«Fett, aber impotent» seien Schweizer Finanzinstitute wegen des Bankkundengeheimnisses geworden. So formulierte es der Bankier Hans J. Bär in seiner Autobiografie «Seid umschlungen, Millionen» im Jahr 2004. Es verschaffe den Banken einen künstlichen Standortvorteil und verschone sie vom Wettbewerb. Das hätten sie aber gar nicht nötig, meinte Bär.

Den Beweis, dass dies so ist, muss die Branche jetzt vermehrt erbringen. Dazu würde etwa gehören, mit innovativen Dienstleistungen und Produkten zu glänzen, die für den wirtschaftlichen Erfolg im Wettbewerb unabdingbar sind.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Allerdings sind Innovationen bei Schweizer Banken eher rar, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft Booz & Co. zeigt, die BILANZ exklusiv vorliegt. «Schweizer Institute scheinen Innovationen in den vergangenen zwei Jahren vernachlässigt zu haben», sagt Daniel Diemers, Mitglied der Geschäftsleitung von Booz & Co. in der Schweiz.

Viele Schweizer Banken hätten sich in den letzten Jahren eher auf regulatorische Themen und Kostenoptimierung konzentriert. «Dagegen gab es international einige Banken, die mit Innovationen erfolgreich versuchten, ihre Marktstellung auszubauen oder sich strategisch über das Thema Digitalisierung zu positionieren», so Diemers.

Progressive Glarner. Nur vier Schweizer Innovationen befand das Beraterteam von Booz & Co. für erwähnenswert. Darunter das Sparprodukt Migipig von der Migros Bank. Dabei wird ein Sparziel definiert, das mit Familie und Freunden geteilt werden kann, zum Beispiel über Facebook oder E-Mailing. Diese wiederum können das Ziel monetär unterstützen. Es ist jederzeit ersichtlich, wer wie viel beiträgt. Das Produkt wurde erst Mitte November des letzten Jahres lanciert. Eine der Herausforderungen für den Erfolg von Migipig dürfte sein, die Kunden dazu zu bringen, ihre Sparziele und die damit verbundene Finanzsituation offenzulegen.

Eine weitere in der Studie erwähnte Innovation kommt von der Glarner Kantonalbank. Mit der Hypomat genannten Dienstleistung können Hypotheken innert 15 Minuten via Internet abgeschlossen werden. Das unterscheidet das Produkt von anderen Angeboten im Internet, bei denen zwar eine Preiskalkulation, nicht aber ein Abschluss gemacht werden kann. Das reduziert die Administrationskosten, was in Form von günstigeren Hypothekarzinssätzen an die Kunden weitergegeben werde, so die Studie. Ein Wermutstropfen bei Hypomat ist, dass es nur für die Erneuerung von bereits bestehenden Hypotheken funktioniert.

Auch ein Banking-Paket der Credit Suisse für Jugendliche und Studierende wird in der Studie als innovativ erwähnt. Neben diversen Bankdienstleistungen im Produkt Viva wird Zugang zum Streaming-Dienst von Universal Music geboten, mit dem rund 600 000 Musiktitel über elektronische Geräte wie das iPhone angehört werden können. Allerdings ist das nur im ersten Jahr gratis, danach kostet es vier Franken pro Monat. Im Urteil über das Produkt erscheint den Studienverfassern die Kombination aus Musik-Streaming und einem Bankpaket für Jugendliche und Studenten deshalb innovativ, weil beides zielkundengerecht miteinander verbunden werde. Allerdings sollten Jugendliche und Studierende wissen, dass es auch alternative Streaming-Anbieter gibt, zum Beispiel Spotify, wo für rund 13 Franken pro Monat eine viel grössere Auswahl an Musiktiteln angeboten wird.

Die vierte genannte Schweizer Innovation stammt nicht von einer Bank, sondern von einem Start-up-Unternehmen: MyMoneyPark bietet eine Kombination von Online-Vergleichsplattform für Finanzdienstleistungen und persönlicher Beratung. Die Firma gibt eine Übersicht über 27 000 Produkte von 40 Anbietern und verfügt über zwei Filialen und mehr als 30 erfahrene Bankberater.

Das Fazit der Studie: Nur vier Innovationen ist eine traurige Bilanz für den Bankplatz Schweiz. BILANZ hat deshalb bei den grossen Banken nachgefragt, was sie selber als ihre innovativste Bankdienstleistung der vergangenen zwei Jahre bezeichnen würden. PostFinance nennt das «E-Kässeli»: Kaufbeträge mit der PostFinance Card werden wahlweise auf den nächsten Franken oder auf die nächsten zehn Franken aufgerundet. Der Rundungsbetrag wird auf ein eigenes Sparkonto überwiesen oder auf das eines anderen Inhabers – etwa eines Kindes oder einer wohltätigen Organisation.

Die UBS wiederum hebt ihre Kartendienstleistung PayPass hervor. Damit können Kleinbeträge bis zu 40 Franken ohne PIN-Code oder Unterschrift bezahlt werden. Die Karte wird zum Bezahlen einfach kurz vor das Kartenlesegerät gehalten. Zudem hat die UBS auch einige Mobiltelefon-Apps lanciert. Genauso wie die Credit Suisse. Beide Grossbanken haben für Kunden auch die Möglichkeit geschaffen, sich über Internet selber massgeschneiderte Anlageprodukte zusammenzustellen – sogenannte strukturierte Produkte.

Pay per Phone. Im Gegensatz zu den wenigen Innovationen in der Schweiz stiessen die Berater von Booz & Co. im Ausland auf eine breite Palette von innovativen Bankprodukten. Dazu gehört die Möglichkeit, mit dem Mobiltelefon im Laden zu bezahlen. Das Unternehmen Square bietet die Dienstleistung in den USA an und zählt schon rund zwei Millionen Nutzer. Oder die persönliche Videoberatung der virtuellen polnischen Bank Alior Sync, die 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche angeboten wird. «Das bringt echten Kundennutzen, weil es den Gang in die Filiale erspart und die Bank für den Kunden erreichbar ist, wenn dieser Zeit hat», sagt Daniel Diemers. Ausserdem sind Dienstleistungen des polnischen Finanzinstituts in Facebook integriert. Damit können Nutzer direkt an ihre Facebook-Freunde Geld überweisen. Hierzu muss nur die Funktionalität auf dem Alior-Sync-Konto freigeschaltet, das Konto mit dem Facebook-Account verknüpft und die Anwendung «Transfers auf Facebook – Alior Sync» installiert werden.

Eine weitere Innovation kommt von der Postbank in Deutschland. Sie bietet ein Sparkonto – «Goldsparen» genannt –, das einen Basiszinssatz von bis zu 1,25 Prozent bietet. Der Clou dabei ist, dass der Kunde auch noch die Hälfte von der monatlichen Performance des Goldpreises erhält, ohne Verlustrisiko, aber mit einem Maximalsatz von vier Prozent. Damit emotionalisiere die Bank das langweilige Sparkonto und locke risikoaverse Kunden an, so die Studie.

Dass die Schweizer Banken derzeit international nicht zu den innovativsten gehören, ist gemäss Diemers aber kein Grund zur Panik: «Alle Voraussetzungen sind vorhanden, und wir erwarten, dass sich die Prioritäten in den nächsten Jahren wieder stärker hin zur Innovation verschieben.»

Zu hoffen wäre es. Allerdings sind gesellschaftlich prägende Innovationen im Banking selten. Paul Volcker, der ehemalige Chef der US-Zentralbank, bezeichnete einmal den Bankomaten als die letzte gesellschaftlich relevante Innovation aus dem Bankensektor. Dabei wurde der erste der Welt im Jahr 1967 von der Barclays-Filiale in Enfield aufgestellt, einem Stadtbezirk von Greater London.

Banker scheinen insgesamt lieber ernst zu sein als innovativ: Unter die 15 innovativsten Unternehmen der Schweiz schafft es jedenfalls keine einzige Bank. In der vom Center for Innovation der Universität St. Gallen erstellten Liste rangiert die Uhrenfirma Swatch ganz zuoberst. Nicht einmal in einer der Unterkategorien (Produkte, Dienstleistungen, Kundenerlebnisse, Geschäftsmodell etc.) schaffte es eine Bank in die vorderen Ränge. Nur im Branchen-Ranking der Banken und Versicherungen räumten Banken ab: die UBS vor der PostFinance und Raiffeisen.

So können sich die Banken immerhin mit einem trösten: Versicherungen scheinen noch weniger innovativ.