Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Im Moment sind sowohl die makro- als auch die mikroökonomischen Daten die zentralen Themen. Dabei steht insbesondre die Frage im Vordergrund, ob die im ersten Quartal 2019 beobachtete Konjunkturschwäche von Dauer oder lediglich eine Konjunkturdelle ist und ob eine Erholung im weiteren Jahresverlauf wahrscheinlich ist, um das Gewinnwachstum zu unterfüttern.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Überraschenderweise hat sich der Swiss Market Index mit einer Wertentwicklung von über 17 Prozent seit Jahresbeginn sehr erfreulich entwickelt. Allerdings konnte das Gewinnmomentum damit nicht Schritt halten. In der Konsequenz hat damit die Bewertung wieder das 20-Fache des Kursgewinnverhältnisses erreicht. Wir werten dies als leicht überteuert. Damit scheint das Kurspotenzial kurzfristig ausgereizt.
Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Nach der recht positiven Wertentwicklung der Weltbörsen seit Jahresbeginn 2019 und der mässigeren Konjunkturdynamik scheint generell das Kurspotenzial ausgeschöpft. Gleichwohl würde eine Wachstumsbeschleunigung, kombiniert mit einer weniger restriktiven Geldpolitik der USA, ein positives Börsenumfeld darstellen, zumal die Perspektiven für festverzinsliche Wertpapiere sehr verhalten sind bei de facto 0 Prozent Verzinsung deutscher Bundesobligationen und -30 Basispunkten bei Eidgenossen (zehnjährige Laufzeiten). Eine moderat positive Wertentwicklung für die Schweizer Börse in Höhe von etwa +5 Prozent analog dem Unternehmensgewinnwachstum erscheint plausibel.
Der Brexit und der US-chinesische Handelsstreit gelten als Risiken für die Weltkonjunktur. Sehen Sie Gefahren für das globale Wirtschaftswachstum, die derzeit wenig beachtet werden?
Einem wesentlichen Aspekt wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Insbesondere in den USA wachsen die Löhne im Moment um die 3 Prozent, während die Produktivität lediglich mit zirka 1 Prozent zulegt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Lohnstückkosten deutlich ansteigen und die Unternehmensmargen unter Druck geraten. Dies lastet auf dem Gewinnwachstum. Ein ähnliches Phänomen ist hier in Europa zu beobachten. Allerdings ist hier das geringe Umsatzwachstum schuld an dem Dilemma. Die Fixkosten sind einfach zu hoch.
Die Aussichten für Chinas Wirtschaft haben sich aufgehellt. Wie robust entwickelt sich die Konjunktur in der Volksrepublik – und was bedeutet dies für die globale Wirtschaft?
Das chinesische Wirtschaftswachstum ist von zentraler Bedeutung für die Weltkonjunktur. Die sich bessernden Konjunkturdaten werden sich in den kommenden Monaten auch in Daten der wesentlichen Handelspartner spiegeln. Eine globale Erholung zur Jahresmitte ist damit mehr als wahrscheinlich. Dies gilt umso mehr, als dass sich auch in den westlichen Ländern die Vorlaufindikatoren zumindest stabilisiert haben.
Die USA haben ihr Ölembargo gegen den Iran verschärft, der Ölpreis ist stark gestiegen. Muss sich die Wirtschaft auf einen anhaltend hohen Ölpreis einstellen?
Die nachhaltigen und tiefen Divergenzen zwischen den USA und dem Iran lassen wohl kaum auf eine schnelle Lösung hoffen. Ein dauerhaft höherer Ölpreis ist gleichwohl eher unwahrscheinlich. Zum einen würde dies das Wirtschaftswachstum belasten und damit die Nachfragen nach dem schwarzen Gold. Zum anderen sollte man nicht übersehen, dass andere Länder zweifellos die Gunst der Stunde nutzen und ihr Ölangebot entsprechend adjustieren. Primär wird man sich die Frage stellen müssen, wie zügig mehr Öl anderen Ortes angeboten werden kann.
Sollten wir nach dem chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt kurzfristig einen europäisch-amerikanischen Handelsstreit erwarten?
Der Handelskrieg mit China hat deutliche Spuren in Europa, insbesondre in Deutschland, hinterlassen. Ferner hat Präsident Trump die Verhandlungen mit der Europäischen Union neu entfacht. Sollten die Zölle für die Automobilindustrie wirklich um 25 Prozent angehoben werden, hätte dies einmal mehr spürbare Folgen für Deutschland. Wir meinen, dass das Wachstum in der Summe um bis zu -0,6 Prozent belastet werden könnte und die Eurozone mit einer Wachstumseinbusse von -0,3 Prozent zu Buche schlüge. Triftige Gründe, die eher für eine Lösung sprechen.