Bereitschaft globaler Anleger in Anleihen, den steigenden Finanzierungsbedarf der USA zu decken, rapide.

Ein wesentlicher Unterschied zu Europa besteht jedoch darin, dass die Fed viel mehr Spielraum zur Finanzierung dieser Ausgaben haben wird, und wenn sie diese selbst stemmen muss.

Natürlich gibt es eine Reihe von Einwänden dagegen, dass eine Zentralbank ein Haushaltsdefizit finanziert. Eine solche Politik lässt Zweifel an der Integrität der Fed – oder besser gesagt an ihrer Unabhängigkeit – aufkommen.

Aber der Zweck rechtfertigt bekanntlich die Mittel, und dies scheint der einzige Weg zu sein, um die notwendigen fiskalischen Impulse herbeizuführen, ohne einen Crash am Anleihemarkt auszulösen.

Rettung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme?

Die US-Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr bieten den Kandidaten aller Wahlkreise somit die Chance, die Rettung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme zu versprechen, deren Umsetzung sie sich natürlich gleich nach Amtsantritt voll und ganz widmen werden.

Dieselbe Krankheit wird auch in Europa eine gleiche Behandlung erfordern, wenn auch zeitlich verzögert. Viele, zum Teil kulturell verankerte Formen des Widerstands müssen erst überwunden werden – insbesondere von Christine Lagarde.

Das wird natürlich nicht von heute auf morgen geschehen. Aber auch die Länder mit Referenzen makelloser finanzieller Integrität werden zugeben müssen, dass eine Rezession in der EU aufgrund der Schuldenlast der schwächsten Mitglieder einfach nicht ins Haus stehen darf. Not macht erfinderisch.

Was bedeutet das für die Aktienmärkte?

Die USA werden die Führung übernehmen. Die Fed wird das Haushaltsdefizit durch Offenmarktgeschäfte finanzieren – eine Methode, die in der Wirtschaftssprache als Monetarisierung von Staatsschulden bezeichnet wird.

Diese Politik könnte zumindest zunächst das Vertrauen in den Dollar untergraben und den Goldpreis in die Höhe treiben. Ausgiebige Konjunkturprogramme führen normalerweise zu höheren Zinssätzen, nur sind die Interventionen der Zentralbank derzeit ausdrücklich darauf ausgerichtet, die Anleihemärkte über Wasser zu halten.

Dies bedeutet, dass es Raum für aktive Anlagestile geben wird, die von der erneuten Volatilität der Anleihemärkte profitieren können. Derweil dürften Aktienanleger wie üblich dort investieren, wo das Wirtschaftswachstum am stärksten ist, und so sind die USA erneut im Vorteil.

Angesichts der Spannungen an den Renten- und Devisenmärkten wird dies jedoch sicherlich kein Kinderspiel sein. Wir empfehlen daher, auf eine etwaige erhöhte Volatilität zu achten sowie die Qualität der Aktien, die in Portfolios aufgenommen werden sollen, sorgfältig abzuwägen.

Vorausdenken ist jetzt wichtig

Aktien sind jetzt bereits teuer. Gegeben dem Fall, dass ein passiver Anlageansatz bevorzugt wird, sollte man sich auf eine grosse Enttäuschung einstellen – ganz gemäss der Börsenweisheit: Die Flut hebt alle Boote.

All dies ist jedoch noch in weiter Ferne. Die grösste Hoffnung besteht vorerst darin, dass die schon lang anhaltende Phase der Stabilisierung der Wirtschaft noch rechtzeitig erfolgreich endet – nach bereits drei Anläufen.

Kurzfristig sollte sich die Lage dadurch entspannen. Dennoch sind Anleger gut beraten, einige Spielzüge voraus zu denken.

 

*Didier Saint-Georges ist Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac

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