Heute wird Sensirion zum ersten Mal an der Schweizer Börse gehandelt. Mit dem IPO wird das Unternehmen definitiv zum bekannten Namen in der Schweizer Wirtschaft. Fast unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit ist am Zürichsee innert zwanzig Jahren ein führender Hersteller von Sensoren entstanden. Am Sitz in Stäfa fertigen und entwickeln Hunderte von Angestellte ausgeklügelte Messinstrumente – beispielsweise Sensoren, welche den Druck in Gasleitungen oder die Feuchtigkeit in Autos erfassen. Nun platzieren die Firmengründer und der Hauptaktionär die Aktienmehrheit an der Börse.
Wir wollten von zwei Bankexperten wissen, wie sie Sensirion einschätzen. Beide Experten halten viel vom Geschäftsmodell des Zürcher Unternehmens, und loben das Management. Ihr Urteil zum IPO unterscheidet sich dennoch deutlich: Hier sind Ihre Einschätzungen zu den vier wichtigsten Punkten beim Börsengang.
Der Preis
Sensirion möchte pro Titel 36 Franken erhalten, insgesamt bringt das Unternehmen bis zu 58 Prozent der Aktien an die Börse. Falls sich der Kurs in der Mitte der Preisspanne von 28 bis 36 Franken einpendelt, bekommt der Hersteller rund eine halbe Milliarde Franken zusätzliches Kapital.
Das Unternehmen verlangt einen stolzen Preis für seine Titel – in dieser Einschätzung sind sich die beiden Experten einig. Die 36 Franken entsprechen gemäss der Bank Julius Bär dem 3,2-fachen des diesjährigen Umsatzes und das 20-fache des Betriebsgewinns.
«Mit dieser Bewertung ist sehr viel Hoffnung verbunden», sagt Julius-Bär-Experte Michael Studer. Das Unternehmen rechtfertigt den Preis mit dem starken Wachstum, welches es in den nächsten Jahren erreichen will. Studer ist skeptisch, ob Sensirion die ehrgeizigen Ziele auch erfüllen wird. «Die Firma muss das Wachstum aus eigener Kraft steigern können, um den IPO-Preis halten zu können. Die Frage ist, ob Sensirion das tatsächlich gelingen wird.» Anderer Meinung als Bär-Experte Studer ist Tobias Kistler von der St. Galler Kantonalbank. «Die Ziele sind überzeugend», findet Kistler.
Die Ziele
In diesem Jahr will Sensirion den Umsatz um 15 bis 18 Prozent steigern, die Betriebsgewinn-Marge (EBITDA-Marge) soll 18 Prozent betragen. Das hohe Wachstum ist auf die Übernahme des chinesischen Sensorenherstellers AIC zurückzuführen, was Sensirion mehr Umsatz verschaffte. Für die Folgejahre verspricht Sensirion ein Wachstum von 10 bis 15 Prozent und eine Marge von gegen 20 Prozent. Falls Sensirion Unternehmen kauft, soll der Umsatz zusätzlich steigen.
Diese Ziele hält SGKB-Experte Kistler für realistisch. Sensirion will vor allem in seinen wichtigsten Märken Automobil, Medizinaltechnik und Industrie noch weiter zulegen. Schon heute haben die Zürcher in diesen drei Sektoren eine starke Stellung, so wird beispielsweise in jedem dritten Auto ein Sensor vom Zürichsee eingebaut. Mit neuen Produkten wie Messgeräten für Kohlendioxid oder Feinstaub will Sensirion den Marktanteil weiter erhöhen.
Diesen Fokus auf Sensirions Stärken ergebe Sinn, glaubt Kistler. «Das volatile Konsumgeschäft ist nur ein Bonus». Dazu zählt beispielsweise die Aufträge der Google-Schwestergesellschaft Nest, der Sensirion Temperatursensoren liefert, oder Geschäfte mit Handyherstellern: Samsung baute in seine Smartphones zeitweise einen Temperaturmesser von Sensirion ein.
Für Bär-Analyst Studer liegt es hingegen auf der Hand, dass Sensirion genau in diesem schwierigen Konsumgeschäft wachsen muss: In seinen angestammten Märkten werde es für das Unternehmen schwierig, sich nochmals so stark zu steigern. Auch im Konsumgeschäft dürfte sich Sensirion schwertun, so viel Umsatz zu erzielen, glaubt Studer. Der Experte weist zusätzlich auf ein Währungsrisiko hin: Das Unternehmen investiert sehr viel in die Forschung und Entwicklung. Die Kosten dafür fallen grösstenteils in der Schweiz an. Die Verkäufe macht Sensirion aber in Dollar. Dieser Umstand belaste die Marge von Sensirion.
Die Vinkulierung
Sensirion trägt nur Titel bis zu einer Schwelle von fünf Prozent ins Aktienbuch ein. Mit dieser Regel sichern sich die Gründer und andere Grossaktionäre die Kontrolle über das Unternehmen, ihnen gehört insgesamt rund einen Drittel. Sensirion sieht diese sogenannte Vinkulierung als Vorsichtsmassnahme, um sich gegen unerwünschte Übernahmen zu schützen. SGKB-Analyst Kistler hält diese Begründung für nachvollziehbar, und glaubt nicht, dass sich Anleger dadurch abschrecken lassen. «Die Story ist überzeugend genug, dass die Vinkulierung keine wesentliche Rolle spielt.»
Kritischer tönt die Einschätzung von Bär-Analyst Studer. «Das Unternehmen setzt sich damit selber unter Druck. Was passiert, wenn das Unternehmen die Ziele nicht erreicht?» Börseninvestoren hätten keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. «Es fehlt der Kontrollmechanismus», sagt Studer. Wer sich für ein IPO entscheide, müsse auch bereit sein, ein Teil der Kontrolle abzugeben, findet der Bankexperte.
Der Börsenstart
Beide Experten rechnen mit einem starken Börsendebüt von Sensirion. Der Kurs dürften näher bei 36 als 28 Franken zu liegen kommen, sagt SGKB-Experte Kistler. «Die Anleger sind auf der Suche nach solchen Unternehmen, die Wachstum versprechen», so Bär-Analyst Studer. Interessant ist für ihn die Frage, wo der Kurs nächstes Jahr stehen wird: Frühestens 2019 werde sich weisen, ob Sensirion den stolzen Preis auch wert war.