Die Rekordjagd weckt böse Erinnerungen: Seit dem Frühling hat sich der Wert von Bitcoin in etwa verfünffacht, am vergangenen Wochenende war die Kryptowährung mehr als 25'000 Dollar wert – so viel wie noch nie.

Das Auf-und-Ab gehört zu Bitcoin, seit das digitale Geld 2009 lanciert wurde: Nach dem Boom folgte immer ein Crash.

Paypal nimmt Bitcoin an

Die aktuelle Hausse wirkt allerdings doch etwas anders. Immer mehr Banken und Unternehmen investieren in die Kryptowährung oder handeln damit.

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Der Zahlungsdienstleister Paypal beispielsweise bietet seinen Kunden seit November das «Trading» mit der Kryptowährung an. Für Aufsehen sorgt auch kürzlich die Meldung, dass Paul Tudor Jones und Stanley Druckenmiller, zwei der bekanntesten Hedge-Fund-Manager, Bitcoin kauften.

«Bitcoin ist salonfähig geworden», glaubt der Schweizer Blockchain-Experte Daniel Diemers. Er erklärt im Interview mit «HZ» die Gründe für die neue Popularität der Kryptowährung – und sagt, warum er trotz einiger Vorbehalte weiter an die «Erfolgsstory Bitcoin» glaubt.

Immer mehr institutionelle Investoren kaufen Bitcoin. Was steht hinter dieser Entwicklung?
Daniel Diemers: Früher investierten vor allem Leute in Bitcoin, die von der Technik fasziniert waren. Institutionelle Investoren interessieren sich hingegen für Rendite. Und viele darunter haben Bitcoin nun als attraktive Anlageklasse entdeckt.

Ausschlaggebend dafür war ein Meinungsumschwung bei den Regulatoren. Noch vor ein paar Jahren war Bitcoin für die Aufsichtsbehörden toxisch, und Banken mit Banklizenzen durften nichts damit zu tun. Das hat sich dramatisch geändert, nicht zuletzt in den USA. Aber auch bei uns ist Bitcoin salonfähig geworden.
 
Bitcoin wird anders wahrgenommen?
Es gab eine Transformation, ich kann Bitcoins nun bei Banken kaufen und an Börsen handeln. Der Begriff «digitales Gold» umschreibt den neuen Status von Bitcoin am besten. Banken sprechen darauf an. Gold war schon immer gefragt, auch in Krisenzeiten. Und Bitcoin weist ähnliche Eigenschaften auf. Es wird als Wertanlage betrachtet.

Daniel Diemers Bitcoin Krypto

Daniel Diemers ist Blockchain-Experte und Co-Gründer der SNGLR Group, einer Boutiquefirma spezialisiert auf exponentielle Technologien. Daneben ist er Startup Coach bei Innosuisse und sitzt im Verwaltungsrat der InCore Bank.

Quelle: ZVG

«In den letzten Jahren sahen wir Korrekturen um 60 bis 80 Prozent vom Wert. Das ist massiv, und könnte wieder vorkommen.»

Wie wird sich Bitcoin in nächster Zeit entwickeln – folgt nach dem Hoch wieder ein «Crash»?
Ich würde eine Korrektur nie ausschliessen. Richtig etabliert ist Bitcoin seit 2017, wenn man die Volumen betrachtet, die gehandelt werden. Seitdem gab es ja mehrere Korrekturen.

Der Wert erreichte mal 17'000 Dollar, und fiel dann wieder auf 3000 Dollar. Im Juni 2019 stieg Bitcoin erneut auf 13‘000 Dollar, nur um dann bis letzten März wieder auf 4900 Dollar zu sinken. Nun sind wir wieder in einer Hausse. In den letzten Jahren sahen wir Korrekturen um 60 bis 80 Prozent vom Wert. Das ist massiv, und könnte wieder vorkommen.

Institutionelle Käufer betrachten Bitcoin als ganz normale Investition. Und zu irgendeinem Zeitpunkt werden sie die Bitcoin in normale Währungen umwandeln. Wenn einige grosse Investoren ihre Bestände verkaufen, wird dies eine Korrektur auslösen. Bitcoin ist als Anlageklasse noch sehr klein, das ist das Hauptproblem.

Bitcoin Krypto

Die wichtigsten Kryptowährungen: Bitcoin ist mit Abstand die bedeutendste.

Quelle: Statista

Es ist ein noch junger Markt.
Die Marktkapitalisation umfasst lediglich 400 Milliarden Dollar. Und in den letzten Monaten flossen nochmals ungefähr 12 Milliarden Dollar in Bitcoin.

Das entspricht etwa drei Prozent des gesamten Handelsvolumens von Bitcoin – der ohnehin wenig liquide ist. Dass ein solcher Zufluss die Preise nach oben treibt, scheint logisch.
 
Ist diese fehlende Liquidität ein Problem?
Sie ist ein Problem, aber sie lässt sich lösen, ohne das Protokoll hinter Bitcoin ändern zu müssen. Durch die Institutionalisierung des Handels wird Bitcoin liquider. Die Preisfindung geschieht heute sehr informell und steckt noch in den Kinderschuhen.

Es gibt grosse Investoren, die aktiv sind und grosse Deals einfädeln. Nun kommen aber professionelle Anbieter in den Markt. Denn durch die Preisfindung – dem «Matchmaking» – lässt sich Geld verdienen.

Mehr zum Thema

► Entschädigung Bei Bitcoin erhalten die sogenannten Miner eine Entschädigung dafür, dass sie das Netzwerk schützen und unterhalten. Als die Währung 2009 startete, erhielten die Miner alle 10 Minuten 50 Bitcoins, die sie später grösstenteils an den Börsen verkauften. So kamen die Bitcoins überhaupt erst in Umlauf.

► Knappheit 2012 fand das erste Halving statt. Von da an erhielten die Miner nur noch 25 Bitcoins, knapp vier Jahre später nur noch 12,5 – und ab Mai dieses Jahres nun noch 6,25. So gelangen immer weniger neue Bitcoins in Umlauf, bis am Ende im Jahr 2140 alle 21 Millionen Bitcoins verteilt sind (siehe Grafik unten).

► Gebühren Je geringer die Entschädigung aus neu geschaffenen Bitcoins für die Miner ausfällt, desto wichtiger wird für sie eine zweite Einnahmequelle: die Transaktionsgebühren. Heute machen die Gebühren erst rund 3 Prozent dessen aus, was die Miner für ihre Dienste erhalten. Die Tendenz ist steigend.

(Marc Badertscher)

Einen Nachteil von Bitcoin haben Sie bereits erwähnt, die Transaktionskosten sind hoch. Ein anderes Problem ist der Energieverbrauch. Ein nachhaltiges Investment wird Bitcoin nie werden.
Das ist so. Das Design von Bitcoin lässt sich nicht einfach ändern. Die Zahlen sind verrückt – der Stromverbrauch von Bitcoin übersteigt jenem ganzer Länder. Dieser Stromverbrauch wird auch einige institutionelle Anbieter davon abhalten, in Bitcoin zu investieren, weil es nicht mit dem Trend nach Nachhaltigkeit vereinbar ist.

Bitcoin Stromverbrauch

Hoher Energieverschleiss: Bitcoin frisst mehr Strom als die gesamte Schweiz.

Quelle: Statista

Könnte Bitcoin durch neue Kryptowährungen verdrängt werden – beispielsweise durch die von Facebook lancierte Währung Diem?
Das scheint mir wenig wahrscheinlich. Heute gibt es etwa 4000 «Coins und Tokens», die ähnliche Eigenschaften wie Bitcoin aufweisen. Beliebt sind aber nur 30, 40 davon.

Bitcoin ist heute eine Anlage. Facebook verfolgt mit Diem einen anderen Ansatz. Der Konzern will ein Zahlungsmittel schaffen, mit dem man im Ökosystem von Facebook bezahlen kann. Es ist eine andere Anwendung. Das gilt auch für die «Stable Coins», welche Zentralbanken herausgeben.Ich glaube nicht, dass eine Ablösung von Bitcoin bevorsteht.

Andere Kryptowährungen vermeiden einen hohen Stromverbrauch durch neue technische Verfahren. Doch viele Verfechter von Bitcoin halten den hohen Energieverschleiss für unumgänglich, obwohl sie ihn bedauern.
Bitcoin ist eine Erfolgsstory. Das Protokoll, dem Bitcoin zugrunde liegt, wurde noch nie gehackt, und die Blockchain war immer online. Sie ist immer da, und sie funktioniert.

«Bitcoin ist eine Erfolgsstory. Das Protokoll, dem Bitcoin zugrunde liegt, wurde noch nie gehackt, und die Blockchain war immer online.»

Bitcoin wurde in der Vergangenheit mit Kriminalität und Cyberangriffen in Verbindung gebracht. Haben sich diese Probleme entschärft?
Aus dieser Ära kommt auch die Abwehrhaltung gegenüber Bitcoin, als die Kryptowährung mit illegalen Plattformen im Darknet gleichgesetzt wurde.

Wenn man heute als institutioneller Investor mit Bitcoin handelt, ist man den Gesetzen der Finanzwelt unterstellt, beispielsweise gilt die Pflicht, die Kunden zu identifizieren.Wenn sie sich bei einer Kryptobörse anmelden, müssen sie eine Passkopie einreichen. Grössere Beträge lassen sich heute nur auf legalem Weg handeln. Die intransparenten oder kriminellen Transaktionen von früher treten heute nicht mehr auf.
 
Die Szene hat sich verändert. Kraken in San Francisco, einer der ältesten Krypto-Börsen, hat beispielsweise kürzlich eine Banklizenz bekommen. Natürlich wird Bitcoin immer noch für kriminelle Zwecke verwendet. Aber mit normalem Geld ist das auch so.

Und Cyberangriffe – Ist Bitcoin noch immer anfällig für Hacker?
Dieses Problem besteht weiterhin. Von den grössten Kryptobörsen der Welt sind die Mehrheit schon Opfer von Hackern geworden. Es geht um überschaubare Beträge, 20, 50 oder 100 Millionen Dollar – es sind nicht Attacken wie damals bei Mount Gox, die japanische Börse, die an einem Cyberangriff zugrunde ging.

Weil die Börsen so viel Geld verdienen, steckten sie die Verluste weg und zahlten die Kunden aus. Zum Glück hat dies funktioniert. Wenn es um grössere Beträge ginge, wäre das nicht möglich.
 
Sie sehen Handlungsbedarf.
Die Cybersicherheit muss besser werden. Weil Bitcoin digital ist, ist die Versuchung für Cyberkriminelle sehr hoch. Durch die Institutionalisierung des Markts erhöht sich aber auch die Sicherheit.

Neue Akteure wie die Banken bringen mehr Know-how in der IT Security herein. Einige Kryptobörsen träumen von einem IPO. Und wenn Kryptobörsen dereinst an normalen Börsen gehandelt werden, können sie sich nicht erlauben, dass solche Angriffe passieren.