Viele fürchten eine Dominanz Chinas. Dabei ist ein Crash dort viel wahrscheinlicher. Gemäss den China-Experten tolerieren Volk und Wirtschaft die Macht der kommunistischen Partei nur solange sie grosses Wirtschaftswachstum liefert. Dieses entspringt heute nicht einer Politik, die absolut gut ist, sondern der Verbesserung der Politik gegenüber früher. Deshalb erlebt China einen grandiosen Aufholprozess.

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Doch nach allem was wir über Wirtschaftswachstum wissen, schaffen es Staaten ohne gut funktionierende Demokratie und konkurrierende Parteien kaum je, zu den führenden Wirtschaftsnationen aufzuschliessen. Teilweise aufzuholen ist einfach, überholen aber unmöglich, solange man nicht bessere politische Institutionen hat. Und die hat China definitiv nicht.

Stadtstaaten, Flächenstaaten

Der Aufholprozess stoppt umso früher, je weniger Freiheiten herrschen. Die einzigen Ausnahmen sind Singapur und Hongkong. Aber das sind Stadtstaaten. Sogar absolutistische Herrscher regieren Stadtstaaten zumeist ganz vernünftig. Denn bei schlechter Politik sinkt die Bedeutung ihres Stadtstaates innert kürzester Zeit. In Flächenstaaten wie China hingegen sind die Anreize zu guter Politik viel kleiner.

Wohin also steuert China? Demokratisierung untergrübe aller Voraussicht nach die Einheit Chinas. Heute wird China von zwei zentralisierten Organismen dominiert: Partei und Militär. Politiker die Karriere machen wollen, müssen deren Interessen dienen, also auf Einheit Chinas spielen.In einem Mehrparteiensystem hingegen lohnt es sich für Politiker und Parteien, auf stärkere Autonomie ihrer Provinz oder gar Sezession hinzuarbeiten. Die zentrifugalen Kräfte der Demokratie zerreissen grosse Länder, die nicht – wie die USA – recht homogen sind und flächendeckend starke demokratische Institutionen haben. 

Widerstand und Repression

Wenn aber die Regierung die Demokratisierung trotz sinkendem Wirtschaftswachstum nicht zulässt, steigt der Widerstand gegen sie. Die Regierung kann nur mit Repression reagieren. Das bringt Unsicherheit, wodurch die Wirtschaft noch langsamer wächst. In einzelnen Provinzen wird das Einkommen sogar fallen. Dadurch wächst der Anspruch auf Umverteilung. Die reichen Provinzen werden dagegen ankämpfen.

Mit zunehmender Krise folgt Kapitalabfluss, und die Regierung führt Kapitalverkehrskontrollen ein. Das bringt gespaltene Wechselkurse, das heisst einen hohen offiziellen Kurs und einen viel tieferen Schwarzmarktkurs der eigenen Währung. Das aber bietet korrupten Politikern die beste Möglichkeit, den Staat zu plündern. Die Freunde des Regimes tauschen bei der Zentralbank eigenes Geld zum hohen Kurs in Dollars um und wechseln diese auf dem Schwarzmarkt zum tiefen Kurs zurück. Diese Geldpumpe ist praktisch der internationale Standard zur Ruinierung von Krisenländern. Nur eines von vielen Beispielen dafür ist der Crash in Venezuela, dem Land mit den weltweit grössten Erdölreserven.

Für China gibt es wohl nur drei Hoffnungen: 

  • China erfindet eine neue bisher unbekannte Art der Demokratie, die die Einheit nicht bedroht. Auf den ersten Blick könnte die schnell zunehmende Überwachung der Bürger helfen, die Demokratie entsprechend zu lenken. Dagegen spricht aber, dass gerade die enge Überwachung die Demokratisierung zu unterlaufen droht, die Macht der Einheitspartei und des Militärs stärkt und ein riesiges Missbrauchspotential birgt. Somit wird sie die Entwicklung Chinas zu einer erfolgreichen freiheitlichen Gesellschaft nicht fördern, sondern behindern.
  • Der Handelsstreit mit den USA rettet die Macht der kommunistischen Partei. Die Partei kann versuchen, den Wachstumsrückgang nicht dem eigenen System, sondern den USA als Sündenbock in die Schuhe zu schieben. So könnte China wirtschaftlich stagnieren, aber vielleicht trotzdem politisch stabil bleiben.
  • Die Dezentralisierung Chinas und die Sezession einzelner Provinzen als Folge der Demokratisierung könnte friedlich erfolgen. Dann könnten diejenigen Provinzen, die besonders gute institutionelle Lösungen finden, zu den führenden Wirtschaftsnationen aufschliessen. Wiederum gilt: Überholen ist nur möglich mit besseren Institutionen. Wenn aber manche Provinzen wirklich bessere Institutionen finden sollten, dürften sie aber im Westen bald nachgeahmt werden.

Ein Land, wieviele Systeme?

Bei diesem Szenario werden viele Leser denken, die Chinesen würden ein Auseinanderfallen Chinas nicht akzeptieren. Das sehe ich anders. Genau genommen ist China schon heute nicht ein Land. Eine typische Eigenschaft eines Landes ist, dass die Bürger Niederlassungsfreiheit im eigenen Land haben. Aber diese besteht in China wenigstens für Familien nicht. Chinesen sind Meister im Schönreden der Einheit.

Ein demokratisches China würde deshalb wohl nicht offen sichtbar auseinanderfallen, sondern es entwickelte sich vom heutigen Zustand («ein Land – zwei Systeme») zum Staat mit diversen Systemen: «ein Land – viele Systeme». Dann gibt es neben der EU halt auch noch die CHU.