Bei Infrastrukturinvestitionen hinken die USA schon lange anderen Industriestaaten hinterher. Ohne die Covid-19-Pandemie hätte sich daran wahrscheinlich nur wenig geändert. Aber mit Investitionen in Infrastruktur haben Regierungen einen besonders starken Hebel, um Arbeitsplätze zu schaffen oder zumindest zu sichern und die Wirtschaft schnell und deutlich anzukurbeln.
Susanne Reisch ist Senior Portfolio Manager Infrastrukturaktien beim Asset Manager Bantleon Bank AG.
Die Infrastrukturpläne des neuen US-Präsidenten Joe Biden haben dabei besonders grosses Potenzial: Während Transportinfrastruktur in den USA schon lange ein wichtiges Infrastrukturthema ist, können Anleger mit dem Fokus auf «grüne Infrastruktur» besonders attraktive, langfristige Wachstumschancen nutzen.
Auch europäische Unternehmen können von den US-Massnahmen profitieren. Joe Biden will in den USA mit 2 Billionen US-Dollar eine moderne und klimaneutrale Infrastruktur schaffen und dafür besonders stark in erneuerbare Energien, elektrische Autos und energieeffiziente Gebäude investieren.
Der Plan lässt sich inhaltlich durchaus mit den Zielen des European Green Deal vergleichen, der ein Volumen von circa 7 Billionen Euro über 30 Jahre hat. Biden knüpft zudem eng an den durch seine Partei im Juli 2020 dem Senat vorgelegten Moving Forward Act an.
Das Ziel zu einer klimaneutralen Nation
Dieser Gesetzentwurf beschreibt bereits Infrastrukturmassnahmen mit einem Investitionsvolumen von 1,5 Billionen US-Dollar in den Bereichen Transport, erneuerbare Energien, Digitalisierung sowie Wohnungsbau und enthält das Ziel, die USA zu einer klimaneutralen Nation zu machen.
Weil die Republikaner die Klimamassnahmen des Moving Forward Act stark kritisiert hatten, hofften Verfechter einer nachhaltigen Klimapolitik bei den US-Wahlen auf den Blue Sweep, einen Wahlausgang, der den Demokraten die Präsidentschaft sowie die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus gesichert hätte.
Damit wäre die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes sowie umfassender Fiskalprogramme leichter. Auch wenn der Blue Sweep zu diesem Zeitpunkt höchst unwahrscheinlich ist, gibt es einige Gründe, die für eine Verabschiedung umfassender Infrastrukturmassnahmen in der nächsten Wahlperiode sprechen.
Joe Bidens Pläne für «grüne Infrastruktur»
Zum einen wollen Demokraten und Republikaner die Wirtschaft ankurbeln. Infrastrukturinvestitionen eignen sich besonders gut hierfür und wurden auch in Donald Trumps Amtszeit vor der Wahl stetig diskutiert.
Zum anderen entsprechen Joe Bidens Pläne dem gängigen, internationalen Verständnis der Notwendigkeit und des Potenzials «grüner Infrastruktur» wie sie auch das Übereinkommen aus Paris vertritt, dem Joe Biden schnellstmöglich wieder beitreten möchte.
Darüber hinaus ist «grüne Infrastruktur» heute wettbewerbsfähig und zieht damit das Interesse des Privatsektors auf sich, wodurch die Bürde der Finanzierbarkeit zwischen öffentlicher und privater Hand aufgeteilt werden kann. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die neue Regierung in den USA tatsächlich im grossen Stil in die Infrastruktur investieren wird.
Die Chancen für Anleger
Für Anleger ergeben sich daraus enorme Chancen: Die grössten Profiteure in Europa dürften beispielsweise die Marktführer im Bereich Offshore-Energie – Orsted aus Dänemark und Iberdrola aus Spanien – sein.
Aber auch in anderen Bereichen, wie dem US-Strassenbau, sind europäische Unternehmen wie die Baustofffirmen LafargeHolcim (Schweiz) und Heidelberg Zement (Deutschland) stark vertreten.
Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien sprechen, abgesehen vom starken Kurspotenzial, auch die konstant hohen Dividenden für Infrastrukturaktien. Weil ihre Geschäftsmodelle weitgehend unabhängig von der Konjunktur sind, können diese Firmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten relativ hohe Beträge an die Aktionäre ausschütten.
Das war auch in der Coronavirus-Krise zu beobachten, als die meisten dieser Unternehmen ihre Gewinne sogar sukzessive steigern konnten, ihre Investitionspläne weiter ausgebaut haben und ihre Dividenden unverändert liessen.