Empfiehlt es sich aktuell, an Chinas Börsen zu investieren - oder halten Sie ein solches Investment für zu riskant?
Chinesische Aktien sind und bleiben eine Anlage mit höherem Risiko und höherer Rendite, insbesondere auf kurze Sicht. Da sich das Land jedoch weiter zur grössten Volkswirtschaft der Welt entwickelt, halte ich es für wichtig, diese Anlageklasse nicht zu ignorieren.
Ich würde sehr selektiv vorgehen und Sektoren vorziehen, die dem Binnenkonsum ausgesetzt sind und die für die lokalen Behörden hohe Relevanz haben. Um das politische Risiko zu verringern, würde ich auch nach indirekten Anlagen in nicht-chinesischen Unternehmen suchen, die einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen in der Region erwirtschaften.
Der bekannte US-Investor Jim Rogers empfiehlt in der «Handelszeitung» Investitionen in Rohstoffe, das sei «einzige Markt, in dem es keine Blase gibt». Wie lautet Ihre Meinung dazu?
Ich bin der Meinung, dass Rohstoffe eine sehr vielfältige Anlageklasse bilden, und dass jeder individuellen, spezifischen Faktoren unterliegt. Ich glaube, dass Gold zur Diversifizierung in einem Portfolio interessant ist. Da wir eine Verlangsamung des globalen Wachstums erwarten, bin ich weniger positiv gegenüber Rohstoffen eingestellt und sehe bei Öl nur ein begrenztes Aufwärtspotenzial.
Welche Schwellenländer-Märkte gefallen Ihnen derzeit besonders?
Innerhalb der Schwellenländer bevorzuge ich weiterhin die asiatische Region. Die Region ist vor allem wegen der Performance chinesischer Aktien aufgrund des sich abschwächenden Wirtschaftswachstums und des harten Durchgreifens der Regulierungsbehörden in Teilen des Marktes ins Hintertreffen geraten. Mittelfristig sehe ich hier jedoch das grösste Wachstumspotenzial.
«Bei Öl sehe ich nur ein begrenztes Aufwärtspotenzial.»
Wie ist Ihre Haltung gegenüber Kryptowährungen - sind die neuen Geldmittel für Sie tabu?
Wir betreiben Asset Allocation und daher sollte meiner Meinung nach jede Anlage im Kontext dessen betrachtet werden, was sie einem Portfolio bringt. Im Falle von Kryptowährungen denke ich, dass sie noch zu volatil sind, um derzeit attraktive Diversifikationsvorteile zu bieten. Gleichwohl glaube ich, dass die zugrunde liegende Technologie, die Blockchain, das Potenzial hat, viele Branchen zu verändern.
Wechseln wir zum allgemeinen Börsengeschehen: Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
COVID-19 übt weiterhin einen starken Einfluss auf die Märkte aus. Die Ausbreitung der Delta-Variante hat den Enthusiasmus über die wirtschaftliche Erholung gedämpft und beeinflusst damit die Erwartungen hinsichtlich der Inflation und letztlich der Politik der Zentralbanken. Die gute Nachricht ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Rückkehr zu strengen und breit angelegten Lockdowns unwahrscheinlich erscheint. Stattdessen ist mit gezielten Massnahmen zu rechnen, vor allem in Ländern, in denen der Impfprozess nur langsam voranschreitet. All dies dürfte sich weiterhin auf die wirtschaftlichen Aussichten auswirken und damit auch auf die Unterschiede in der Performance der Finanzmärkte.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Aufgrund seiner defensiven Eigenschaften scheint der Schweizer Markt in einem unsicheren Umfeld gut positioniert zu sein. Ich gehe davon aus, dass sich die Schweizer Aktien im europäischen Vergleich kurz- bis mittelfristig gleich oder leicht besser entwickeln werden
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Angesichts der hohen Bewertungen gehe ich davon aus, dass das Gewinnwachstum der Haupttreiber für die Aufwärtsentwicklung der Aktien sein wird. Die Konsenserwartung für den SMI ist, dass die Unternehmen in den nächsten 12 Monaten ein Gewinnwachstum von rund 10% erzielen werden. Dies ist meiner Meinung nach eine gute Basis für die zu erwartende Rendite, auch wenn die Bewertungen leicht schrumpfen könnten, was das Aufwärtspotenzial auf einen mittleren einstelligen Bereich begrenzt.
Julien Lafargue beantwortete die Fragen schriftlich.