Wie attraktiv ist Biotechnologie als Anlagethema?
Patrick Kissling: Biotechnologie ist seit mehr als zwanzig Jahren ein solides und spannendes Anlagesegment. Es ist dennoch kaum auf dem Radar der Investoren. Das liegt sicher daran, dass es ein komplexes Thema ist. Man kann viel einfacher über Solarenergie diskutieren als über Biotechnologie.
An was spüren Sie das?
Man merkt sowohl in der allgemeinen Marktberichterstattung als auch in Sektorstudien und in Aktienanalysen, dass die Beachtung gering ist. Neben der Komplexität des Themas spielt wohl eine Rolle, dass Biotechnologie oft mit Gentechnologie assoziiert wird, gegen die viele Leute Vorbehalte haben.
Dann wird Biotech als Anlagesegment unterschätzt?
Ja. Es werden zwar oft grosse Pharmaunternehmen wie Roche, Novartis, Merck oder Pfizer in die Portfolios aufgenommen. Aber Biotechnologie hat eine eigene Dynamik. Es gibt die erwähnten grossen Player. Diese sind aber in der frühen, entscheidenden Forschung nicht mehr gross aktiv. Die Innovation kommt vor allem von Small und Mid Caps. Die grossen Pharmafirmen kaufen sich bei diesen kleineren erfolgreichen Firmen ein und integrieren so neue Verbindungen in das bewährte Geschäftsmodell.
Wie verhält sich dieser Biotech-Markt?
Es gibt eine grosse Volatilität. Die Firmen brauchen viel Kapital über eine längere Zeit. Die Entwicklung neuer Produkte kann durchaus sieben bis zehn Jahre in Anspruch nehmen. Viele von ihnen werden nie zu Blockbustern. Das muss finanziert werden können.
Patrick Kissling ist Partner bei der Vermögensverwaltung Riedweg & Hrovat
Wo in der Biotech-Branche ist die Dynamik besonders gross?
Die grösste Dynamik liegt eindeutig bei der Bekämpfung von Krebs. Das ist ein grosser Markt – und entsprechend gibt es hier viele Akteure. Bei vielen Krebsarten konnte die Lebenserwartung wegen neuer Medikamente schon deutlich erhöht werden. Wichtig ist auch die Behandlung von Alzheimer, auch wenn es da in jüngster Zeit Rückschläge gab.
Wie steht es mit seltenen Krankheiten?
Auch hier gibt es viele Innovationen, von denen man nur wenig hört. Es handelt sich oft um Nischen, die jedoch durchaus erfolgreich sein können.
Welche Entwicklungen sind sonst wichtig?
Vor etwa zwanzig Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Daraus haben sich viele neue Möglichkeiten ergeben, Krankheiten zu beheben. Man kann hier wirklich die Ursachen von Krankheiten bekämpfen. Es ist immer noch eine Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der Krankheiten nicht ursächlich behoben werden. Es braucht allerdings Geduld, bis diese Therapien marktreif werden. Stark wahrgenommen werden im Moment natürlich Entwicklungen, um Covid-19 zu bekämpfen.
Soll man sich als Privatanlegerin oder -anleger im Bereich Biotech beteiligen?
Ja, aus unserer Sicht ist eine Beteiligung sehr lohnenswert. Es benötigt sicherlich einen mehrjährigen Anlagehorizont, denn es treten zum Teil grosse Schwankungen auf, die von klinischen Erfolgen abhängen. Aber über die letzten 15 Jahre gesehen hat das investierte Kapital mehr als 10 Prozent Rendite pro Jahr generiert.
Auf was gilt es zu achten?
Wichtig ist, breit diversifiziert zu investieren, weil man schwer abschätzen kann, welche Unternehmen mit welchen Entwicklungen Erfolg haben werden. Es empfiehlt sich, in ETF oder Sektoren-Fonds zu investieren. Stock Picking via Einzelaktien ist dagegen riskant.
Auch abseits der Corona-Forschung: Die Biotech-Branche liefert massgebliche Fortschritte. Für Anleger bieten sich neue Chancen. Lesen Sie hier den ausführlichen Bericht.
Die sogenannte Genschere Crispr/Cas hat für viel Furore gesorgt. Wie steht es hier um Investmentmöglichkeiten?
Es ist eine interessante Technologie, die man im Fokus haben sollte. Es gibt bereits verschiedene Firmen, die sich hier engagieren und teilweise Partnerschaften mit grossen Pharmafirmen eingegangen sind. Man zielt hier wirklich auf die Heilung von Krankheiten ab, nicht auf Symptombehandlung. Es braucht aber Geduld. Erst in fünf bis zehn Jahren wird es breite Anwendungen geben.
Die Riedweg & Hrovat AG ist der Anlageverwalter vom RH&F Global Life Sciences Fund. Was für ein Fonds ist das?
Der Fonds hat einen über zwanzigjährigen Track-Record und ist ein aktiv verwalteter Anlagefonds nach Luxemburger Recht (Ucits). Zusammen mit einem wissenschaftlichen Beirat nutzen wir die Symbiose von Branchenkennerinnen und Finanzspezialisten. Der Beirat eruiert, welche Firmen Potenzial haben. Wir verwalten so 30 bis 35 Titel.