BILANZ: Haben die Terroranschläge in den USA kurz- und mittelfristig Auswirkungen auf die Bondmärkte?
Mónica G. Mastroberardino: Vor den Attacken haben wir eine Konsolidierung der Aktienmärkte beobachtet, denn die Gewinne der Unternehmen waren angeschlagen. Inzwischen gehen wir davon aus, dass sich der Konsum abschwächen wird und geplante Investitionen verschoben werden. Deshalb bleiben die Bondmärkte attraktiver als die Aktienmärkte. Mit einer fallenden Inflationsrate, tieferen Ölpreisen und einer weiteren Abkühlung der Wirtschaft dürften auch die Renditen der Obligationen sinken.
Die konjunkturelle Lage in den USA ist generell schlechter als diejenige in Europa. Der US-Industriesektor steckt seit über einem Jahr in der Rezession. Amerikas Konsumenten sind schon seit geraumer Zeit verunsichert. Durch die Ereignisse vom 11. September hat sich die Lage noch verschärft. Ist das eine Chance für Europa, sich von den USA abzukoppeln?
Die europäischen Aktienmärkte entwickelten sich in diesem Jahr deutlich schwächer als der amerikanische Markt. Und auch die Risikoprämie ist in den USA noch nicht so stark gestiegen wie in Europa. Es wäre zwar denkbar, dass sich die europäischen Aktienmärkte von den USA abkoppeln könnten. Aber letztlich bleibt die alte Grundregel bestehen: Wenn Amerika einen Schnupfen kriegt, bekommen die Europäer die Grippe.
Findet derzeit eine Flucht in sichere Anlagen oder eine Flucht vor risikoreichen Anlagen statt?
Es ist ganz klar eine Flucht in Qualität zu beobachten. Viele Investoren haben in europäische und amerikanische Staatsanleihen umgeschichtet. Damit sind praktisch weltweit die Risikoprämien für Unternehmensanleihen gestiegen. Doch ich hatte mit noch höheren Spreads zwischen Staats- und Unternehmenstiteln gerechnet. Der Markt hat eigentlich sehr rational reagiert. Es kam längst nicht zu solchen Verzerrungen wie in der Russlandkrise 1998.
Eines Ihrer Spezialgebiete ist Osteuropa. Hat sich dieser Raum nach den Terroranschlägen volatiler gezeigt als Euro-Land?
Grundsätzlich nicht, denn die Wirtschaftslage in diesen Ländern hat sich durch die Ereignisse in New York und Washington nicht kurzfristig verändert. Doch haben sich einige grosse Anlagefonds teilweise von ihren Ungarn-Engagements getrennt. Diese Titel sind im Prinzip attraktiv, da sie eine höhere Rendite bieten als normale Euro-Bonds, also die Performance in einem Euro-Portefeuille aufbessern. Gleichzeitig hat der ungarische Obligationenmarkt mit dem Euro-Bond-Markt insofern zu korrelieren begonnen, als man davon ausgeht, dass Ungarn als erstes osteuropäisches Land der EU beitreten wird. Nun hat aber besagte Flucht in Qualität eingesetzt. Und Ungarn zählt eben irgendwie doch noch zu den Emerging Markets, wo die Risiken höher eingeschätzt werden als an den etablierten Bondmärkten.
Konnten Sie markante Umschichtungen von Aktien in den sichereren Hafen der Obligationen beobachten?
Wenn man sich die Aktienkurse und die Zuflüsse in einige Fonds anschaut, müssen Umschichtungen in Obligationen- und Geldmarktfonds stattgefunden haben.
Inwieweit schlagen die verdüsterten Konjunkturaussichten auf die Kreditqualität einzelner Branchen durch?
Es ist zu erwarten, dass sich die Kreditqualität einzelner Branchen verschlechtern wird. In den vergangenen Monaten haben wir ja bereits einige Downgrades erlebt, und weitere Rückstufungen werden erwartet. Die Beurteilung ist allerdings von Branche zu Branche verschieden und hängt letztlich auch mit der Kostenseite der entsprechenden Unternehmen zusammen. Bei konsumnahen Bereichen wie beim Tourismus oder der Automobilindustrie ist eine gewisse Zurückhaltung angesagt. Insbesondere Käuferschichten mit mittleren Einkommen werden jetzt höchstwahrscheinlich in eine Warteposition gehen. Das wird sich in den Absatzzahlen der europäischen Automobilhersteller niederschlagen. Vorsicht ist auch bei der hoch verschuldeten Telekomindustrie geboten. Mancher Verbraucher wird sich beispielsweise sagen, er benötige kein zweites oder drittes Mobiltelefon. Solcherlei schlägt sich nicht nur im Handyabsatz nieder, sondern auch bei den Gebühreneinnahmen.
Sehen Sie denn Chancen, die Konjunktur durch weitere Leitzinssenkungen anzukurbeln?
Das ist sicherlich ein wesentlicher Faktor mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass man bei Zinssenkungen an den Bondmärkten Kapitalgewinne erzielen kann. Dabei scheint mir die Europäische Zentralbank einen etwas grösseren Zinssenkungsspielraum zu haben als die US-Notenbank. Zinssenkungen in Euro-Land könnten auch helfen, den Euro zu stabilisieren. Nur habe ich manchmal den Eindruck, dass die Europäische Zentralbank gar nicht an einem allzu starken Euro interessiert ist, weil dies der europäischen Exportindustrie schaden könnte.
Inzwischen sind auch schon Befürchtungen zu hören, dass es wegen der Überflutung der Finanzmärkte mit Liquidität durch die Notenbanken bald einmal zu einem Inflationsschub kommen könnte.
Wie kann man über Inflation sprechen, wenn die Wirtschaft nicht wächst und der Ölpreis um 22 Dollar pro Barrel liegt? Aus meiner Sicht sollte die Inflationsrate sinken oder sich stabilisieren. Falls nämlich der Ölpreis auf 30 Dollar pro Barrel steigt und dort für einige Zeit verharrt, droht in gewissen Ländern ein Inflationsschub, da der Ölpreis einen gewichtigen Anteil am Konsumentenpreisindex hat.
Für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario eines kräftiger anziehenden Ölpreises?
Man darf es angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage auf der Angebotsseite nicht ganz ausschliessen. Auf der Nachfrageseite ist das Szenario unwahrscheinlich, solange die Weltwirtschaft nicht wächst. Wenn aber die arabischen Ölproduzenten auf Grund kriegerischer Auseinandersetzungen oder innerer Unruhen Lieferschwierigkeiten bekommen, schlägt das unmittelbar auf den Ölpreis durch. Russland würde dann zwar gerne mit Lieferungen – zumal nach Europa – in die Bresche springen. Aber da werden die Kapazitäten für den Öltransport nicht ausreichen, weil das russische Pipelinenetz veraltet ist.
Sie managen den Vontobel Fund – Euro Plus Bond, der mit mindestens zwei Dritteln seines Vermögens in Euro- Obligationen investiert sein muss. Ein Drittel kann in so genannten Konvergenzwährungen angelegt werden, in Valuten von Ländern also, die künftig zur Europäischen Währungsunion stossen. Haben die jüngsten Ereignisse in den USA Auswirkungen auf Ihre Anlagestrategie?
In schwierigen Zeiten haben grosse Investoren wie Anlagefonds grundsätzlich die Tendenz, ihre Engagements in den Konvergenzländern zurückzufahren, weil diese Märkte dann volatiler sind als die etablierten Finanzmärkte. In Erwartung von Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank, welche die osteuropäischen Notenbanken nicht so schnell nachvollziehen würden, habe ich aber schon vor den Ereignissen in New York und Washington den Anteil der in Euro denominierten Bonds auf etwas über 80 Prozent angehoben. Und solange ich noch nicht sehe, wie sich der Markt entwickeln wird, halte ich an einer Übergewichtung des Euro fest. Die jüngsten Terroranschläge haben zu einer ganz speziellen, nicht kalkulierbaren Situation geführt. Die Finanzkrise Russlands beispielsweise war mehr oder weniger absehbar, man konnte gewisse Szenarien durchspielen. Das war jetzt natürlich nicht möglich. Doch die Anleger haben besonnen reagiert. Ich hatte mit erheblichen Rückflüssen von Fondsanteilen gerechnet. Dazu kam es jedoch bislang nicht.
Aber mit der derzeitigen Anlagepolitik können Sie gegenüber reinen Euro-Obligationenfonds doch kaum einen Mehrwert für die Anleger schaffen.
Das ist eine kurzfristig angelegte Strategie. Mittelfristig bin ich immer bestrebt, zwei Drittel im Euro und ein Drittel in Konvergenzwährungen zu halten, da die Renditen in aller Regel etwas höher sind als beim Euro.
Mónica G. Mastroberardino: Vor den Attacken haben wir eine Konsolidierung der Aktienmärkte beobachtet, denn die Gewinne der Unternehmen waren angeschlagen. Inzwischen gehen wir davon aus, dass sich der Konsum abschwächen wird und geplante Investitionen verschoben werden. Deshalb bleiben die Bondmärkte attraktiver als die Aktienmärkte. Mit einer fallenden Inflationsrate, tieferen Ölpreisen und einer weiteren Abkühlung der Wirtschaft dürften auch die Renditen der Obligationen sinken.
Die konjunkturelle Lage in den USA ist generell schlechter als diejenige in Europa. Der US-Industriesektor steckt seit über einem Jahr in der Rezession. Amerikas Konsumenten sind schon seit geraumer Zeit verunsichert. Durch die Ereignisse vom 11. September hat sich die Lage noch verschärft. Ist das eine Chance für Europa, sich von den USA abzukoppeln?
Die europäischen Aktienmärkte entwickelten sich in diesem Jahr deutlich schwächer als der amerikanische Markt. Und auch die Risikoprämie ist in den USA noch nicht so stark gestiegen wie in Europa. Es wäre zwar denkbar, dass sich die europäischen Aktienmärkte von den USA abkoppeln könnten. Aber letztlich bleibt die alte Grundregel bestehen: Wenn Amerika einen Schnupfen kriegt, bekommen die Europäer die Grippe.
Findet derzeit eine Flucht in sichere Anlagen oder eine Flucht vor risikoreichen Anlagen statt?
Es ist ganz klar eine Flucht in Qualität zu beobachten. Viele Investoren haben in europäische und amerikanische Staatsanleihen umgeschichtet. Damit sind praktisch weltweit die Risikoprämien für Unternehmensanleihen gestiegen. Doch ich hatte mit noch höheren Spreads zwischen Staats- und Unternehmenstiteln gerechnet. Der Markt hat eigentlich sehr rational reagiert. Es kam längst nicht zu solchen Verzerrungen wie in der Russlandkrise 1998.
Eines Ihrer Spezialgebiete ist Osteuropa. Hat sich dieser Raum nach den Terroranschlägen volatiler gezeigt als Euro-Land?
Grundsätzlich nicht, denn die Wirtschaftslage in diesen Ländern hat sich durch die Ereignisse in New York und Washington nicht kurzfristig verändert. Doch haben sich einige grosse Anlagefonds teilweise von ihren Ungarn-Engagements getrennt. Diese Titel sind im Prinzip attraktiv, da sie eine höhere Rendite bieten als normale Euro-Bonds, also die Performance in einem Euro-Portefeuille aufbessern. Gleichzeitig hat der ungarische Obligationenmarkt mit dem Euro-Bond-Markt insofern zu korrelieren begonnen, als man davon ausgeht, dass Ungarn als erstes osteuropäisches Land der EU beitreten wird. Nun hat aber besagte Flucht in Qualität eingesetzt. Und Ungarn zählt eben irgendwie doch noch zu den Emerging Markets, wo die Risiken höher eingeschätzt werden als an den etablierten Bondmärkten.
Konnten Sie markante Umschichtungen von Aktien in den sichereren Hafen der Obligationen beobachten?
Wenn man sich die Aktienkurse und die Zuflüsse in einige Fonds anschaut, müssen Umschichtungen in Obligationen- und Geldmarktfonds stattgefunden haben.
Inwieweit schlagen die verdüsterten Konjunkturaussichten auf die Kreditqualität einzelner Branchen durch?
Es ist zu erwarten, dass sich die Kreditqualität einzelner Branchen verschlechtern wird. In den vergangenen Monaten haben wir ja bereits einige Downgrades erlebt, und weitere Rückstufungen werden erwartet. Die Beurteilung ist allerdings von Branche zu Branche verschieden und hängt letztlich auch mit der Kostenseite der entsprechenden Unternehmen zusammen. Bei konsumnahen Bereichen wie beim Tourismus oder der Automobilindustrie ist eine gewisse Zurückhaltung angesagt. Insbesondere Käuferschichten mit mittleren Einkommen werden jetzt höchstwahrscheinlich in eine Warteposition gehen. Das wird sich in den Absatzzahlen der europäischen Automobilhersteller niederschlagen. Vorsicht ist auch bei der hoch verschuldeten Telekomindustrie geboten. Mancher Verbraucher wird sich beispielsweise sagen, er benötige kein zweites oder drittes Mobiltelefon. Solcherlei schlägt sich nicht nur im Handyabsatz nieder, sondern auch bei den Gebühreneinnahmen.
Sehen Sie denn Chancen, die Konjunktur durch weitere Leitzinssenkungen anzukurbeln?
Das ist sicherlich ein wesentlicher Faktor mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass man bei Zinssenkungen an den Bondmärkten Kapitalgewinne erzielen kann. Dabei scheint mir die Europäische Zentralbank einen etwas grösseren Zinssenkungsspielraum zu haben als die US-Notenbank. Zinssenkungen in Euro-Land könnten auch helfen, den Euro zu stabilisieren. Nur habe ich manchmal den Eindruck, dass die Europäische Zentralbank gar nicht an einem allzu starken Euro interessiert ist, weil dies der europäischen Exportindustrie schaden könnte.
Inzwischen sind auch schon Befürchtungen zu hören, dass es wegen der Überflutung der Finanzmärkte mit Liquidität durch die Notenbanken bald einmal zu einem Inflationsschub kommen könnte.
Wie kann man über Inflation sprechen, wenn die Wirtschaft nicht wächst und der Ölpreis um 22 Dollar pro Barrel liegt? Aus meiner Sicht sollte die Inflationsrate sinken oder sich stabilisieren. Falls nämlich der Ölpreis auf 30 Dollar pro Barrel steigt und dort für einige Zeit verharrt, droht in gewissen Ländern ein Inflationsschub, da der Ölpreis einen gewichtigen Anteil am Konsumentenpreisindex hat.
Für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario eines kräftiger anziehenden Ölpreises?
Man darf es angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage auf der Angebotsseite nicht ganz ausschliessen. Auf der Nachfrageseite ist das Szenario unwahrscheinlich, solange die Weltwirtschaft nicht wächst. Wenn aber die arabischen Ölproduzenten auf Grund kriegerischer Auseinandersetzungen oder innerer Unruhen Lieferschwierigkeiten bekommen, schlägt das unmittelbar auf den Ölpreis durch. Russland würde dann zwar gerne mit Lieferungen – zumal nach Europa – in die Bresche springen. Aber da werden die Kapazitäten für den Öltransport nicht ausreichen, weil das russische Pipelinenetz veraltet ist.
Sie managen den Vontobel Fund – Euro Plus Bond, der mit mindestens zwei Dritteln seines Vermögens in Euro- Obligationen investiert sein muss. Ein Drittel kann in so genannten Konvergenzwährungen angelegt werden, in Valuten von Ländern also, die künftig zur Europäischen Währungsunion stossen. Haben die jüngsten Ereignisse in den USA Auswirkungen auf Ihre Anlagestrategie?
In schwierigen Zeiten haben grosse Investoren wie Anlagefonds grundsätzlich die Tendenz, ihre Engagements in den Konvergenzländern zurückzufahren, weil diese Märkte dann volatiler sind als die etablierten Finanzmärkte. In Erwartung von Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank, welche die osteuropäischen Notenbanken nicht so schnell nachvollziehen würden, habe ich aber schon vor den Ereignissen in New York und Washington den Anteil der in Euro denominierten Bonds auf etwas über 80 Prozent angehoben. Und solange ich noch nicht sehe, wie sich der Markt entwickeln wird, halte ich an einer Übergewichtung des Euro fest. Die jüngsten Terroranschläge haben zu einer ganz speziellen, nicht kalkulierbaren Situation geführt. Die Finanzkrise Russlands beispielsweise war mehr oder weniger absehbar, man konnte gewisse Szenarien durchspielen. Das war jetzt natürlich nicht möglich. Doch die Anleger haben besonnen reagiert. Ich hatte mit erheblichen Rückflüssen von Fondsanteilen gerechnet. Dazu kam es jedoch bislang nicht.
Aber mit der derzeitigen Anlagepolitik können Sie gegenüber reinen Euro-Obligationenfonds doch kaum einen Mehrwert für die Anleger schaffen.
Das ist eine kurzfristig angelegte Strategie. Mittelfristig bin ich immer bestrebt, zwei Drittel im Euro und ein Drittel in Konvergenzwährungen zu halten, da die Renditen in aller Regel etwas höher sind als beim Euro.
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