Auf den ersten Blick fördert das neue Rating zur Corporate Governance der 20 grössten Schweizer Firmen im Börsenindex SMI wenig Überraschendes zutage. In der erstmaligen Analyse, die der Zuger Vermögensverwalter zCapital für BILANZ vorgenommen hat, schneidet ihre Corporate Governance (Führung, Transparenz und Kommunikation von Firmen) etwas besser ab als jene der mittelgrossen Firmen im übrigen Gesamtindex SPI Extra. Im Durchschnitt erreichten die Blue-Chip-Unternehmen 69 von 100 möglichen Punkten, die Unternehmen des SPI Extra dagegen nur 64 Punkte. Auch liegen die SMI-Firmen näher beisammen, nämlich zwischen 49 und 84 Punkten, gegenüber einem Spektrum von 35 bis 89 Punkten bei den mittelgrossen Firmen. «SMI-Firmen sind es gewohnt, mit Anlegern und Kapitalmarkt zu kommunizieren», erklärt Mitautorin Jolanda Stadelmann. Bei ihnen sind beispielsweise die wichtigsten Informationen wie Statuten oder Protokolle der Generalversammlungen fast durchwegs frei im Internet zugänglich. Selbstverständlich sind auch Abteilungen für Investor Relations, welche die Beziehungen zu den Investoren pflegen.

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Überraschungen. Zu erwarten war auch, dass die Banken innerhalb des SMI allein schon aufgrund der bankenrechtlichen Vorschriften transparenter sind als die Firmen in andern Branchen. Trotzdem förderte hier das wohl umfassendste Rating dieser Art in der Schweiz mit 55 Kriterien in vier Kategorien (siehe Box auf Seite 72) eine erste Überraschung zutage. Unmittelbar hinter der erstplatzierten Julius Bär folgt mit 80 Punkten die UBS auf dem zweiten Platz. In anderen, früheren Vergleichen schnitt die Grossbank jeweils deutlich schlechter ab. Als etwa die Universität Zürich und die Schweizer Börse 2003 eine Studie zur Corporate Governance publizierten, war die UBS nicht einmal unter den zehn besten Banken aufgeführt. Und noch vor einem Jahr hätte die Bank kaum ein so gutes Ergebnis erzielt. Es war schliesslich der Führungswechsel, der laut Gregor Greber, CEO von zCapital, den Ausschlag zum erfreulichen Resultat gegeben hat.

Weitere Überraschungen ergaben sich aus der Detailanalyse, die dem Rating der Firma zCapital (dem zRating) zugrunde liegt. Zum Beispiel beim Arbeitsvermittler Adecco. Wie aus dem Kleingedruckten des Geschäftsberichts entnommen werden kann, erhält der neue Verwaltungsratspräsident Rolf Dörig ein Jahresgehalt von 1,8 Millionen Franken. Das ist mehr als doppelt so viel, als er bisher als Vizepräsident kriegte und als sein Vorgänger Jürgen Dormann 2008 kassierte. Dörig, zusätzlich Verwaltungsratspräsident bei Versicherer Swiss Life, hat zudem Anspruch auf ein volles Jahresgehalt, müsste er seinen Posten vor 2014 wieder abgeben. Solche Klauseln zum Kontrollwechsel, die normalerweise zur Abwehr einer unerwünschten Übernahme errichtet werden, dienten bloss noch als Selbstschutz der Manager, moniert Greber. Der Verwaltungsratspräsident sei gewählt, nicht angestellt. Deshalb sei eine Abgangsentschädigung nicht gerechtfertigt. Adeccos Pressesprecher Stephan Howeg entgegnet, 2006 und 2007 habe Jürgen Dormann jeweils über zwei Millionen Franken Gehalt bezogen, also deutlich mehr als Rolf Dörig jetzt. Dessen Gehalt für 2009 könne zudem erst mit dem Jahresabschluss für das laufende Jahr bekanntgegeben werden.

Allgemein sind Schutz- und Abwehrmechanismen sowohl bei den SMI- wie auch bei den übrigen SPI-Firmen weit verbreitet. Drei von zehn kennen Stimmrechtsbeschränkungen oder gar intransparente Restriktionen zur Eintragung von Namenaktien. «Aktionäre werden zu oft ungleich behandelt», lautet Grebers Fazit. Einige Firmen haben die Mitwirkungsrechte der Aktionäre faktisch ausgehebelt. So zum Beispiel der Kunststoffhersteller Quadrant, wo sich zurzeit Minderheitsaktionäre gegen ein für sie unvorteilhaftes Übernahmeangebot wehren. Um ein Traktandum an der Generalversammlung verlangen zu können, sind 3,6 Prozent der stimmberechtigten Aktien nötig. Allerdings werden höchstens drei Prozent der Aktien pro Anleger eingetragen und sind damit stimmberechtigt. Wie das kürzlich ebenfalls von zCapital publizierte Rating von 130 mittelgrossen SPI-Firmen ergab, sind bei drei Firmen sogar mehr als 100 Prozent des Aktienkapitals (!) nötig, um ein Traktandum zu verlangen. Solche Absurditäten sind meist die Folge vergessener Statutenanpassungen nach Nennwertrückzahlungen und nicht eine Abwehrmassnahme gegen unerwünschte Investoren.

Sonderfälle. Eher unter die Kategorie Abwehr fallen die hohen Anteile an bedingtem und genehmigtem Aktienkapital. Damit wird dem Verwaltungsrat ein Freibrief eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen das Aktienkapital ohne weiteren Beschluss der Generalversammlung zu erhöhen. Addex Pharmaceuticals und wiederum Quadrant haben mehr als 90 Prozent des gesetzlich limitierten Maximums von 100 Prozent ausgeschöpft.

Ein Sonderfall bildet ferner Synthes. Das SMI-Mitglied genügt in der Corporate Governance nicht einmal allen Vorgaben des Obligationenrechts. Bei dem von Hansjörg Wyss beherrschten Medizinaltechnik-Konzern wird darauf hingewiesen, dass man sich an die Gesetzgebung von Delaware halte – einer Steueroase in den USA – und die Bestimmungen der Schweiz nicht zur Anwendung kämen.

Eine gute Beziehung und Kommunikation zu den Aktionären ist nicht eine Frage der Grösse und der finanziellen Mittel, sondern abhängig von der Firmenkultur. Das zeigen die SPI-Firmen Geberit und Lonza, die mit 89 respektive 88 Punkten vor SMI-Gewinner Julius Bär platziert sind. «Corporate Governance ist für uns zwar nicht die einzige, aber eine wichtige Grundlage dafür, dass wir auch in der Krise erfolgreich sind», kommentiert Roman Sidler, Mediensprecher von Geberit.

Und davon können die Anleger unmittelbar profitieren. Die zehn besten Firmen im zRating der mittelgrossen Unternehmen haben in den letzten drei Jahren eine Performance von 13 Prozent erzielt. Die zehn schlechtesten ein Minus von fast 32 Prozent.