Die Liberalisierung des kalifornischen Elektrizitätsmarkts ab Mitte der Neunzigerjahre hatte effizientere Marktstrukturen, eine Senkung der im US-Vergleich sehr hohen Strompreise und parallel den Umweltschutz zum Ziel.

Per Gesetz wurden die Energieversorgungsunternehmen 1996 gezwungen, die Erzeugung von Strom aus fossilen Brennstoffen einzustellen. Gleichzeitig wurden die Strombörse (PX) und der unabhängige Netzbetreiber (ISO) gegründet. Genehmigungsverfahren für neue (Gas-)Kraftwerke dauerten rund sechs Jahre. Strom durfte ausschliesslich auf dem Spotmarkt eingekauft werden, für den Preis für Endkunden wurde eine Obergrenze festgelegt.

Ausgelöst wurde die kalifornische Stromkrise durch die Ausschaltung der Marktkräfte
Zunächst fiel der Grosshandelspreis um 50 Prozent, die Unternehmen konnten ihre Stranded Costs aber durch die Monopolrente kompensieren. Der Markt war faktisch aus der Lieferkette Strom verschwunden. Im Jahr 2000 verdreifachte sich der durchschnittliche Grosshandelspreis. Ein Jahr später standen führende Energieverteilunternehmen vor dem Bankrott. Eine staatliche Bürokratie übernahm die Marktfunktion mit 11 Milliarden US-Dollar Schulden.

Die kalifornische Stromkrise wurde durch die Ausschaltung der Marktkräfte ausgelöst, die Folgen waren ein verknapptes Stromangebot und die Förderung der Marktkonzentration.

1994 beliefen sich die Überkapazitäten in der Erzeugung auf 26 Prozent, deutlich mehr als die vorgeschriebene 15-Prozent-Reserve. Kraftwerksstillstände, unzureichend koordinierte Revisionspläne, geringere Verfügbarkeit von Wasserkraftstrom auf Grund einer Trockenheit sowie die durch das Wirtschaftswachstum ungewöhnlich hohe Nachfrage liessen die Reserven bis 2000 auf 3,5 Prozent in den Sommer- und 6,8 Prozent in den Wintermonaten schrumpfen.

Die Marktkonzentration im Bereich der Mittel- und Spitzenlasterzeugung als Folge der Liberalisierung verschärfte die Situation. Einzelne Produzenten spielten ihre starke Position aus, indem sie Lücken im Liberalisierungsgesetz ausnutzten: Sie reduzierten künstlich Kapazitäten und trieben so den Grosshandelspreis in die Höhe. Als der Staat Kalifornien versuchte, durch die Festlegung von Preisobergrenzen gegenzusteuern, boten die Erzeuger den Strom zu überhöhten Preisen über nichtkalifornische Tochterunternehmen an. Vergeblich beantragte Kalifornien bei der bundesweiten Regulierungsbehörde FERC die Festlegung einer US-weiten Preisobergrenze. Fazit auch hier: Das völlige Ausschalten der Marktkräfte konnte die Krise erst recht nicht lösen.

Kapazitätsengpässe im Gasbereich nach einer Explosion im Transportnetz und die höhere Nachfrage durch Stromproduzenten liessen nun auch die Gaspreise und damit die Kosten für die Stromerzeugung in gasbefeuerten Anlagen ansteigen.

In Kombination mit einem Regulierungsregime, das die Gesetze von Angebot und Nachfrage ausser Kraft setzte, führte diese – strukturelle und vom Liberalisierungsgesetz gedeckte manipulative – Angebotsverknappung zur Krise. Die Gesetzgebung schränkte die marktorientierte Preisbildung massiv ein: Die Durchleitungsgebühr an den regionalen Netzbetreiber berechnete sich aus Regeltarif minus Strompreis. Das hatte zwei Effekte: erstens eine niedrige Wechselrate (Ende 2000 unter zwei Prozent), da der Gesamttarif für alle Anbieter gleich hoch war; zweitens waren die meisten Endkunden von den Preisturbulenzen nicht betroffen. Ihr Verbrauchsverhalten blieb folglich konstant trotz hoher Grosshandelspreise und extremer Stromknappheit, was zu den Stromausfällen im Sommer 2000 führte. Das volle Preisrisiko trugen die endverteilenden Energieversorgungsunternehmen. Sie waren verpflichtet, Strom über den Spotmarkt zu beschaffen, und daher quasi von Rechts wegen reaktionsunfähig, als der Grosshandelspreis über die regulierten Preise für Endkunden stieg. Fazit: Sowohl das Gesetz als auch die Hilfsreaktionen des Bundesstaates setzten die grundlegenden Preis-, Angebots- und Nachfragemechanismen ausser Kraft. Grundlegende volks- und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge wurden missachtet.

Die Diskussion über die fiskalischen Belastungen für die Stromproduktion muss vorangetrieben werden
Die Schweiz hat sich stärker am skandinavischen als am kalifornischen Modell der Liberalisierung orientiert. Sind mit dem Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) und dem Entwurf für die Ausführungsbestimmungen die Erfahrungen aus Kalifornien genügend berücksichtigt?

Investitionen in Erzeugungskapazitäten müssen im liberalisierten Markt nach einer Übergangsphase nachhaltig attraktiv sein. Das ist durch die im Schweizer Gesetzesvorschlag vorgesehene freie Preisbildung gewährleistet. Allerdings muss die Diskussion über die Höhe der fiskalischen Belastungen für die Stromproduktion aktiv vorangetrieben werden.

Der Markt muss einfach, transparent und liquide gestaltet sein. Das EMG erfüllt diese Anforderungen durch die geplante unabhängige Netzgesellschaft, die Festschreibung des diskriminierungsfreien Netzzugangs sowie die uneingeschränkte Möglichkeit zum Börsen- und OTC-Handel (Over the Counter; Handel zwischen Partnern ausserhalb der Börse).

Gut funktionierende Märkte wie beispielsweise der in Norwegen können für die Schweiz Vorbild sein
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind klare Richtlinien für die Bereitstellung von Reserve- und Regelenergie. Gut funktionierende Märkte wie Norwegen haben hier Vorbildcharakter. Für die Gratisdurchleitung von Ökoenergie müssen klare Regeln geschaffen werden.

In Deutschland verfügen drei grosse Konzerne über 80 Prozent der Produktionskapazitäten; noch ausgeprägter ist die Situation in wenig geöffneten Märkten wie Frankreich und Italien. Die Schweizer Erzeugungsstruktur ist hier zwar vergleichbar, die Eigentümerstruktur der Partnerwerke erschwert jedoch eine marktfeindliche Beeinflussung des Marktpreises. Stromimporte in die Schweiz zu günstigeren Preisen sind möglich, Netzkapazitäten sind vorhanden.

Vertragsfreiheit im Strombereich garantiert das freie Spiel von Angebot und Nachfrage und damit die Bildung von Marktpreisen. Jeder Marktteilnehmer ist für die Absicherung seiner Risiken selbst verantwortlich. Die entsprechenden Instrumente dazu stehen im Börsenstromhandel und im Grosshandelsmarkt zur Verfügung.

Die Kalkulation von Durchleitungsgebühren muss transparent sein, um überhöhte Netznutzungsentgelte zu verhindern. Objektive und eindeutig nachvollziehbare Berechnungskriterien fördern den Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern und bieten einen Anreiz für nachhaltige Effizienzsteigerungen. Den diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleistet das Schweizer Gesetz bereits durch einen unabhängigen Netzbetreiber.

Durch die klare Trennung von Strom- und Netzkosten bei der Rechnungsstellung an die Endkunden ist in der Schweiz ein funktionierender Wettbewerb gewährleistet. Die kaufentscheidenden Faktoren (Preis, Innovation, Service und so weiter) können durch die einzelnen Anbieter selbst beeinflusst werden.

Somit wäre das EMG eine gute Basis für einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Energiemarkt Schweiz. Bei der definitiven Ausgestaltung der Verordnung, dem Aufbau des Netzbetreibers, der Detailgestaltung der Durchleitungsverrechnung und der internationalen Beziehungen muss nun auch noch das freie Spiel der Marktkräfte sichergestellt werden.

Energiemärkte funktionieren nur bei echtem Wettbewerb effizient – das hat Kalifornien gezeigt
Das Beispiel Kalifornien zeigt, dass Energiemärkte nur bei echtem Wettbewerb effizient funktionieren. Auf europäischer Ebene besteht hier seit über einem Jahr massiver Handlungsbedarf. Marktöffnungsgrade und Liberalisierungsgeschwindigkeit der Märkte sind unterschiedlich, sowohl im internationalen Expansionswettbewerb als auch im grenzüberschreitenden Handel mangelt es an Chancengleichheit, Reziprozitätsnormen werden nicht durchgesetzt. Der diskriminierungsfreie Zugang zu den wesentlichen Kupplungsleitungen (Interconnectors) in Europa ist ebenso ungeregelt wie die Gestaltung der EU-Aussenbeziehungen.

Eine mit Vollmachten ausgestattete europäische Regulierungsbehörde mit einer starken Persönlichkeit an der Spitze könnte die offenen Fragen lösen und die weitere Marktöffnung mit konkreten Umsetzungsmassnahmen vorantreiben.

Die Autoren
Kurt Bobst,
Principal, Leiter Utilities Schweiz, A.T. Kearney Zürich. Klaus-Dieter Maier, Vice President Global Head Utilities, A.T. Kearney Stuttgart/Dallas. Anuj Arya, Vice President, A.T. Kearney Dallas, USA.
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