In der Nacht auf Freitag hat Tesla sein neues Offroad-Modell Y präsentiert. Wird der strauchelnde E-Auto-Hersteller seine Probleme meistern?
Tesla ist ein Phänomen der heutigen Zeit. Unvergleichbar treue Investoren gepaart mit einem visionären Produktangebot, das eine veraltete und zudem schädliche Industrie verdrängt, könnte als Märchen der Moderne bezeichnet werden.
Glauben Sie an Märchen?
Wer glaubt an Märchen? Tesla wäre es zu gönnen, würde sich die Generation Y für eine in allen Bereichen überlegene Technologie entscheiden. Das würde die Probleme des EV-Herstellers in Luft auflösen, und diese Chance ist weiterhin gut. Tesla ist für Anleger eine Glaubensfrage – und kein vernünftiges Investment.
Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Die Geduld der Märkte ist vorbildlich, und die Politik kann sich einiges leisten. Ob in Übersee oder jenseits des Ärmelkanals, die Verantwortungslosigkeit der Akteure ist grenzenlos. Der Mensch ist emotional und in seinem Glauben gefangen, die eigene Wahrheit zu vertreten. Das hat Konsequenzen und ist mit hohen Risiken verbunden. Die Märkte scheinen jedoch weiterhin an eine einvernehmliche Lösung zu glauben, sowohl im Handelsstreit als auch in der Brexit-Frage. Aber die Klippe kommt immer näher, und wir steuern mit unverändert hoher Geschwindigkeit auf sie zu.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Aus Risikoüberlegungen kann aus den oben erwähnten Gründen nicht von einem vorteilhaften Umfeld gesprochen werden. Das deutliche Plus des Schweizer Aktienmarktes seit Beginn des Jahres 2019 könnte sich als klassisches Strohfeuer entpuppen. Der Markt ist noch nicht in einen Bärenmarkt gekippt, diese Entwicklung steht jedoch auf Messers Schneide. Die nächsten Monate dürften volatil bleiben, und die Investoren müssen sich auf alles gefasst machen. Das Rückschlagpotenzial ist erheblich. Deshalb halten wir in unseren Portfolios an der defensivsten Positionierung fest.
Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Nach einem gesunden Rückschlag wird sich der SMI erholen und in zwölf Monaten nicht weit vom heutigen Niveau notieren.
Seit zehn Jahren steigen die Kurse an der Wall Street und an der Schweizer Börse fast ununterbrochen. Wird sich der «Bullenmarkt» fortsetzen?
Die Konjunkturabkühlung wird deutlicher ausfallen als heute von vielen Investoren antizipiert. Die Konjunkturschwäche ist jedoch temporär und birgt Bereinigungspotenzial. Die belastenden Faktoren werden sich in den kommenden zwei Jahren abbauen, und die Börsen dürften danach wieder an Fahrt gewinnen.
Die internationale Energieagentur IEA rechnet mit einem weiteren Boom in der US-Ölproduktion. Was würde ein weiterer Ausbau der amerikanischen Schiefergasförderung für den Ölpreis und das Ölkartell Opec bedeuten?
Das Denken der Opec wurde durch neue Vertreter verändert, was den Weg zu einer neuen Optik und Ausrichtung ebnen könnte. Die Ölproduktion erfolgt nun weit kontrollierter als früher, und sie wird preisabhängig gesteuert. Ein weiterer Ausbau der amerikanischen Förderung zeigt sich bereits im deutlichen Preisunterschied zwischen WTI und Brent, führt aber nicht unmittelbar zu tieferen Notierungen, wie das bei einer Erhöhung der Förderquoten der Opec jeweils der Fall war und heute von ihr tunlichst vermieden wird.
China erhält noch mehr Gewicht im bekannten Börsenindex MSCI. Sollten auch Schweizer Anleger in den chinesischen Aktienhandel einsteigen?
Das chinesische Wirtschaftswachstum ist mit einer Rate von sechs Prozent doppelt so stark wie der Durchschnitt der Industriestaaten. Dieses Wachstum und die qualitative Entwicklung der Volkswirtschaft rechtfertigen das höhere Gewicht Chinas in den internationalen Börsenindizes. Das Wirtschaftswachstum wird sich zwar verlangsamen, jedoch weiterhin einzigartig ausfallen. Nicht nur China, sondern praktisch der ganze asiatische Raum ist mit seinen dynamischen und wachsenden Volkswirtschaften grundsätzlich ein Kauf, auch für Schweizer Anleger.