Ist die Hatz auf Julius Bär eröffnet worden? Das «Schweizerische Handelsamtsblatt» meldete Anfang Mai zwei bedeutende Bär-Aktionäre: Die Harris Associates L.P. aus Chicago hält 6,2 Prozent der Namenaktien, die in London ansässige Silchester International Investors Limited kommt auf 7,1 Prozent. Bloss handelt es sich dabei nicht um zwei «neue Grossaktionäre», wie die Finanzpresse geschrieben hat. Vielmehr zählen diese Institutionellen, die bereits öfter als Investoren in Schweizer Unternehmen aufgetreten sind, «schon längere Zeit zu unseren Hauptaktionären», wie mir seitens der Zürcher Privatbank versichert wurde. Weshalb dann die Meldung? Die zwei Finanzhäuser hielten bislang Inhaber- sowie Namenaktien. Mit der Einführung der Einheitsaktie im vergangenen April stieg ihr Anteil auf über fünf Prozent.
Die Vereinfachung der Aktienstruktur erleichtert den Einstieg von Grossinvestoren, ja dürfte bei einigen Konkurrenten sogar Übernahmegelüste wecken. Vorderhand allerdings stehen die Bär-Papiere stark unter Druck. Niemand sei dieser Tage auf Bankentitel heiss, wurde mir an der Zürcher Bahnhofstrasse gesagt. Das stimmt. Nur haben die Bär-Titel überdurchschnittlich an Boden eingebüsst: minus zehn Prozent innert eines Monats. Und dies bei extrem hohem Handel. Im April wechselten täglich bis zu 559000 Titel den Besitzer, mehr als das Zehnfache des sonst üblichen Volumens.
Nun ist es kein Geheimnis, dass einige Mitglieder des Familienclans ihre Aktien versilbern wollen; dazu zählt Mike Bär, der das Bankhaus im Zwist verlassen hat. Stammen die Aktien aus seinem Tresor? «Darüber geben wir keine Auskunft», meint der Pressesprecher. Falls grosse Blöcke über den freien Markt verkauft würden, gäbe das Druck auf den Aktienkurs, erläutern Finanzanalysten. Doch das sei nicht im Interesse der Verkäufer. Stimmt. Nur konnte mir niemand plausibel erklären, woher die mehrere Millionen verkauften Papiere sonst stammen sollten.
Nachdem der österreichische Möchtegern-Firmenraider Mirko Kovats endgültig von Schlatter abgelassen hatte, verloren die Aktien innerhalb von Wochen 30 Prozent an Wert. Dass die Titel des angezählten Maschinenbauers nicht auf alte Tiefststände absackten, ist das Verdienst der Zurmont Finanz: Sie erwarb von der Familie Schlatter ein Aktienpaket und kontrolliert nun 52 Prozent. Der Einstieg der Investorenfirma ist Schlatter gut bekommen. Die Nachricht trieb den Kurs innerhalb eines Tages um satte 19 Prozent in die Höhe. Was mich daran stört: Dieser Preisschub wurde von gerade mal 808 gehandelten Aktien ausgelöst. Das sind 0,05 Prozent aller Titel.
Schlatter gehört zu jenen börsenkotierten Unternehmen, deren Aktienhandel von einer hohen Illiquidität geprägt ist. Schon eine Hand voll Wertpapiere kann zu starken Ausschlägen führen – nicht nur nach oben. Schlatter ist keine Ausnahme: Magere Handelsvolumen weisen auch Mikron, Sarna, Valiant, Helvetia Patria, Gurit-Heberlein und weitere Firmen auf.
«Wir können die Anleger vor heftigen Kursausschlägen in illiquiden Titeln nicht schützen», sagt SWX-Mediensprecher Werner Vogt. Es liege an den Banken, ihre Kunden zu warnen. Was heisst: Der Privatanleger ist auf sich gestellt. Informieren Sie sich deshalb selbst, bevor Sie in Nebenwerte investieren. Die SWX publiziert die Handelsvolumen der einzelnen Titel (www.swx.com), und auch in einigen Tageszeitungen finden Sie diese Angaben.
Ich beobachte die IPO-Szene nun schon seit vielen Jahren. Ein solches Desaster allerdings habe ich noch nie erlebt. Die Titel der biopharmazeutischen Firma Arpida sind bei ihrem Börsendebüt total abgeschmiert. Kaum war der Handel am 4. Mai eröffnet, wurden die Aktien gleich hunderttausendfach auf den Markt geworfen, Beobachter sprechen von «Panikverkäufen». Nach eineinhalb Stunden waren 26 Prozent des Ausgabepreises verpufft! Zwar vermochten sich die Valoren wieder leicht zu erholen, dennoch hatten die Aktionäre einige dutzend Millionen abzuschreiben.
Wer zieht den schwarzen Peter? An der Bahnhofstrasse ist von übertriebenen Erwartungen seitens der Anleger die Rede, von einem schlechten Markt für Biopharma-Titel, von fehlendem Interesse der Institutionellen oder spekulationswilden Hedge-Funds. Verbale Haue erhält vor allem die Deutsche Bank: Diese hätte als Leadbank der Emission über Stützungskäufe den Crash verhindern sollen. Das Institut hat tatsächlich interveniert, doch war die Aktienflut zu gross. Am ersten Handelstag wechselten 2,22 Millionen Aktien die Hand – 40 Prozent aller platzierten Titel. Keine Vorwürfe machen kann man dem Arpida-Management, namentlich Firmenchef Khalid Islam und CFO Harry Welten. Und dennoch wird der Firma das Loser-Image noch jahrelang anhaften.
Das Debakel zeitigt auch Auswirkungen auf weitere Börsengänge aus dieser Branche. Ende Mai wollte das Basler Biopharmaunternehmen Speedel ihr Going-public durchziehen – nun wurde das IPO zurückgezogen. Bislang schätzten die Analysten den Marktwert auf etwa eine Milliarde. Nach dem Arpida-Absturz hätte Speedel allerdings mit 150 bis 200 Millionen Franken weniger rechnen müssen. Pressesprecher Nick Miles meint dazu, Speedel lasse sich in keiner Art und Weise mit Arpida vergleichen. Dem kann ich zustimmen. Denn im Gegensatz zu Arpida besitzt Speedel mit dem Blutdrucksenker SPP 100 ein Produkt, das kurz vor der Marktzulassung steht und das Potenzial zum Blockbuster hat. Das Unternehmen jedenfalls wäre für risikofreudige Anleger ein attraktiver Börsenneuling. Nun bleibt abzuwarten, ob die Basler noch in diesem Jahr einen weiteren Versuch wagen werden.
Noch ein anderes Unternehmen, so wurde mir erzählt, steht in den Startlöchern für ein Going-public: Der Zürcher Softwareproduzent Esmertec will noch im Juni an die Börse, als Leadbank soll die UBS amten. Am Firmenhauptsitz hält man sich bedeckt. Ausser einem etwas lapidaren «Es ist alles möglich» ist nichts zu erfahren. Esmertec befindet sich in einer komfortablen Lage. Das Unternehmen hat sich über eine Wandelanleihe 23,5 Millionen Franken geholt. Zudem investiert der neue Partner, die japanische Mitsui, weitere zehn Millionen.
Esmertec ist ein interessanter Börsenkandidat. Die Firma zählt zu den wenigen Schweizer Softwareschreibern, die auch international erfolgreich sind. Entwickelt werden Programme und Technologien für Kleincomputer sowie Mobiltelefone. Reissenden Absatz findet diese Software vor allem in Asien. Zahlen will die aus einem Spin-off der ETH entstandene Jungfirma zwar keine rausrücken. Gemäss meinem Informanten erwirtschaften die rund 200 Beschäftigten einen Umsatz von gegen 40 Millionen Franken. Was mich am meisten beeindruckt: Beim Reingewinn werde eine schwarze Null geschrieben, eine beachtliche Leistung für ein erst sechsjähriges Unternehmen der IT-Branche. Viel von diesem Erfolg ist auf CEO Alain Blancquard zurückzuführen, der sich seit 30 Jahren in diesem Geschäft bewegt. Blancquard hat auch weiteres Know-how in den Verwaltungsrat geholt, so den einstigen France-Télécom-Chef Michel Bon oder Ex-Swisscom-Boss Tony Reis.
Ihr Frank Goldfinger
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