Seit Jahren gilt bei den Anlegern das TINA-Prinzip: «There is no alternative». Oder auf gut deutsch: Aktien, was sonst. Und daran scheint sich auch im kommenden Jahr nicht viel zu ändern.

Sogar der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühling, der zum schlimmsten Wirtschaftseinbruch seit Jahrzehnten geführt hatte, konnte den Bullenmarkt nur vorübergehend stoppen. Inzwischen haben die meisten Aktienindizes die Scharte aus dem Corona-Crash im März wieder ausgewetzt oder stehen gar auf neuen Höchstwerten.

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Dies hat viele Mahner auf den Plan gerufen, die die hohe Bewertung der Börsen anprangern. Doch bisher ist auch jede kleine Korrektur als günstige Einstiegsgelegenheit wahrgenommen worden und der Aufwärtstrend hat sich fortgesetzt.

Konjunktur dürfte anspringen

Dass sich daran etwas ändert, glauben die Anlagefachleute nicht. Denn mit dem Start der Impfkampagnen gegen das Coronavirus hellen sich die Perspektiven für das kommende Jahr deutlich auf. Dank der Impfung können die Menschen wieder auf etwas mehr Normalität hoffen, auch wenn zuletzt das Auftauchen einer virulenteren Variante des Virus in Grossbritannien wieder für etwas mehr Verunsicherung gesorgt hat. Doch wie die Impfstoffhersteller beteuern, sollen ihre Impfstoffe auch gegen diese Mutation wirksam sein.

Zusätzliche Unterstützung kommt von staatlichen Unterstützungsprogrammen in Dimensionen, die bisher unvorstellbar gewesen sind. Zuletzt hat auch der US-Kongress seinen Segen zur Freigabe des langersehnten Konjunkturpakets über 900 Milliarden Dollar gegeben.

Zudem setzen die Zentralbanken die ultralockere Geldpolitik weiter fort. Damit bleiben die Zinsen am Boden und Obligationen mit Null- oder gar negativer Verzinsung fallen als Alternative weiterhin aus. Ausserdem versüssen die Unternehmen ihren Aktionären die Investition mit einer attraktiven Dividende. Davon können die «Zinslipicker» seit Jahren nur noch träumen. Auch dürften den Anlegern weiterhin satte Kursgewinne winken, weil weiterhin viel Geld, nicht zuletzt auch die Beiträge der Arbeitenden für ihre Altersvorsorge, ja irgendwie renditebringend angelegt werden müssen.

Die Qual der Wahl

Doch bei der Auswahl der richtigen Aktien haben die Anleger die Qual der Wahl. Denn nicht alle Branchen, Themen und Regionen dürften von der erwarteten Konjunkturerholung gleich stark profitieren.

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB), die 2021 weltweit mit einem Plus der Aktienmärkte von 8 bis 10 Prozent rechnet, setzt auf konjunktursensitive Sektoren wie Grundstoffe, Industriegüter und den zyklischen Konsum sowie Technologiepapiere. Dabei dürften auch die kleineren und mittelgrossen Technologieunternehmen profitieren, schreibt die ZKB. Dagegen dürften die US-Technologieriesen nach jahrelanger Outperformance 2021 eine Atempause einlegen.

Wegen der starken Gewichtung der Pharmakonzerne Novartis und Roche sowie des Lebensmittelriesen Nestlé sei der Schweizer Aktienmarkt defensiv ausgerichtet und dürfte «nur» um vier Prozent zulegen. Mehr Potenzial sieht die ZKB in der Eurozone, weil dort Zykliker am stärksten gewichtet und die Finanzdienstleister prominent vertreten seien.

Die UBS-Anlagestrategen gehen derweil davon aus, dass die Unternehmensgewinne 2021 wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau klettern werden und rechnen daher mit überdurchschnittlichen Renditen bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen, ausgewählten Finanz- und Energieaktien sowie Industrie- und zyklischen Konsumgüterunternehmen. Dabei erwarten die Experten eine besonders starke Erholung in den Schwellenländern generell und noch deutlicher in der Region Asien.

AXA Investment Managers will zusätzlich zu den europäischen zyklischen Wachstumsaktien auch Value-Aktien beimischen. Die Erholung der Unternehmensgewinne spreche auch für die unterbewerteten Substanztitel.

Bei der St. Galler Kantonalbank stehen der Dollar und die US-Aktien hoch im Kurs. Der Dollar-Markt sei der liquideste Kapitalmarkt, sagt Chefstratege Thomas Stucki. Die US-Aktienmärkte bestimmten ausserdem jeden Tag die Richtung der globalen Aktienmärkte. «Daran wird sich im kommenden Jahr nichts ändern.» Der Schweizer Aktienmarkt überzeuge immerhin mit defensiver Qualität und guten Dividendenaussichten.

Die Anleger sollten dabei auch Megatrends wie Nachhaltigkeit, neue Technologien und gesellschaftliche Veränderungen nicht aus den Augen verlieren. Diese dürften sich über mehrere Jahre auszahlen und stehen bei den meisten Banken weit oben auf der Liste. Die ZKB rät etwa dazu, Klimarisiken gut in die Anlagestrategie mit einzubeziehen. Denn die Klimadebatte werde die Gesellschaft und politische Entscheidungen auch in Zukunft prägen.

Die Credit Suisse schliesslich macht Chancen im Bereich «Infrastruktur» aus, einem ihrer Supertrends, der von den umfangreichen Konjunkturprogrammen profitieren dürfte. Erfolgsversprechend gilt zudem auch hier der Bereich «Technologie». Die Pandemie habe die Nachfrage nach Online-Handel, Cloud-Infrastruktur, Online-Medienkonsum und Dienstleistungen der künstlichen Intelligenz und Homeoffice nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft gesteigert.

Neben Aktien dürfte wegen der tiefen Zinsen ausserdem auch die Nachfrage nach Immobilienanlagen anhalten, heisst es bei der SGKB. Attraktive Cashflows seien bei Immobilienfonds zu erwarten.

Schwarzer Schwan

Doch was könnte diese rosa Szenarien stören? Nach wie vor dürfte wohl die Pandemie das grösste Risiko darstellen. Sollten beispielsweise die Impfungen nicht die erwarteten Erfolge zeigen, wäre das Gift für die Erholung der Wirtschaft und würde an den Märkten für Enttäuschung sorgen.

Auch geopolitische Risiken könnten die Minne stören. Doch Kurseinbrüche kommen meist aus unerwarteter Richtung. Und schwarze Schwäne, wie diese Auslöser auch genannt werden, sind nicht so selten, wie man lange gedacht hat. Dies haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt.

(awp/mlo)