Es geschah ohne Vorwarnung, Signal oder Erklärung. Im vergangenen September endete der schreckliche Bärenmarkt des Jahres 2022. Ein neuer Bullenmarkt war geboren – angeführt von genau den drei Kategorien, die vorher hinterherhinkten. Dieser Aufschwung hält an – auch noch länger. Das sind die drei Sektoren, die führend sein sollten, und die drei, die wahrscheinlich zurückbleiben werden.
Denken Sie zuerst immer daran: Die Position im Marktzyklus ist wichtiger als die Auswahl des Sektors oder der Aktie. Allgemein steigen in Bullenmärkten die meisten Aktien – in Bärenmärkten fallen sie. Das ist der Ausgangspunkt. Jetzt sind wir in einem jungen Bullenmarkt, eine tolle Zeit, um Aktien zu besitzen.
Bisher wurde er von Technologie- und grossen Wachstumsaktien angeführt. Das überrascht angesichts des folgenden Umstands nicht: Kategorien, die im Bärenmarkt am tiefsten fallen, erholen sich danach am stärksten. Nach dem Einbruch im Jahr 2022 stiegen die globalen Technologiewerte seit dem Septembertief um 31 Prozent. Fast dreimal so viel wie der Zuwachs der weltweiten Aktien von 12,5 Prozent. Auch andere Nachzügler des Bärenmarktes waren führend, darunter die technologieähnlichen Segmente Kommunikationsdienstleistungen und Nicht-Basiskonsumgüter sowie Industrie. Sie waren von den Rezessionssorgen 2022 noch stark getroffen. Die Schweizer Nicht-Basiskonsumgüter verzeichneten seit dem Septembertief ein Plus von 41 Prozent, die Industriewerte stiegen um 33 Prozent. Sie gaben das Tempo des lokalen Rallys vor.
Über den Gastautor
Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 211 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.
Und jetzt? Nach diesem «Erholungseffekt» begünstigen die Fundamentaldaten, namentlich das stagnierende Weltwirtschaftswachstum, wachstumsorientierte Sektoren. Bei einem langsamen Wachstum zahlen die Anleger für Unternehmen, die nicht auf hektische Aktivitäten angewiesen sind, um ihre Gewinne zu steigern – also echte Wachstumsaktien. Das sind hochwertige Technologiewerte, deren fette Bruttogewinnmarge von 47 Prozent Reinvestitionen – und zukünftiges Wachstum – ankurbelt. Insbesondere Software- und Halbleiterunternehmen dürften bestens gedeihen. Gehen Sie weltweit einkaufen. Die USA sind das globale Zentrum, beginnen Sie dort. Dann folgen Deutschland, Taiwan, Korea und die Niederlande.
Auch die Nicht-Basiskonsumgüter und Kommunikationsdienstleistungen dürften einen Wachstumsschub erfahren. Bei ersteren sind es die Luxusgüter und deren durchschnittliche Bruttomarge von 57 Prozent. Über ihren Reiz schrieb ich detailliert am 13. Juli. Sie finden diese zuhause und in ganz Europa. Nehmen Sie auch breit aufgestellte Handelsunternehmen ins Visier. Die Grossen sitzen in den USA.
Bei den Kommunikationsdienstleistungen dürfte die schwerfällige, alte Telekommunikation hinterherhinken. Stellen Sie stattdessen grosse, technologienahe Unternehmen der interaktiven Medien- und Dienstleistungsbranche in den Vordergrund. Trotz der globalen Schwäche erzielten sie 2022 im Schnitt 14 Prozent Wachstum. Ihre Bruttomargen: enorme 62 Prozent. Hier dominieren die USA.
Weitere Nachzügler? Da es sich meiner Ansicht nach um einen jungen Bullenmarkt handelt, haben die defensiven Kategorien Gegenwind: Gesundheitswesen, Basiskonsumgüter und Versorger. Ihnen geht es üblicherweise in Bärenmärkten besser. Die Menschen kaufen auch dann Medikamente, Brot und Strom – was Anlegern ein Gefühl der Stabilität vermittelt. Pharmaunternehmen, wie die in der Schweiz, verfügen über ein paar offensive Qualitäten, sind jedoch keine reinen Wachstumstitel.
Ein zusätzlicher Nachzügler: Energie. Öl und Ölaktien wurden im letzten Jahr zu hoch gehandelt. Der kurzfristige Preisdruck wurde zu einer Knappheit im Stil der 1970er Jahre hochgespielt, die nie eintraf. Nun deckelt ein Überangebot die globalen Öl- und Gaspreise – und die Gewinne der Energieunternehmen.
Trotzdem sollten Sie einige von ihnen besitzen. Warum? Weil ich falsch liegen könnte. Wer ein wenig in den vermutlich zurückliegenden Sektoren einkauft, schützt sich vor grossen Portfolioschwankungen. Halten Sie davon einiges, aber in geringeren Anteilen als die globalen Aktienindizes.
Es wird bald eine Zeit kommen, von einem hochwertigen Wachstumsportfolio auf ein stärker wertegetriebenes umzuschwenken. Aber das dürfte von einer wirtschaftlichen Wiederbelebung abhängen, die nicht allzu nahe erscheint. Seien Sie also optimistisch und halten Sie Wachstumswerte.
1 Kommentar
Wie schlägt sich "Bidenomics" in der Praxis nieder?
"Es sind hauptsächlich vier Gesetze, in denen sich dieses neue Paradigma niederschlägt: Der American Rescue Plan Act - Bidens großes Corona-Konjunkturpaket -, das Investitionspaket Infrastructure Investment and Jobs Act, der CHIPS Act, mit dem vor allem aus sicherheitspolitischen Erwägungen die Produktion moderner Mikrochips in die USA geholt werden soll, und der erwähnte Inflation Reduction Act, der vor allem klimapolitische Ziele verfolgt. Im Rahmen dieser Gesetze stellt die US-Regierung für ihre sozial-, klima-, sicherheits- und verteilungspolitischen Ziele mehrere Billionen US-Dollar bereit. Wobei es im IRA etwa für einige Subventionen keine Obergrenze gibt. Die Gesamtkosten sind also noch nicht absehbar."
Ökonom über "Bidenomics"
"Biden bricht mit den Grundlagen der US-Wirtschaftspolitik"
29.07.2023, 11:13 Uhr