Das derzeitige Modell der Gesundheitssysteme ist reaktiv und ineffizient, statt vorausschauend und präventiv und kommt erst dann zum Zug, wenn Dinge schlecht laufen. Die Ärzte geraten dadurch immer wieder in die Defensive und müssen sich einem Wettlauf gegen die Zeit stellen, um die Gesundheit der Patienten wiederherzustellen.

Julia Angeles ist Investmentmanagerin von Baillie Gifford.

Dennoch gibt es zwei Gründe für Optimismus, was die Zukunft des Gesundheitswesens und der Gesundheit der Menschen betrifft: Erstens die rasanten Fortschritte, die beim Lösen grosser Fragen in der Humanbiologie erzielt werden und zweitens das Zusammenspiel neuer Technologien, die es erlauben, Daten und Kenntnisse in Instrumente und Anwendungen umzusetzen, die das Potenzial haben, die Gesundheitsversorgung neu zu erfinden und sie effizienter, effektiver und letztlich fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

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In der Humanbiologie geht es im Wesentlichen um die Bewältigung grosser Zahlen und riesiger Datensätze: Denn in jedem von uns stecken Millionen von Einzelkomponenten, die für unsere Gesundheit lebenswichtig sind.

Geht bei diesen Einzelkomponenten etwas schief, kann dies Krankheiten und Leiden verursachen. Diese Komplexität macht es schwierig, die zugrundeliegenden Ursprünge und Ursachen von Krankheiten zu bestimmen.

Investitionsmöglichkeiten an den Schnittstellen

Noch bis vor Kuzem fehlten uns die Mittel, diese lebenswichtigen Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, was uns daran hinderte, neue Behandlungsmethoden zu finden. Doch heute trägt das über die Jahrtausende gesammelte Wissen Früchte, indem es Innovationen beschleunigt, verschiedene Technologien zusammenführt und das Gesundheitswesen revolutioniert.

Daraus ergeben sich spannende Investitionsmöglichkeiten für langfristig ausgerichtete Investoren. Und zwar können sie diese Gesundheitsrevolution beschleunigen, indem sie «geduldiges Kapital» bereitstellen und die Unternehmen unterstützen, die an den Schnittstellen dieser neuen Technologien tätig sind.

Wir befinden uns in einer Ära grosser Konvergenz: Fortschritte in Technologien wie der künstlichen Intelligenz (KI), der Genomik oder der Digitalisierung ermöglichen uns heute, das enorme Ausmass und die Komplexität der Biologie der Menschen zu verstehen. Gleichzeitig treiben sie den medizinischen Fortschritt gegen die schwierigsten Krankheiten voran.

«Zum ersten Mal in der Geschichte verfügen wir über das Wissen und die Technologien, um das Gesundheitswesen und die Gesundheit der Menschen drastisch zum Besseren zu verändern.»

Gensequenzierung: Neue Technologie senkt Kosten

Ein Beispiel für eine Technologie, bei der sich der Fortschritt drastisch beschleunigt hat und die von Innovationen aus anderen Bereichen profitiert, ist die Gensequenzierung. Sie ermöglicht uns, genetische Informationen zu entschlüsseln.

Als 2003 das erste menschliche Genom sequenziert wurde, dauerte dies 13 Jahre und kostete 3 Milliarden Dollar. Heute wird derselbe Prozess in weniger als einer Stunde zu einem Preis von 600 Dollar durchgeführt.

Bis 2008 sanken die Kosten für die Gensequenzierung in einem ähnlichen Tempo wie die Kosten für die Datenverarbeitung: grob geschätzt halbierten sie sich etwa alle zwei Jahre. 2008 begann Illumina damit, Technologien aus anderen Bereichen auf die Gensequenzierung anzuwenden.

Das führte zu einer rapiden Reduktion der Sequenzierungskosten. In den darauffolgenden 12 Jahren senkte Illumina die Kosten um den Faktor 1000. Dies ist ein Beispiel für einen weitverbreiteten Trend, den Baillie Gifford im Gesundheitswesen beobachtet: Was noch vor wenigen Jahren teuer und selten war, ist heute erschwinglich und allgegenwärtig.

Portabler Ultraschall – mobil und günstig

Diese Konvergenz treibt auch Innovationen in der Medikamentenentwicklung, bei den medizinischen Geräten oder auf operativer Seite der Gesundheitsversorgung voran. Gleichzeit wird alles darangesetzt, deren Kosten zu senken.

Eine von vielen solchen neuen Technologien, die zurzeit in den Vordergrund rücken und Ärzten helfen, Krankheiten vor Ort aus verschiedenen Blickwinkeln zu messen und zu betrachten, ist der von Butterfly Network entwickelte portable Ultraschall.

Portabler Ultraschall mag nicht so revolutionär klingen wie die Gensequenzierung. Die Erfindung jedoch trägt zu einer substanziellen Steigerung der Effizienz und Geschwindigkeit der Diagnose bei. Butterfly Network hat ein Gerät, das normalerweise etwa 100 Kilogramm wiegt, zu etwas reduziert, das in die Handfläche passt und sich wie ein Stethoskop herumtragen lässt.

Es basiert auf derselben Technologie wie Mobiltelefone, wird durch maschinelles Lernen betrieben und kann von jedem ohne umfangreiche Schulung benutzt werden. Es kann die Ultraschallkosten um bis zu 100 Mal senken und wird derzeit in Krankenhäusern zur Bekämpfung der aktuellen Covid-19-Pandemie eingesetzt.

Das Unternehmen hofft, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass das Gerät eines Tages nur noch so gross ist wie ein Pflaster, das, wenn es getragen wird, eine kontinuierliche Überwachung ermöglichen würde.

Gesammeltes Wissen nutzen

Die Zukunft des Gesundheitswesens sieht gut aus. Dies dank unserer zunehmenden Fähigkeit, die Geheimnisse der Humanbiologie zu entschlüsseln und dieses Wissen durch innovative und konvergierende Technologien zu nutzen.

Was gestern noch unmöglich schien, ist heute eine Tatsache. Diese erstaunlichen Fortschritte und die Art und Weise, wie wir heute das Gesundheitswesen und die Gesundheit der Menschen angehen, bedeuten, dass wir uns an einem entscheidenden Wendepunkt befinden.

Auf diesen können langfristig ausgerichtete Investoren Einfluss nehmen. Dazu müssen sie Unternehmen finden und unterstützen, welche die kreativsten und wirksamsten Lösungen für die Herausforderungen im Gesundheitswesen finden, mit denen unsere Welt heute konfrontiert ist.