Viele Passagiere bei Deutsche Lufthansa sind es inzwischen fast schon gewohnt: Die Maschine kommt nicht. Zuletzt sind wieder zehntausende Passagiere weltweit gestrandet. Grund sind Streiks. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hat vor kurzem wieder einen Arbeitsausstand begonnen, den 13. seit den vergangenen eineinhalb Jahren.
Auch, wenn ein Gericht diesen jetzt stoppte – der Airline gingen erneut Millionen durch die Lappen. Im laufenden Jahr musste das Unternehmen bereits auf 100 Millionen Euro Gewinn verzichten. Man sollte da eigentlich davon ausgehen, dass die Lufthansa-Aktie im Zuge des jüngsten Streiks wieder in Turbulenzen geraten würde. Doch weit gefehlt: Der DAX-Titel (ISIN DE0008232125) stürmte nach oben. Auf Wochensicht weist der Valor ein Plus von knapp einem Zehntel auf. Der Grund dafür liegt beim Lufthansa-CEO Carsten Spohr, der sich kürzlich mit den Investoren etwas versöhnen konnte.
Lufthansa: Trotz Streik – die Geschäfte laufen rund
«Wir hatten den besten Sommer überhaupt», sagte der Manager gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Angesichts der überraschend starken Entwicklung geht der Vorstandsvorsitzende des DAX-Konzerns davon aus, das Jahresziel – bereinigter Gewinn von mehr als 1,5 Milliarden Euro – «komfortabel» erreichen zu können. Dies löste an der Börse einen kleinen Short-Squeeze aus – Börsianer, die auf fallende Kurse gewettet hatten, mussten sich nun schnell eindecken und brachten so den starken Kursauftrieb.
Anleger sollten sich von der Euphorie aber nicht anstecken lassen und weiter auf Sicht fliegen. «Die Reputation der grössten deutschen Fluggesellschaft leidet zunehmend, und hinzu kommt der wachsende finanzielle Schaden», bringt es DZ Bank-Analyst Dirk Schlamp in einer neuen Studie auf den Punkt.
Billigflieger mit Gewinnschub
Der Grund für den letzten Streik bei Lufthansa lag an der Tatsache, dass der Konzern den Ausbau seines Billigflieger-Ablegers Eurowings anstrebt, um Kosten zu sparen. Während die Gewerkschaft dies aufgrund der niedrigeren Löhne verhindern möchte, sieht die Airline einen schnellen Ausbau als überlebenswichtig an, um den Vormarsch der Billigrivalen Ryanair (ISIN IE00B1GKF381) und Easyjet (ISIN GB00B7KR2P84) stoppen zu können. Wie dynamisch es bei den beiden derzeit nach oben geht, lässt sich an den kürzlich erfolgten Anhebungen der Gewinnprognosen ablesen.
Nach Rekord-Passagierzahlen im August erwartet Easyjet nun ein Vorsteuerergebnis zwischen 675 und 700 Millionen Pfund. Zuvor hatte der britische Billigflieger sein Ziel lediglich zwischen 620 und 660 Millionen Pfund veranschlagt. Unter anderem verbesserte die starke Nachfrage nach Strandurlauben die Perspektiven. Erzrivale Ryanair aus Irland bläst in das gleiche Horn: Nach einem starken Sommergeschäft zeigt sich das Management zuversichtlich für das Geschäftsjahr 2015/16 (31. März) und erwartet, dass es zu einem Überschuss von bis zu 1,2 Milliarden Euro kommen wird. Das ist rund ein Viertel mehr als bislang prognostiziert. Im Zuge dieser Aufwärtsrevision ging die Ryanair-Aktie in einen steilen Steigflug über und erreicht Rekordhöhen.
Ryanair – neues Geschäftsmodell
Der charismatische Ryanair-Chef Michael O'Leary gibt zudem im Internet Gas: «Wir wollen Amazon der Reisebranche in Europa werden und Preisvergleiche, günstige Hotelzimmer, herabgesetzte Fussball-Tickets und Konzertkarten anbieten.» Um dies umsetzen zu können, hat Europas grösste Billigfluglinie 200 Programmierer angeheuert. Bis im Herbst dieses Jahres soll der neue Web-Auftritt stehen und die künftigen Einnahmen ankurbeln.
Nicht nur auf den Flugrouten liefern sich die beiden Billig-Airlines Easyjet und Ryanair einen erbitterten Kampf. Auch an der Börse streben beide nach oben. Während auf Sicht von fünf Jahren die Easyjet-Aktie mit einem Zuwachs von 370 Prozent um rund 100 Prozentpunkte vor den Iren liegt, hat Ryanair kurzfristig die Nase vorne. In den vergangenen zwölf Monaten konnte die Gesellschaft ihren Börsenwert nahezu verdoppeln, Easyjet kam hingegen «nur» um knapp 30 Prozent voran.
Easyjet – Gewinnentwicklung bleibt hinter der Bewertung zurück …
Bei den Analysten hat Ryanair derzeit die besseren Karten. Mit einer Konsensnote von 2,0 liegt die Aktie knapp vor dem Konkurrenten mit 2,2. Allerdings verfügen damit beide über das Prädikat «Outperform». Unter Gesichtspunkten des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) ist Ryanair etwas günstiger. Der Durchschnitt der Experten rechnet mit einem Gewinnanstieg im 2016 um 22 Prozent, das KGV liegt hingegen nur bei 14.
Easyjet soll im kommenden Jahr um einen Zehntel wachsen, die Bewertungskennziffer liegt hier jedoch mit zwölf leicht darüber.
Air Berlin – in Lauerstellung
(Noch) keinen Handlungsbedarf sehen wir bei Air Berlin (ISIN GB00B128C026). Die Aktie ist nach wie vor im Seitwärtsflug knapp oberhalb des Penny-Stock-Bereichs, könnte aber schon bald an Schubkraft gewinnen. Dies ist im Wesentlichen davon abhängig, ob das neue Konzept des seit einem halben Jahr amtierenden Unternehmenschefs Stefan Pichler überzeugt. «Das Grunddilemma der strategischen Ausrichtung der Air Berlin werden wir im vierten Quartal angehen», lautet seine Kampfansage. Im zweiten Halbjahr 2016 soll es bei der deutschen Billig-Fluglinie bereits deutlich aufwärtsgehen. Anleger sollten abwarten, den Titel aber unbedingt auf die Watchlist nehmen.