BILANZ: Mister Hult, Sie sind im Februar 71 Jahre alt geworden. Gehen Sie noch gern zur Arbeit?

Bertil Hult: Sehr! Der schwedische Premierminister Fredrik Reinfeldt hat gerade erst gefordert, dass wir bis 75 arbeiten sollen. Ich darf also noch vier Jahre weitermachen.

Sie sind bekannt für rauschende Partys. Wie haben Sie gefeiert?

Den 71. Geburtstag gar nicht, den 70. dafür drei Abende lang, in Shanghai. Wir hatten Entertainer gebucht, die meisten aus China. Die beeindruckendste Gruppe waren die «Tausend Hände»: Gehörlose, die zu Musik tanzen, die sie nicht hören. Das war ergreifend.

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Wenn Sie auf Ihr Lebenswerk EF blicken – wie fühlt sich das an?

(denkt länger nach) Es war eine spannende Reise, den Konzern aufzubauen. Ich durfte mit vielen begabten Leuten zusammenarbeiten. Das hat viel Spass gemacht.

EF steht heute für English First. Sie sind der Englischlehrer der Welt.

Nicht ich, sondern die Firma. Und es gibt viele gute Wettbewerber, etwa in Korea und Japan. Wir sind einfach die Grössten.

Wie viele Schüler hat EF im Lauf der Jahrzehnte betreut?

Wir haben schon eine Zahl, aber wir nennen sie nicht. Die wäre irreführend.

Warum?

Einige kommen für drei Wochen zu uns, einige bleiben ein Jahr oder zwei. Einige lernen online, andere besuchen unsere Schulen. Einige zahlen wenige hundert Dollar, unser teuerstes Programm kostet 50 000 Dollar. Deshalb ist das nicht vergleichbar. Eine Zahl, die ich nennen kann, ist, dass wir zuletzt 16 Millionen Schüler im Jahr hatten.

Das muss sich über die Firmengeschichte zu einer hohen dreistelligen Millionenzahl addieren.

Aber berücksichtigen Sie: Viele davon sind Online-Schüler. Sie buchen online, und wir unterrichten sie online. Persönlich sehen wir sie nie.

Ist Online-Lernen effektiv?

Absolut, auch die Zufriedenheitsrate ist extrem hoch. Die Online-Schule ist ein Phänomen. Man kann eine Sprache sehr viel günstiger lernen als in einer Schule. Klar, man muss diszipliniert sein. Asiaten sind das eher als Europäer und Lateinamerikaner. Wir sehen das an den Zugriffszeiten.

Ist Englisch die Lingua franca der Welt?

Definitiv. Etwa 70 Prozent aller geschriebenen Texte weltweit sind heute in Englisch abgefasst.

Wann begann der Siegeszug des Englischen?

1972 entschieden die Japaner, Englisch als Computersprache zu benutzen. Man konnte nicht Schriftzeichen verwenden, es brauchte ein Alphabet. Japan wählte also das Englische, China zog nach. Das war der Wendepunkt.

Unterrichten Sie auch andere Sprachen als Englisch?

90 Prozent des Umsatzes erwirtschaften wir mit Englischkursen. Der Rest stammt aus nicht sprachlernorientierten Bereichen wie Au-pair und Bildungsreisen. Wir haben zwar in China zwei Schulen, die Chinesisch unterrichten, dazu Schulen für Deutsch, Spanisch, Französisch und Italienisch. Aber alle zusammen machen unter einem Prozent aus.

Ihre Geschäftsführerin Louise Julian hörte 2009 überraschend auf. Was war los?

Das hatte nichts mit dem Geschäft zu tun, sie arbeitete hart und erfolgreich bis zum letzten Tag. Sie war noch Mentorin für meinen Sohn Alex. Ihr Abschied war rein privat motiviert. Sie ging eine neue Partnerschaft ein und entschied sich, ihr Leben zu ändern.

Ihr ältester Sohn, Philip, soll jetzt als Chairman der Gruppe amten.

Ja und nein. Er und Alex, mein zweitältester Sohn, sind Co-CEO. Sie führen verschiedene Teile des Unternehmens, dort sind sie jeweils CEO und Chairman. Philip lebt in London, Alex noch in Boston, aber es gibt Pläne, dass er für ein, zwei Jahre nach Shanghai geht. Der Dritte, Eddie, ist gerade nach Boston gezogen.

Natürlich auch für EF?

Nicht natürlich! Er schaut sich das jetzt ein paar Jahre lang an. Es ist nicht so leicht, mit zwei älteren Brüdern zu arbeiten, die schon lange dabei sind. Philip ist jetzt 20 Jahre bei EF, Alex 12 Jahre. Max, der Vierte, ist nicht im Unternehmen. Er lebt in Stockholm und arbeitet in der Filmbranche.

Ihre Söhne haben also unterschiedliche Begabungen?

Absolut, die Aufteilung hat auch damit zu tun. Philip versteht sehr viel vom Distant Learning. In Shanghai haben wir 500 Leute, in Indien mehr als 600, die nichts anderes machen, als Online-Lernsoftware zu entwickeln.

Das sind sehr viele Leute. Schreibt man eine Sprachlernsoftware nicht nur einmal, und dann steht sie für die Ewigkeit?

Leider nicht (lacht). Das wäre schön! Denken Sie an Spiele: Bei interessanter Software bleibt man länger am Rechner, man möchte das nächste Level erreichen. Und wenn man länger dranbleibt, lernt man mehr. Unser Job ist es also, Programme zu schreiben, die Spass machen. Zudem muss man die Software den verschiedenen Kulturen anpassen. Und es gibt Kurse für unterschiedliche Endgeräte wie Pads und Smartphones. Ein Grossteil unseres Unterrichts in Lateinamerika etwa findet über Smartphones statt. Nein, wir haben Unmengen zu tun.

Worum kümmert sich Alex?

Er ist mehr ein Real Businessman, eher wie ich also (lacht): Er packt zu und schaut, wo wir Geld sparen können oder investieren sollten. Eddie ist der Mathematiker in der Familie. Er analysiert, welche Faktoren zum Erfolg im Business verhelfen.

Und Sie überwachen die drei?

Nein. Wir haben Meetings, mindestens alle drei Monate eines, zusammen mit anderen hochrangigen Managern. Aber ich coache sie nicht mehr, sie passen auf sich selber auf.

Was ist heute Ihre Rolle?

Das Tagesgeschäft gab ich schon 2002 an Louise Julian ab. Mit ihr arbeitete ich wöchentlich, phasenweise täglich zusammen. Meine Söhne haben mittlerweile Louises Rolle und meine eigene übernommen. Nein, ich versuche, die Leute in unseren Büros und Schulen auf der ganzen Welt zu motivieren. Ich glaube, die Firma würde ohne mich genauso gut arbeiten.

EF ist heute auch in schwierigen Ländern wie Iran vertreten. Wie ist es, dort zu geschäften?

Okay (lacht). Die letzten beiden Neugründungen waren kein grosser Erfolg. Zunächst gingen wir nach Libyen, doch dann kam die Arabische Revolution, und wir mussten einige Monate schliessen. Inzwischen haben wir wieder geöffnet. Dann gründeten wir in Iran ein Büro. Womöglich müssen wir wegen der Sanktionen gegen das Land wieder zumachen.

Gibt es in arabischen Ländern Diskussionen, dass EF einen unerwünschten American Way of Life ins Land bringen könnte?

Nicht wirklich. Die meisten Studenten, die mit uns in die USA reisen, kommen aus Saudi-Arabien. Politik war nie ein Thema. Unsere dortigen Schulen sind natürlich getrennt in Frauen- und Männerschulen. Aber das funktioniert gut.

Folgen Sie weiterhin der Empfehlung von Tetra-Pak-Erfinder Ruben Rausing, keine Geschäftszahlen zu nennen?

Absolut. Auch wenn sich Tetra Pak neuerdings nicht mehr daran hält (lacht).

Warum so schweigsam?

Zunächst einmal: Wir sind keine Ikea. Wir sagen nicht, das Unternehmen gehöre uns nicht. Natürlich gehört es uns. Aber wir haben es so strukturiert, dass es schwierig bis unmöglich sein sollte, Umsätze und Gewinne herauszufinden. Weil wir es den Wettbewerbern schwer machen wollten zu erkennen, welches unsere erfolgreichsten Geschäftsfelder sind.

Das scheint geklappt zu haben.

Ich kann keinen einzigen Vorteil für uns darin erkennen, Zahlen zu nennen. Es würde Presseartikel geben – sicher auch negative, etwa in Ländern, wo es verpönt ist, mit Bildung Gewinne zu erzielen. Und wenn ich in einem Land Zahlen nenne, sind sie via Internet sofort auf der ganzen Welt verbreitet.

Welches sind Ihre wichtigsten Märkte von der Grösse her?

Das kann ich sagen: die USA, dann Grossbritannien, weil wir da viele Sprachschulen haben. Punkto Sales, also wo wir Schüler rekrutieren, liegen Japan und China ungefähr gleichauf, dann folgen Indonesien, Brasilien und Russland, alle auch etwa gleich gross, vor Mexiko. Schliesslich die Europäer wie Deutschland und Frankreich.

Wie steht es mit dem Wachstum?

Letztes Jahr wuchsen wir beim Umsatz um 26 Prozent. Für 2012 haben wir uns als Ziel gesetzt, nicht stärker als 20 Prozent zu wachsen, damit wir keine Probleme mit der Qualitätssicherung bekommen. Wenn man mit 26 Prozent wächst, verdoppelt man seine Grösse in etwa drei Jahren. Das ist zu schnell.

In reifen Märkten wie Westeuropa ist Business English seit Jahren ein Wachstumsmarkt. Stimmt das noch?

Ja. Sogar in Norwegen, Schweden, Holland wachsen wir weiter – also dort, wo Englisch als Fremdsprache am besten gesprochen wird. Firmen buchen Englischkurse für ihre Mitarbeitenden. Das wird wohl noch für eine Generation so weitergehen. Die nächste wird dann so gut Englisch sprechen, dass es keinen Englischlernen-Markt mehr für Erwachsene geben wird.

Aber einen für die ganz Kleinen?

Ja. Aber diese Lernprogramme werden eher Spiele sein. Heute muss man noch in die Schule gehen, aber in einigen Jahren werden die Lernspiele so gut sein, dass man es auch zu Hause machen kann. Das entwickelt sich rasant. Wir wollen hier vorne dabei sein.

Sie sagten vor fünf Jahren, EF könnte kleine Teile abstossen, aber auch Akquisitionen tätigen. Hat sich etwas getan?

Wir entschieden, keine Konzernteile zu verkaufen. Wir könnten vielleicht kleine Nischenplayer übernehmen. Aber derzeit sind wir sehr zufrieden, wie es läuft. Auch die Kundenzufriedenheit ist sehr hoch – das ist unser wichtigster Gradmesser. Denn wir verkaufen viel über Mundpropaganda.

Au-pair-Programme, Sprach- und Bildungsreisen, Businessschulen – alles bleibt?

Ja. Nur das Au-pair-Programm passt nicht so gut. Es sind rund 10 000 Au-pairs, die wir betreuen. Das Programm hat keine Synergien mit den anderen Geschäftsbereichen. Wir haben es in Cultural Care Au Pair umbenannt, damit wir es verkaufen könnten. Aber es läuft sehr gut, und es ist unser einziges Programm, das die Teilnehmer nichts kostet. Das wäre ein Grund, es zu behalten.

Welche Pläne stehen an?

Wir überlegen uns, ein Büro in Nigeria aufzumachen. Das scheint uns ein interessanter Markt zu sein, weil dort Englisch gesprochen wird. Entschieden ist dies aber noch nicht.

Ihre Hult Business School liegt weit vorne in den Rankings und wächst rasant.

Wir übernahmen 2005 die Business School von Arthur D. Little in Boston. Sie hatte nur 25 Studenten – aber eine Universitätslizenz, die sehr schwierig zu bekommen ist. Die Idee war: Wir haben MBA-Studenten aus allen Teilen der Welt und können sie ein Jahr lang beobachten, den besten bieten wir dann einen EF-Job an. Später zeigte sich: Die Schule ist nicht nur ein gutes Rekrutierungsinstrument, sondern auch ein gutes Business. Heute ist es die grösste Businessschule. Bald eröffnen wir in New York unseren sechsten Campus.

Sie betreiben viel Charity: mit Projekten Ihrer Business School, aber auch mit anderen Organisationen, etwa der Genfer Mentor Foundation.

Die Aufgabe von Mentor, Kinder vom Drogenkonsum abzuhalten, ist schwierig. Mit privaten Mentoren kann man sich zwar intensiv um einzelne Kinder kümmern, aber leider nicht Hunderttausende erreichen. Wir haben allerdings auch ein Elternprogramm. Auch ich habe das mal angeschaut und
viel gelernt.

Tatsächlich?

Ja, das kann ich jetzt bei meinen Enkelkindern anwenden.

Was denn?

Wir haben unseren Kindern immer gesagt, dass es wichtig sei, dass ihr Zimmer sauber aufgeräumt und das Bett gemacht ist. Ich bin ein bisschen ein Pedant, ich mag es, wenn alles in Ordnung ist. Aber wirklich wichtig sind ganz andere Dinge, etwa dass sie die richtigen Freunde haben. Und dass man keine unnötigen Fights mit seinen Kindern austrägt.

Sie wurden kritisiert, weil Sie der schwedischen Kronprinzessin Victoria und ihrem Mann für die Hochzeitsreise Ihre Yacht zur Verfügung stellten.

Ich wurde von einigen Zeitungen an den Pranger gestellt. Sie wollten, dass ein Gericht die Sache untersucht, aber die Justiz hat das fallen lassen. Tatsächlich waren Victoria und Daniel das fünfte Flitterwochenpaar auf unserem Boot. Wir glauben, dass das ein tolles Geschenk ist – und schenken es Kindern unserer Freunde, wenn sie im Honeymoon sind. Alle genossen es.

Wie läuft das ab?

Wir fliegen das jeweilige Paar zum Boot, dann können sie zwei Wochen dort bleiben und die Zeit auf See und in der Sonne geniessen. Victoria und Daniel sind Kinder von Freunden wie andere auch. Wir hatten auch nach diesen beiden wieder ein Hochzeitspaar an Bord. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass sich jemand an einem solchen Geschenk stören könnte. Schade für das junge Paar, dass einige Zeitungen schrieben, es habe sich um eine Art Bestechung gehandelt. Ich habe keine Ahnung, was ich damit hätte erreichen sollen.

Hilfe beim Eröffnen einer neuen Sprachschule?

(lacht) Na ja. Victorias Mutter Silvia war Patin eines unserer Rennboote, als wir in den neunziger Jahren beim Whitbread Round the World Race teilnahmen. Die Crew war sehr stolz darauf. Unser Geschäft bauen wir auch ganz gut ohne Hilfe aus.

Das Schweizer Bankgeheimnis wird geschleift. Sind Sie selber betroffen?

Ich habe nichts zu verheimlichen, ich lege all meine Einkünfte offen (lacht).

Zahlen Sie Ihre Steuern noch in Schweden?

Nein, hier in Luzern.

Sie haben vermutlich ein Pauschalsteuerabkommen?

Ich habe ein Abkommen, wie wohl sehr viele Ausländer hier. Aber ich kümmere mich nicht selber darum, sondern mein Steuerberater.

EF hat zwei grosse Büros in der Schweiz, in Zürich und Luzern.

In Luzern arbeiten 210 Leute, in Zürich 180. Beide Büros sind voll belegt. Es ist einfacher, Leute nach Zürich zu locken – zumindest Singles. Junge Familien dagegen lieben Luzern. An einem von beiden Standorten müssen wir uns vergrössern. Die Entscheidung wird wohl im Sommer fallen.

Sie könnten längst die Früchte Ihrer Arbeit ernten. Haben Sie vor, nach Schweden zurückzukehren?

Wir wollen bleiben, zumindest auf absehbare Zeit. Ich liebe das Segeln, also möchte ich etwas mehr Zeit auf unserem Boot verbringen. Meine Frau golft sehr gern.

Was für ein Handicap haben Sie?

Ich habe 18, meine Frau zwischen 9 und 13. Sie spielt deutlich besser als ich.

Tetra Pak hat den Konzernsitz in der Schweiz, Ikea-Gründer Kamprad und Sie leben sogar hier. Was lockt so viele schwedische Unternehmer hierher?

Ich kann nur für mich sprechen: Mir gefällt es hier sehr! Ich muss nicht unbedingt in einer Metropole leben. Ich gehe gern ein-, zweimal im Jahr in die Oper, aber dafür kann ich hinreisen. Luzern hat fantastische Restaurants, die Landschaft ist phänomenal, man kann viel in der Natur machen. In der Schweiz fühlt man sich in der Mitte Europas. Und hier funktioniert alles. Der Zug nach Zürich geht auf die Minute genau. Es gibt sehr wenig Kriminalität. Die Schweiz ist einfach ein tolles Land.

Der Sprachlehrer
Der Schwede Bertil Hult, Jahrgang 1941, gründete 1965 in Lund die Europeiska Ferieskolan (EF) und bot Sprachreisen an. Später benannte er das Unternehmen in English First um, das Kürzel blieb. EF, zu 100 Prozent im Familienbesitz, ist der grösste private Bildungskonzern der Welt und beschäftigt 34 000 Mitarbeitende. Hult gewährt BILANZ sein erstes Interview in der Schweiz; er lebt heute mit seiner Frau in Luzern, drei der vier Söhne arbeiten im Unternehmen. Hult fährt gern Ski, seine Frau ist passionierte Golferin. Die Familie ist eng mit dem schwedischen Königshaus befreundet. Das Vermögen beläuft sich nach BILANZ-Schätzung auf über drei Milliarden Franken.