Kein Wunder, dass sich Porsche-Aktionäre auf den Arm genommen fühlen. An der Internationalen Automobilausstellung im September in Frankfurt hiess es noch, die hohen Cash-Positionen des Sportwagenherstellers würden nicht investiert. Klar, dass die Anleger bereits von saftigen Dividenden und kurstreibenden Aktienrückkäufen träumten. Zwei Wochen später hatten die Schwaben dann allerdings bereits ganz andere Pläne für ihre liquiden Mittel: Sie machten drei Milliarden Euro locker, um bei Volkswagen einzusteigen. Die Investoren zogen lange Gesichter und fragten sich: Was soll diese Beteiligung? Zwar schickte Porsche flugs seinen Finanzchef vor, um Analysten und Investoren die Entscheidung zu erklären. Porsche-CEO Wendelin Wiedeking (Bild) glänzte jedoch durch Abwesenheit. Wiedeking ist kein Fan der Kapitalmärkte, das weiss man ja. Aber in diesem Fall hätte der CEO schon Rede und Antwort stehen müssen, finden die Investoren.

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Er habe die Porsche-Aktie aus diesem Grund bald satt, erzählte mir neulich ein Fondsmanager, der fast 100 Millionen in den sportlichen Titel investierte. Wiedekings Haltung gegenüber den Aktionären findet er inakzeptabel. Viele Anleger, die sich um ihre Hoffnung auf eine Sonderausschüttung geprellt sehen, sind bereits ausgestiegen. Prompt fielen die Aktien unter 600 Euro – aber glauben Sie nicht, dass diese jetzt ein Schnäppchen wären! Anfang des Jahres gab es die Titel nämlich noch für weniger als 500 Euro. Und sollten weitere verärgerte Fondsmanager ihre Positionen auflösen, dann wird der Porsche-Kurs noch weiter fallen.

Ich gestehe: Da blick ich nicht mehr durch. Und selbst Profis wie meine Ansprechpartner in der Zürcher Bahnhofstrasse, bei denen das Informiertsein zum Geschäft gehört, zucken hilflos mit den Schultern, wenn ich sie nach dem neuesten Stand bezüglich Unaxis und Hauptinvestor Mirko Kovats frage. Was plant Kovats mit seiner Firma A-Tec? Wie steht es um die Finanzen des Österreichers? Wie viele Aktien hält er tatsächlich, direkt, über A-Tec oder über Freunde? Wie stark hängt Unaxis-CEO Thomas Limberger an Kovats’ Gängelband? Der Firmenraider springt mit den Unaxis-Aktionären um wie mit einer Schar Primarschüler.

Haben die Unaxis-Aktionäre kein Recht auf umfassende Information? An der Börse habe ich, inoffiziell, einige unzufriedene Stimmen gehört – offiziell verschanzen sich die Verantwortlichen hinter Paragrafen. Solange Mirko Kovats keine Vorschriften hinsichtlich Offenlegungspflichten oder Insiderhandel verletze, werde nichts unternommen. Da ist mir wieder bewusst geworden, welch zahnloser Hund die SWX ist: ein Polizeihund, der schnüffelt, dann bellt, wenn etwas nicht stimmt – zubeissen aber darf er nicht. Bei Verdacht auf Insiderdelikte muss die Staatsanwaltschaft und bei Verstössen gegen Offenlegungsvorschriften die Eidgenössische Bankenkommission benachrichtigt werden. Doch beide Regierungsstellen sind nicht gerade für übermässige Härte gefürchtet.

Amerika, du hast es besser. Dort ist die Macht der Börsen zwar auch bescheiden. Dafür ist die Aufsichtsbehörde SEC gefürchtet; diese hat enorme Durchsetzungskraft, die möglichen Sanktionen sind hart. Auch bei uns sollte weitaus mehr getan werden. Eine blauäugige Forderung? Eine blauäugige Forderung! Bund, Kantone und Banken werden sich hüten, die Zügel allzu stark anzuziehen. Kontrolle ist gut, Laisser-faire besser. Schade nur, dass dies wieder einmal auf Kosten der Kleinanleger geht: Diese könnten erst an den abstürzenden Kursen ablesen, falls Mirko Kovats aus Kapitalnot seine Unaxis-Aktien verscherbeln müsste.

Den Effekt habe ich in diesen Spalten schon mehrmals beschrieben: Bei wachstumskräftigen Unternehmen schrauben die Finanzanalysten ihre Umsatz- und Gewinnschätzungen immer mehr in die Höhe, der Kurs steigt und steigt, bis eines Tages die Erwartungen nicht mehr erfüllt werden und der Aktienkurs wieder nach unten rauscht. Das ist dem Zahnimplantatehersteller Straumann widerfahren. Nach angeblich enttäuschenden Zahlen fürs dritte Quartal – immerhin ist der Umsatz um 20 Prozent gewachsen! – schmierten die Papiere innert eines Handelstages um zwölf Prozent ab. Mehrere Banken reduzierten sogleich ihr Kursziel.

Trotz dem Kurssturz sind die Straumann-Aktien mit einem für 2005 und 2006 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 35 respektive 28 teuer. Auf mittel- bis langfristige Sicht jedoch gehören sie für mich zu den attraktivsten Papieren, die der Schweizer Markt im Sortiment führt. Die gegenwärtige Kursschwäche bietet denn auch eine gute Gelegenheit für den Einstieg. Dieser Tage hat übrigens das amerikanische Wirtschaftsmagazin «Business Week» einen Artikel mit dem Titel «Europe’s hot growth companies» publiziert. Gut vertreten in der Liste der 100 wachstumsstärksten Unternehmen sind kleine Länder: Island ist mit drei Firmen dabei, Belgien mit fünf und Irland mit sechs. Die Schweiz dagegen hat es nur mit zwei Gesellschaften unter die Top 100 geschafft, nämlich mit Micronas Semiconductor – und mit Straumann.

Die Reaktionen aus Deutschland fielen harsch aus. «Wie kommen Sie bloss auf solche Ideen? Kein einziger Ihrer Kollegen hat eine auch nur ähnliche Schlussfolgerung gezogen», wurde ich vor rund acht Monaten am Telefon abgekanzelt. Der Grund für die verbale Haue: AWD-Chef Carsten Maschmeyer hat im Frühling dieses Jahres überraschend seine Mehrheit am Finanzdienstleister von 51 auf 31 Prozent abgebaut. Der Verkauf an mehr als 50 Institutionelle wurde als Massnahme gepriesen, um den Free Float der AWD-Papiere zu verbessern. Damals habe ich an dieser Stelle gefragt, weshalb Maschmeyer die Titel abstosse, obwohl er ihnen immer wieder und lautstark hohes Kurspotenzial bescheinige. «Oder erachtet Maschmeyer», so schrieb ich, «die Aktien gar nicht mehr für unterbewertet, weil im Geschäft mit dem Verkauf von Finanzprodukten der Peak erreicht ist?» Mein Ratschlag im März dieses Jahres: «Lassen Sie die AWD-Titel links liegen!»

Doch die Papiere stiegen. Anfang August standen sie auf 39.10 Euro, bevor der Faden riss: Seither stürzten AWD auf knapp 23 Euro ab, alleine seit Anfang Oktober haben die Anleger 30 Prozent an Kursverlusten zu beklagen. Was war geschehen? AWD hat die Aktienmärkte mit einer Gewinnwarnung überrumpelt. Dementsprechend heftig waren die Reaktionen, einige Beobachter sprechen gar von Panikverkäufen. Das Management gibt sich derweil demonstrativ gelassen, will lediglich eine Wachstumsdelle orten.

Die Gelassenheit ist Fassade. Denn vor wenigen Tagen folgte das dicke Ende: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) will die Transaktionen mit AWD-Aktien im Vorfeld der Gewinnwarnung unter die Lupe nehmen, also auch die Verkäufe von Maschmeyer. Offen ist vorderhand, ob danach eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Insidergeschäfte oder Kursmanipulation eingeleitet wird. Die BaFin warnt davor, dieser Prüfung zu viel Gewicht beizumessen. Ich bleibe bei meinem Ratschlag: Lassen Sie die AWD-Titel links liegen!

Ihr Frank Goldfinger

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