Kaum ein anderes Land kennt eine derartige Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften wie die Schweiz. Wohl aus diesem Grund hat hier der Bürger das Gefühl, in Sachen gesetzliche Rahmenbedingungen setzten wir überall Standards. Dennoch fühle ich mich manchmal wie in einer Bananenrepublik, und zwar ausgerechnet dann, wenn es sich um Regelungen des Finanzmarkts dreht. Beispielsweise als die Übernahmeschlacht um Forbo tobte; damals wurde befürchtet, dass der Angreifer CVC Capital dem Hauptaktionär Michael Pieper ein höheres Angebot als den anderen Aktionären vorlegen könnte, um damit die Abwehrfront zu knacken. Oder der Poker um Unaxis: Beobachter meinen, der Investor Mirko Kovats könnte der Familie Bührle ihr 21-Prozent-Paket zu einem speziellen Preis abkaufen und nachher die anderen Aktionäre mit einer tieferen Offerte abspeisen. In der Schweiz ein legales Gebaren. Dagegen gilt in so ziemlich allen anderen Industrieländern die Regel, dass ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre zu denselben Konditionen erfolgen muss.

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Gerade Mirko Kovats’ Wirken führt mir wieder mal vor Augen, was bei uns alles erlaubt ist. Da treibt der Österreicher monatelang seine Verwirrspiele um verschiedene Schweizer Firmen und treibt deren Aktienkurse in die Höhe. So meinte er vor Wochen gegenüber BILANZ, er verhandle mit einem kleineren Maschinenbauer. Und allen war klar: Kovats meinte Schlatter. Oder er beobachte «diskret ein grosses Unternehmen von ähnlichem Kaliber wie Unaxis; da wollen wir die Mehrheit». Kurze Zeit später will der Firmenjäger von diesen Übernahmeplänen nichts mehr wissen. Prompt purzeln die Aktienkurse der vermeintlich in Kovats’ Visier geratenen Gesellschaften. Alleine Schlatter büssten gegen zwanzig Prozent ein.

All diese Börsenspielchen – ein treffenderes Wort will mir partout nicht einfallen – bewegen sich im Rahmen des Legalen. Doch der Dumme ist, wie jedes Mal, der Kleinanleger. Und weshalb? Weil er keine Lobby hat. Den grossen Banken, die auch bei der Börse den Ton angeben, ist der Privatanleger ziemlich schnurz.

Dafür sind Schweizer Banken ganz gross im Kassieren. Bei den Gebühren für alltägliche Bankdienstleistungen jedenfalls, so zeigt der «World Retail Banking Report 05», steht die Schweiz mit jährlich 212 Franken pro Kunden einsam an der Spitze. Das ist annähernd doppelt so viel, wie die Banken in den untersuchten 19 Ländern im Durchschnitt verlangen. Kein Ruhmesblatt für den Parade-Wirtschaftszweig der Schweiz. Und wie reagiert die Branche? Wie gewohnt; die Seriosität der Studie wird in Frage gestellt. Sowieso erhalte man in der Schweiz sehr viel Leistung für sein Geld, tönt es aus der Bankiervereinigung. Tatsächlich? – Eine ebenfalls dieser Tage vom amerikanischen Marktforschungsinstitut Datamonitor veröffentlichte weltweite Untersuchung bei 300 führenden Banken deckt nämlich auf, dass schweizerische Geldhäuser beim Kundenservice im internationalen Vergleich eher schlecht abschneiden.

Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Die Schweizer Banken, vor allem die beiden Grossen, schleppen ein schweres Imageproblem mit sich herum. Und zwar international. Die ebenfalls jüngst bekannt gewordene Bestrafung der Credit Suisse in Japan wegen anhaltender Probleme in der Kontrollstruktur der Vermögensverwaltung oder die Verurteilung der UBS Warburg in New York wegen Diskriminierung einer Wertschriftenhändlerin mögen zwar nur auf Nebenschauplätzen stattfinden; dennoch sind die beiden Fälle symptomatisch und dem Ansehen der zwei mächtigen Institute zusätzlich abträglich.

Schade, dass die eindrücklichen Ertragsfortschritte der CS Group sowie der UBS durch solche Ereignisse abgewertet werden, denn das angeknackste Image bremst auch die Entwicklung der Aktienkurse. Viele Institutionelle, gerade solche aus Amerika, scheuen davor zurück, die fundamental eigentlich viel versprechenden Valoren in ihre Depots zu legen.

Mit Schaudern verfolge ich den neuen Boom der Langläufer-Obligationen. Nicht nur Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren spriessen wie Pilze aus dem Boden, sogar fünfzigjährige Bonds finden reissenden Absatz. Frankreich hat den Reigen im Februar eröffnet. Die Staatsanleihe mit einer Laufzeit bis ins Jahr 2055 und einem Volumen von sechs Milliarden Euro wurde dreifach überzeichnet. Und dies bei einer mageren Rendite von 4,2 Prozent. Damit haben wir den Höhepunkt der Bond-Blase erreicht.

Wer sein Geld über 50 Jahre bindet, darf sich niemals mit einer solch tiefen Risikoprämie zufrieden geben. Denn die Unsicherheiten über eine so lange Laufzeit sind erheblich. So hat die Ratingagentur Standard & Poor’s kürzlich eine brisante Hochrechnung der Staatsschulden in verschiedenen westlichen Ländern erstellt (siehe Grafik). Das erschreckende Fazit: Wenn Frankreichs Haushalt nicht aus den tiefroten Zahlen herauskommt, erreichen die Staatsobligationen bereits in 20 Jahren den Status von Junk-Bonds. Gleiches gilt für Deutschland und die USA, deren Kreditwürdigkeit ohne Kursänderung im Jahre 2030 das Niveau von Schrottanleihen erreichen wird. Hinzu kommen weitere Risiken für den Käufer solcher Obligationen, insbesondere ein unerwarteter Anstieg des Zinsniveaus und der Inflation.

Auch die Telecom Italia ist auf den Langläufer-Trend aufgesprungen: Für ihre fünfzigjährige Anleihe zahlt sie einen Coupon von mickrigen 5 ⁄ Prozent. Dabei liegt die Bonität der Gesellschaft mit BBB schon jetzt nur noch zwei Stufen vom Junk-Bond-Niveau entfernt. Trotz diesen unattraktiven Konditionen war die Anleihe über 850 Millionen Euro im Nu platziert. Kein Wunder, dass nun weitere Länder und Konzerne die Emission solcher Langläufer planen. Ich frage mich nur: Wer ist so blöd und greift trotz miserablen Konditionen zu? Offenbar sind es vor allem die Pensionskassen, die auf diese riskante Zinswette einsteigen. Sollte die Inflation eines Tages zurückkehren, so wären die angesparten Altersguthaben als Erste davon betroffen.

Konzernchef ist ein geiler Job. Man kann mit seinen Mitarbeitern machen, was man will; man ist mit der Wirtschaftselite auf Du und Du. Und wenn man zwei gerade Sätze reden kann, wird man von der Glamourpresse hofiert. Das Beste: Man verdient ein Schweinegeld. Nicht nur während man den Posten innehat. Denn wer es geschickt anstellt, kassiert auch noch ein halbes Jahrzehnt nach seinem Abgang. Man muss nur ein Unternehmen leiten, das so blöd ist, so etwas zuzulassen – unabhängig von der Managementleistung.

Ascom ist so eine Firma. Im letzten Jahr hat sie an Hans-Ulrich Schroeder und zwei weitere ehemalige Konzernleitungsmitglieder 580 000 Franken an «vertraglichen Zusicherungen» (Jahresbericht) ausbezahlt – immerhin 1,3 Prozent des Jahresgewinnes. Zur Erinnerung: Schroeder musste Ascom verlassen, weil das Unternehmen in den fünf Jahren unter seiner Ägide kaum vom Fleck gekommen war. Schroeders letztes Jahresergebnis bezeichnete der damalige VR-Präsident Alfred Rüssli als «absolut unbefriedigend», das Wachstum als «sehr bescheiden». Das war im Jahr 2000. Für die Zukunft rechnet Ascom für «als Verpflichtung erfasste Ansprüche für H.-U. Schroeder» mit einem Mittelabfluss von einer weiteren halben Million. Doch wer bezahlt im Endeffekt? Richtig, die Aktionäre.

Ihr Frank Goldfinger

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