Stell dir vor, es gibt Risikokapital, und keiner will es. Kein Witz, sondern Tatsache. Derzeit, schätzt das amerikanische Beratungsunternehmen Venture Economics, liegen allein in den USA 45 Milliarden Dollar an zugesagten Mitteln für Investitionen in junge Wachstumsunternehmen brach. Nicht, dass diese Firmen den Geldsegen verschmähen würden. Im Gegenteil: Nach dem Börsencrash sind viele junge Unternehmen derart geschwächt, dass sie eine Kapitalspritze dringend nötig hätten. Das Problem liegt vielmehr bei den Fonds, die das Geld nicht mehr investieren wollen. Oder zumindest nicht mehr dort, wo sie es bis jetzt investiert (und verloren) haben: in den Dotcoms und Telcos der späten Neunzigerjahre.
Seit dem Börsencrash befindet sich die Risikokapitalbranche im Schockzustand. Auch die Buyout-Fonds, die sich in zumeist rentable Firmen einkaufen, diese restrukturieren und anschliessend wieder verkaufen, spüren die Flaute. Zum ersten Mal seit Jahren schreiben Private-Equity-Anlagen Verluste. Anzeichen einer baldigen Besserung gibt es vorderhand nicht. «Eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen ist zumindest in diesem Jahr nicht absehbar», bedauert Jesse Reyes, Vizepräsident von Venture Economics.
Szenenkenner zeichnen ein düsteres Bild der aktuellen Lage. «Nichts geht mehr», berichtet Bruno Raschle von der Adveq Management (Adveq) in unserem Interview. «Ein derart grausliges Umfeld hat es in dieser Branche noch nie gegeben», meint Urs Wietlisbach von der Zuger Partners Group.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da war die Welt für die Private-Equity-Branche in allerbester Ordnung. In den letzten drei Jahren liess es sich mit Private Equity deutlich mehr verdienen als im langjährigen Durchschnitt. Und weil es so rund lief, schossen die Venture-Capital-Firmen wie Pilze aus dem Boden. Zählte die amerikanische Finanzdatenlieferantin Thomson Financial im Jahr 1999 noch 203 neue Private-Equity-Fonds, waren es in 2000 schon 224. Immer mehr Geld floss in diese alternative Anlageart – im letzten Jahr allein an die 100 Milliarden in Wagniskapital, ein absoluter Rekord.
Beinahe täglich brachten Venture-Capital-Fonds junge unprofitable Technologiefirmen mit horrenden Gewinnen an die Börsen oder kauften sich Buyout-Fonds in etablierte Familienfirmen ein, die sie restrukturierten und/oder fusionierten, um sie anschliessend zu verkaufen. Nie lief das Geschäft besser. Von «Traumrenditen» schwärmte die Wirtschaftszeitung «Cash» im April 2000, «hohe Rendite, tiefes Risiko» titelte das Nachrichtenmagazin «Facts», geblendet von den sagenhaften Gewinnen, die sich über sämtliche Gesetze der Finanzmathematik hinwegsetzten.
Venture heisst auch Risiko
Spätestens seit das Geschäft mit den Börsengängen kollabiert ist, dümpeln Abertausende maroder Internet- und Telekommunikationsfirmen, die während der Glanzzeiten der New Economy mit Blick auf einen schnellen Exit eingekauft worden sind, in den Portfolios der Venture-Fonds vor sich hin. So etwas paralysiert. «Die Fondsmanager sind jetzt viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Bücher in Ordnung zu bringen», berichtet David Salim, Chief Executive Officer der Swiss Life Private Equity Partners.
Wie viele Schrott-Beteiligungen derzeit im Topf der Risikokapitalisten tatsächlich liegen, lässt sich indes nur schwer ermitteln. Die Branche ist alles andere als transparent.
Private-Equity-Fonds sind meist in so genannten Limited Partnerships organisiert, die keinerlei staatlicher Aufsicht unterliegen. Beteiligt sich ein Financier an einer solchen Partnership, tut er dies auf reiner Vertrauensbasis. In welchen Firmen er investiert, erfährt der Financier erst, nachdem der Fondsmanager die Auswahl getroffen hat. «Unsere einzigen Anhaltspunkte bei der Auswahl eines Fonds sind die Art und die Fokussierung der Fonds – zum Beispiel Venture-Capital oder Buyout, Technologie oder Biotech –, die Namen der Persönlichkeiten, welche die Investments aussuchen, und frühere Deals», erzählt Hans Markvoort, Manager der Zuger Beteiligungsgesellschaft Castle Private Equity.
Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit konnten die Fondsmanager während des Börsenhypes so allerlei Ramsch einsammeln. Was sich in den Boomjahren als Hightech-Fund verkaufte, unterstützte mitunter schon mal einen chinesischen Take-away-Laden an der 40. Strasse in Phoenix oder einen texanischen Onlinehändler für Gartengeräte. Selbst Hightechinvestitionen, die diesen Namen verdienten, waren nicht immer das Gelbe vom Ei. So konnten sich von den zwölf Technologiefirmen, die von Fonds der Beteiligungsgesellschaft Castle Private Equity 1999 und 2000 an die Börse gebracht worden sind, nur gerade drei in der Folge am Markt behaupten. Der Rest, darunter so prominente Namen wie Fantastic, Inktomi, I:FAO und CacheFlow, kursiert heute unter dem wenig schmeichelhaften Label «Pennystocks». «Von tausend Projekten waren früher vielleicht nur gerade zehn gut», analysiert Private-Equity-Spezialist Salim.
Millionen-Verluste statt Gewinnen Vergriffen haben sich in der jüngsten Vergangenheit auch die Buyout-Fonds. Weil sie vorwiegend in etablierte, profitable Unternehmen investieren, haben sie lange Zeit als «sicher» gegolten. Doch der Börsenboom liess auch hier die Preise in die Höhe schnellen. Vieles, was die Buyout-Fonds so in den letzten zwei, drei Jahren für teures Geld eingekauft haben, lässt sich heute nur noch selten mit Gewinn abstossen.
Als sich beispielsweise die US-Buyout-Firma Clayton, Dubilier & Rice Ende 1999 zusammen mit dem deutschen Allianz-Konzern für 1,2 Milliarden Dollar bei Fairchild Dornier einkaufte, waren die Auftragsbücher des amerikanischen Flugzeugbauers randvoll und die Aussichten auf zweistellige Wachstumsraten intakt. Heute, nach dem Zusammenbruch des Flugzeugmarktes, ist plötzlich nichts mehr sicher. Der Flugzeughersteller Boeing wird auf absehbare Zeit laut eigenen Aussagen rund 1000 Maschinen weniger ausliefern. «Wollte man Fairchild heute verkaufen, müsste man gerade mal 25 Prozent vom Kaufpreis abziehen», sagt ein Buyout-Experte. Geht eine Firma gar Pleite, gibt es statt schöner Gewinne Instant-Millionenverluste. So mussten sich die Buyout-Giganten Kohlberg Kravis Roberts und Hicks Muse Tate & Furst beim Konkurs von Regal Cinemas in den USA jüngst Hunderte von Millionen Dollar ans Bein streichen.
Nicht immer ist die Situation so eindeutig wie im Fall von Regal Cinemas. «Bei der Bewertung noch existierender Firmen gibt es einen sehr grossen Ermessensspielraum», sagt Colin Winter, Revisor bei PricewaterhouseCoopers in Zürich. Wie viel die milliardenschweren und teuer erkauften Private-Equity-Investitionen der Jahre 1998 bis 2000 heute noch wirklich wert sind, kann derzeit keiner mit Sicherheit sagen, weder die Fondsmanager noch die Financiers, noch die Buchprüfer. Gesetzliche Vorschriften, wie ein solches Private-Equity-Investment zu bewerten wäre, gibt es keine. Stattdessen befolgt die Branche Richtlinien der Verbände. So empfiehlt der Verband der Europäischen Venture-Kapitalisten EVCA («private equity is art – not science») unter anderem, dass unkotierte Firmen zu Preisen der letzten Finanzierungsrunde bewertet werden. Während der Boomjahre war diese Regel Gold wert. «Eigentlich weiss ja niemand, wie ein privates Investment zu bewerten ist. Aber dank der guten Börsenstimmung und der regen Nachfrage konnten wir die Firmen damals bedenkenlos aufwerten», erzählt ein US-Fondsmanager. Damit aus einem wertlosen Dotcom eine millionenschwere Firma entstand, reichten häufig schon zwei, drei kleinere Finanzierungsrunden. Wichtig dabei war nur, dass bei jeder Runde höhere Preise bezahlt wurden.
Im Laufe der Jahre wurden so immer höhere Buchgewinne generiert: Bei der Private Equity Holding summierten sich die unrealisierten Aufschreibungen zuletzt auf rund 400 Millionen Franken oder 28 Prozent der bezahlten Gesamtinvestitionen, bei der Castle Private Equity auf rund 220 Millionen Franken (135 Millionen Dollar) oder 27 Prozent.
Damit ist jetzt aber erst mal Schluss. Statt schöner Aufwertungen gibt es jetzt hässliche Abschreiber. Doch die Venture-Kapitalisten mauern. Sie verzichten jetzt lieber auf weitere Finanzierungsrunden, um einem drohenden Abschreiber von 90 Prozent aus dem Weg zu gehen. «Wenn Sie heute Aktien einer Internetmedienfirma kaufen, dann sicher nicht mehr zu fünf Dollar das Stück wie bei der letzten Finanzierung während des Börsenbooms, sondern höchstens noch zu 50 Cents», sagt ein Fondsmanager.
Finanziert wird deshalb nur noch, was verhältnismässig wenig Risiko birgt oder auf einen sehr langen Zeithorizont ausgerichtet ist. «Der Trend läuft jetzt hin zu sehr jungen Firmen oder zu Gesellschaften, die schon Gewinn machen oder bald Gewinne machen werden. Firmen, die pro Jahr 20 bis 40 Millionen an Eigenkapital vernichten, aber erst in drei bis vier Jahren Gewinne schreiben wollen, haben kaum noch Chancen», erzählt David Salim von Swiss Life Equity Partners. Damit werden die Venture-Fonds nun plötzlich zu den Totengräbern der einst von ihnen so intensiv gehätschelten Babys.
Die Financiers stochern selber im Nebel. Wenn Beteiligungsgesellschaften wie Castle und Private Equity den Geschäftsabschluss für das dritte Quartal per Ende September vorbereiten, müssen sie auf Fondsberichte zurückgreifen, die von Ende Juni, vereinzelt sogar von Ende März stammen. Wie um Himmels willen sollen sie da ihren Aktionären ein «tatsächliches Bild der aktuellen Bewertungslage» liefern?
Drei Monate Zeitunterschied können für die Bewertung einer einzelnen Investition von entscheidender Bedeutung sein. Zum Beispiel dann, wenn die globale Wirtschaft auf Grund eines ausserordentlichen Ereignisses plötzlich in eine Rezession abzugleiten droht, die Nachfrage nach Mobiltelefonen, Computern und Internetdienstleistungen unerwartet stark einbricht und Tausende von Dotcoms und Telcos ihre Budgets nicht einhalten können.
In solchen Fällen rät der EVCA, die Firmen schrittweise um jeweils 25 Prozent abzuwerten. Ist beispielsweise die Anschlussfinanzierung eines Unternehmens in Frage gestellt, schreibt der Fondsmanager erst mal 25 Prozent ab, bei einer absehbaren Zahlungsunfähigkeit müssen 75 Prozent weg.
Grosser Abschreibungsbedarf
Den Buchprüfern geht das zu wenig weit. Sie fordern «faire» Marktwerte und kritisieren, dass schwache Investments wegen der 25-Prozent-Schritt-Regelung viel zu langsam abgeschrieben würden. Würde die Mark-to-Market-Regel auch auf Private Equity angewandt, müssten Dotcoms und Telcos analog zur Entwicklung an den Börsen um 80 bis 90 Prozent wertberichtigt werden.
Die Realität sieht allerdings anders aus. So haben beispielsweise die von Castle finanzierten Fonds im ersten Halbjahr 2001 auf ihren bezahlten Risikokapitalpositionen in der Höhe von rund 250 Millionen Dollar nur gerade 63 Millionen abgeschrieben, was just den vom Branchenverband empfohlenen 25 Prozent entspricht. Vergleichsweise drakonisch vorgegangen ist die Swiss Life bei Private Equity Partners. Hier wurden die Bewertungsexzesse der Vergangenheit korrigiert und 500 Millionen Franken oder 34 Prozent der (bezahlten) Gesamtinvestitionen abgeschrieben.
Private Equity und Castle streiten nicht ab, dass zusätzlicher Abschreibungsbedarf besteht. Über das Ausmass schweigen sie sich allerdings aus. «Bis jetzt haben wir immer die Bewertungen der Fondsmanager übernommen. Aber gegen Jahresende hin werden wir uns das genauer ansehen», verspricht Castle-Boss Hans Markvoort. Liegt die letzte Finanzierungsrunde mehr als ein Jahr zurück, will Markvoort das Investment zu Anschaffungskosten verbuchen oder möglicherweise sogar ganz abschreiben.
Die Aktionäre haben die Rechnung allerdings längst gemacht. Die Aktien von Castle und Private Equity Holding notieren jetzt um 30 respektive 63 Prozent unter dem vom Management eruierten inneren Wert.
Seit dem Börsencrash befindet sich die Risikokapitalbranche im Schockzustand. Auch die Buyout-Fonds, die sich in zumeist rentable Firmen einkaufen, diese restrukturieren und anschliessend wieder verkaufen, spüren die Flaute. Zum ersten Mal seit Jahren schreiben Private-Equity-Anlagen Verluste. Anzeichen einer baldigen Besserung gibt es vorderhand nicht. «Eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen ist zumindest in diesem Jahr nicht absehbar», bedauert Jesse Reyes, Vizepräsident von Venture Economics.
Szenenkenner zeichnen ein düsteres Bild der aktuellen Lage. «Nichts geht mehr», berichtet Bruno Raschle von der Adveq Management (Adveq) in unserem Interview. «Ein derart grausliges Umfeld hat es in dieser Branche noch nie gegeben», meint Urs Wietlisbach von der Zuger Partners Group.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da war die Welt für die Private-Equity-Branche in allerbester Ordnung. In den letzten drei Jahren liess es sich mit Private Equity deutlich mehr verdienen als im langjährigen Durchschnitt. Und weil es so rund lief, schossen die Venture-Capital-Firmen wie Pilze aus dem Boden. Zählte die amerikanische Finanzdatenlieferantin Thomson Financial im Jahr 1999 noch 203 neue Private-Equity-Fonds, waren es in 2000 schon 224. Immer mehr Geld floss in diese alternative Anlageart – im letzten Jahr allein an die 100 Milliarden in Wagniskapital, ein absoluter Rekord.
Beinahe täglich brachten Venture-Capital-Fonds junge unprofitable Technologiefirmen mit horrenden Gewinnen an die Börsen oder kauften sich Buyout-Fonds in etablierte Familienfirmen ein, die sie restrukturierten und/oder fusionierten, um sie anschliessend zu verkaufen. Nie lief das Geschäft besser. Von «Traumrenditen» schwärmte die Wirtschaftszeitung «Cash» im April 2000, «hohe Rendite, tiefes Risiko» titelte das Nachrichtenmagazin «Facts», geblendet von den sagenhaften Gewinnen, die sich über sämtliche Gesetze der Finanzmathematik hinwegsetzten.
Venture heisst auch Risiko
Spätestens seit das Geschäft mit den Börsengängen kollabiert ist, dümpeln Abertausende maroder Internet- und Telekommunikationsfirmen, die während der Glanzzeiten der New Economy mit Blick auf einen schnellen Exit eingekauft worden sind, in den Portfolios der Venture-Fonds vor sich hin. So etwas paralysiert. «Die Fondsmanager sind jetzt viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Bücher in Ordnung zu bringen», berichtet David Salim, Chief Executive Officer der Swiss Life Private Equity Partners.
Wie viele Schrott-Beteiligungen derzeit im Topf der Risikokapitalisten tatsächlich liegen, lässt sich indes nur schwer ermitteln. Die Branche ist alles andere als transparent.
Private-Equity-Fonds sind meist in so genannten Limited Partnerships organisiert, die keinerlei staatlicher Aufsicht unterliegen. Beteiligt sich ein Financier an einer solchen Partnership, tut er dies auf reiner Vertrauensbasis. In welchen Firmen er investiert, erfährt der Financier erst, nachdem der Fondsmanager die Auswahl getroffen hat. «Unsere einzigen Anhaltspunkte bei der Auswahl eines Fonds sind die Art und die Fokussierung der Fonds – zum Beispiel Venture-Capital oder Buyout, Technologie oder Biotech –, die Namen der Persönlichkeiten, welche die Investments aussuchen, und frühere Deals», erzählt Hans Markvoort, Manager der Zuger Beteiligungsgesellschaft Castle Private Equity.
Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit konnten die Fondsmanager während des Börsenhypes so allerlei Ramsch einsammeln. Was sich in den Boomjahren als Hightech-Fund verkaufte, unterstützte mitunter schon mal einen chinesischen Take-away-Laden an der 40. Strasse in Phoenix oder einen texanischen Onlinehändler für Gartengeräte. Selbst Hightechinvestitionen, die diesen Namen verdienten, waren nicht immer das Gelbe vom Ei. So konnten sich von den zwölf Technologiefirmen, die von Fonds der Beteiligungsgesellschaft Castle Private Equity 1999 und 2000 an die Börse gebracht worden sind, nur gerade drei in der Folge am Markt behaupten. Der Rest, darunter so prominente Namen wie Fantastic, Inktomi, I:FAO und CacheFlow, kursiert heute unter dem wenig schmeichelhaften Label «Pennystocks». «Von tausend Projekten waren früher vielleicht nur gerade zehn gut», analysiert Private-Equity-Spezialist Salim.
Millionen-Verluste statt Gewinnen Vergriffen haben sich in der jüngsten Vergangenheit auch die Buyout-Fonds. Weil sie vorwiegend in etablierte, profitable Unternehmen investieren, haben sie lange Zeit als «sicher» gegolten. Doch der Börsenboom liess auch hier die Preise in die Höhe schnellen. Vieles, was die Buyout-Fonds so in den letzten zwei, drei Jahren für teures Geld eingekauft haben, lässt sich heute nur noch selten mit Gewinn abstossen.
Als sich beispielsweise die US-Buyout-Firma Clayton, Dubilier & Rice Ende 1999 zusammen mit dem deutschen Allianz-Konzern für 1,2 Milliarden Dollar bei Fairchild Dornier einkaufte, waren die Auftragsbücher des amerikanischen Flugzeugbauers randvoll und die Aussichten auf zweistellige Wachstumsraten intakt. Heute, nach dem Zusammenbruch des Flugzeugmarktes, ist plötzlich nichts mehr sicher. Der Flugzeughersteller Boeing wird auf absehbare Zeit laut eigenen Aussagen rund 1000 Maschinen weniger ausliefern. «Wollte man Fairchild heute verkaufen, müsste man gerade mal 25 Prozent vom Kaufpreis abziehen», sagt ein Buyout-Experte. Geht eine Firma gar Pleite, gibt es statt schöner Gewinne Instant-Millionenverluste. So mussten sich die Buyout-Giganten Kohlberg Kravis Roberts und Hicks Muse Tate & Furst beim Konkurs von Regal Cinemas in den USA jüngst Hunderte von Millionen Dollar ans Bein streichen.
Nicht immer ist die Situation so eindeutig wie im Fall von Regal Cinemas. «Bei der Bewertung noch existierender Firmen gibt es einen sehr grossen Ermessensspielraum», sagt Colin Winter, Revisor bei PricewaterhouseCoopers in Zürich. Wie viel die milliardenschweren und teuer erkauften Private-Equity-Investitionen der Jahre 1998 bis 2000 heute noch wirklich wert sind, kann derzeit keiner mit Sicherheit sagen, weder die Fondsmanager noch die Financiers, noch die Buchprüfer. Gesetzliche Vorschriften, wie ein solches Private-Equity-Investment zu bewerten wäre, gibt es keine. Stattdessen befolgt die Branche Richtlinien der Verbände. So empfiehlt der Verband der Europäischen Venture-Kapitalisten EVCA («private equity is art – not science») unter anderem, dass unkotierte Firmen zu Preisen der letzten Finanzierungsrunde bewertet werden. Während der Boomjahre war diese Regel Gold wert. «Eigentlich weiss ja niemand, wie ein privates Investment zu bewerten ist. Aber dank der guten Börsenstimmung und der regen Nachfrage konnten wir die Firmen damals bedenkenlos aufwerten», erzählt ein US-Fondsmanager. Damit aus einem wertlosen Dotcom eine millionenschwere Firma entstand, reichten häufig schon zwei, drei kleinere Finanzierungsrunden. Wichtig dabei war nur, dass bei jeder Runde höhere Preise bezahlt wurden.
Im Laufe der Jahre wurden so immer höhere Buchgewinne generiert: Bei der Private Equity Holding summierten sich die unrealisierten Aufschreibungen zuletzt auf rund 400 Millionen Franken oder 28 Prozent der bezahlten Gesamtinvestitionen, bei der Castle Private Equity auf rund 220 Millionen Franken (135 Millionen Dollar) oder 27 Prozent.
Damit ist jetzt aber erst mal Schluss. Statt schöner Aufwertungen gibt es jetzt hässliche Abschreiber. Doch die Venture-Kapitalisten mauern. Sie verzichten jetzt lieber auf weitere Finanzierungsrunden, um einem drohenden Abschreiber von 90 Prozent aus dem Weg zu gehen. «Wenn Sie heute Aktien einer Internetmedienfirma kaufen, dann sicher nicht mehr zu fünf Dollar das Stück wie bei der letzten Finanzierung während des Börsenbooms, sondern höchstens noch zu 50 Cents», sagt ein Fondsmanager.
Finanziert wird deshalb nur noch, was verhältnismässig wenig Risiko birgt oder auf einen sehr langen Zeithorizont ausgerichtet ist. «Der Trend läuft jetzt hin zu sehr jungen Firmen oder zu Gesellschaften, die schon Gewinn machen oder bald Gewinne machen werden. Firmen, die pro Jahr 20 bis 40 Millionen an Eigenkapital vernichten, aber erst in drei bis vier Jahren Gewinne schreiben wollen, haben kaum noch Chancen», erzählt David Salim von Swiss Life Equity Partners. Damit werden die Venture-Fonds nun plötzlich zu den Totengräbern der einst von ihnen so intensiv gehätschelten Babys.
Die Financiers stochern selber im Nebel. Wenn Beteiligungsgesellschaften wie Castle und Private Equity den Geschäftsabschluss für das dritte Quartal per Ende September vorbereiten, müssen sie auf Fondsberichte zurückgreifen, die von Ende Juni, vereinzelt sogar von Ende März stammen. Wie um Himmels willen sollen sie da ihren Aktionären ein «tatsächliches Bild der aktuellen Bewertungslage» liefern?
Drei Monate Zeitunterschied können für die Bewertung einer einzelnen Investition von entscheidender Bedeutung sein. Zum Beispiel dann, wenn die globale Wirtschaft auf Grund eines ausserordentlichen Ereignisses plötzlich in eine Rezession abzugleiten droht, die Nachfrage nach Mobiltelefonen, Computern und Internetdienstleistungen unerwartet stark einbricht und Tausende von Dotcoms und Telcos ihre Budgets nicht einhalten können.
In solchen Fällen rät der EVCA, die Firmen schrittweise um jeweils 25 Prozent abzuwerten. Ist beispielsweise die Anschlussfinanzierung eines Unternehmens in Frage gestellt, schreibt der Fondsmanager erst mal 25 Prozent ab, bei einer absehbaren Zahlungsunfähigkeit müssen 75 Prozent weg.
Grosser Abschreibungsbedarf
Den Buchprüfern geht das zu wenig weit. Sie fordern «faire» Marktwerte und kritisieren, dass schwache Investments wegen der 25-Prozent-Schritt-Regelung viel zu langsam abgeschrieben würden. Würde die Mark-to-Market-Regel auch auf Private Equity angewandt, müssten Dotcoms und Telcos analog zur Entwicklung an den Börsen um 80 bis 90 Prozent wertberichtigt werden.
Die Realität sieht allerdings anders aus. So haben beispielsweise die von Castle finanzierten Fonds im ersten Halbjahr 2001 auf ihren bezahlten Risikokapitalpositionen in der Höhe von rund 250 Millionen Dollar nur gerade 63 Millionen abgeschrieben, was just den vom Branchenverband empfohlenen 25 Prozent entspricht. Vergleichsweise drakonisch vorgegangen ist die Swiss Life bei Private Equity Partners. Hier wurden die Bewertungsexzesse der Vergangenheit korrigiert und 500 Millionen Franken oder 34 Prozent der (bezahlten) Gesamtinvestitionen abgeschrieben.
Private Equity und Castle streiten nicht ab, dass zusätzlicher Abschreibungsbedarf besteht. Über das Ausmass schweigen sie sich allerdings aus. «Bis jetzt haben wir immer die Bewertungen der Fondsmanager übernommen. Aber gegen Jahresende hin werden wir uns das genauer ansehen», verspricht Castle-Boss Hans Markvoort. Liegt die letzte Finanzierungsrunde mehr als ein Jahr zurück, will Markvoort das Investment zu Anschaffungskosten verbuchen oder möglicherweise sogar ganz abschreiben.
Die Aktionäre haben die Rechnung allerdings längst gemacht. Die Aktien von Castle und Private Equity Holding notieren jetzt um 30 respektive 63 Prozent unter dem vom Management eruierten inneren Wert.
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