An den internationalen Finanzmärkten nähert sich ein Überlebenskampf dem Ende. Obligationen, oder zumindest rentierende Obligationen, sterben aus. Das geldpolitische Experiment, das die Notenbanken mit nach wie vor völlig offenem Ausgang durchführen, killt eine seit Jahrhunderten erprobte Anlageklasse. Natürliche Auslese sorgt dafür, dass immer die Stärksten oder die am besten Angepassten überleben.
Negativzinsen haben Anleihen zur «endangered species» werden lassen, und Investoren reagieren panisch angesichts ihres Renditezwangs und der nutzlos gewordenen, aber punkto Marktvolumen immer noch bedeutendsten Anlageklasse. Aus marktpsychologischer Sicht sind es zwei klassische Fehlverhalten, sogenannte Biases, welche für die derzeitigen Marktturbulenzen mitverantwortlich sind: der Availability Bias und die Loss Aversion.
Der Availability Bias äussert sich in der Tatsache, dass Marktteilnehmer im Prinzip seit Jahren in einem Negativzinsumfeld agieren, insbesondere Privatanleger sich jedoch der daraus folgenden Konsequenzen nicht bewusst sind und lieber den vergangenen Zeiten sicherer Renditen nachtrauern. Das geschieht nicht ganz freiwillig: Die Anlageportfolios der Pensionskassen und der Banken spiegeln immer noch die in der Finanzwelt der Negativzinsen längst nicht mehr gültige 60/40-Formel: 60 Prozent Obligationen mit – einst – sicheren Zinscoupons, 40 Prozent riskantere Aktien.
Dabei muss es jedem klar sein: Aktien sind angesichts der Negativzinsen alternativlos. Die Zinsen der Anleihen von gestern sind die Dividenden der Aktien von heute – und voraussichtlich auch noch auf Jahre hinaus. Das ist per se kein Schreckensszenario, sind Aktien doch anerkanntermassen die Anlageklasse mit der langfristig besten Rendite.
Verluste muss man aushalten können
Warum also die Turbulenzen an den Aktienmärkten, welche im darwinistischen Selektionskampf die Gewinner sein müssten? Die Ursache liegt im zweiten obengenannten Psychofehler der Anlegermassen: in der Verlustaversion. Sie besagt, dass Investoren lieber einen Verlust vermeiden, als die Chance auf einen Gewinn im selben Ausmass zu packen.
Einer Studie nach haben etwa 18 Prozent aller Investoren 2018 ihre Nerven behalten und sind ihrer Allokation treu geblieben – das sagt alles! Diesen Bias muss ein Investor überwinden, will er in den schwankungsanfälligeren Aktienmärkten mit einer Anlagestrategie langfristig erfolgreich sein. Man muss an der Börse auch Verluste aushalten können, um Gewinne zu erzielen. Es ist nutzlos, in den kommenden Wochen vor den anstehenden Zinsentscheiden der US-Notenbank, der Europäischen Zentralbank und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu zittern.
Auf überschuldete Unternehmen zurückgreifen
Am langfristigen Zinsumfeld wird sich nichts ändern, egal ob die SNB die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich drückt, auf eine noch expansivere Geldpolitik umschwenkt oder wieder einen Mindestkurs einführt. Wer an den Bondmärkten noch halbwegs anständige Renditen erzielen will, muss auf wirtschaftlich fragile Länder, völlig überschuldete Unternehmen oder exotische Zinsprodukte zurückgreifen.
Kann dies eine Alternative zu einem Schweizer Aktienmarkt sein, der eine Fülle von hervorragenden Unternehmen birgt, die eine lange Historie regelmässiger und steigender Dividendenzahlungen aufweisen? Ich denke nicht. Um nochmals Charles Darwin zu bemühen: Anleger sind gezwungen, sich der Welt der Tief- und Negativzinsen anzupassen, sonst werden ihre Vermögensgrundlage und ihre Vorsorgegelder ebenfalls zu «endangered species». Aktien sind im Anlageuniversum derzeit und auf lange Sicht die stärkste Art mit einer Renditequelle. Sie sind schlicht ohne Alternative.
*Mojmir Hlinka ist Eidg. dipl. Finanz- und Anlageexperte. Er leitet die unabhängige Vermögensverwaltung AGFIF International.