Aktien kaufen ohne Gebühren: das soll der neue Brokerage-Service von American Express in Kürze möglich machen, wie das Kreditkartenunternehmen auf seiner amerikanischen Webpage ankündigt. Auch bei den anderen US-Anbietern dürften die Preise für den Handel mit Aktien im Internet nochmals purzeln, denn mit dem Onlinehandel erschliessen sich die Broker einen für sie und die Kunden vergleichsweise günstigen Distributionskanal. Endlich, denn bislang hatten sich die Broker und Banken wenig um die zwar grosse, aber schlecht organisierte Gruppe der Privatanleger gekümmert.
Für ihre institutionellen Kunden hingegen tun die Broker alles, denn die sind längst nicht mehr bereit, die hohen Kosten im traditionellen Wertpapierhandel zu berappen. Im Kampf um die Gunst der mächtigen Anleger ist den Brokern derzeit fast jede Kooperation recht - selbst mit der Konkurrenz. An der privaten Londoner Computerbörse Tradepoint beispielsweise sind praktisch sämtliche grossen Namen beteiligt: Alle wollen dabei sein, wenn die Chance besteht, den Handel mit Aktien für die Grosskunden noch effizienter und günstiger zu gestalten. Viele Broker und Banken haben sich gleich an mehreren Netzen beteiligt.
Die institutionellen Anleger nehmen die Angebote gerne an. Wenn Franz Winkler, Leiter Kapitalanlagen bei der Pensionskasse der Schweizerischen Elektrizitätswerke, einen Auftrag erteilt, bezahlt er 0,1 Prozent Kommission, fix und ohne Rücksicht darauf, ob der Auftrag über die offiziellen Börsen oder über ein anderes Netzwerk läuft. Wichtig ist für ihn einzig die Transparenz. Meist werden die Transaktionen in London abgewickelt, weil dort die namhaften Broker sitzen.
Auch die Pensionskasse der ABB macht sich die internen Abwicklungsnetzwerke von grossen Anbietern zu Nutze. Etwa bei der Verschiebung oder Auflösung von grossen Portefeuilles. «Wer im Auftrag von Kunden professio-nell Aktien verwaltet oder verwahrt, hat automatisch einen hohen natürlichen Umschlag an Aktien. Davon können wir profitieren», sagt Daniel Dubach, Leiter der ABB-Pensionskasse. «Die Verschiebungskosten für ein 800-Millionen-Franken-Portefeuille konnten so im Vergleich zur Abwicklung über die traditionellen Kanäle um vier Millionen Franken gesenkt werden», sagt Dubach.
Von solch idealen Wahlmöglichkeiten sind die Privatanleger weit entfernt. Sie bezahlen im Vergleich zu den Institutionellen weit mehr als das Zehnfache für ihre Transaktionen. Doch Schuld an der ungünstigen Ausgangslage sind nicht primär die Börsen. So kostet beispielsweise der Kauf von Nestlé-Aktien im Gegenwert von rund 50000 Franken an der Schweizer Börse SWX via Zürcher Kantonalbank (ZKB) 542,50 Franken Gebühren. Davon entfallen knapp über 40 Franken auf Börsengebühren und Stempelabgaben (siehe oben stehende Grafik «Hohe Courtagen»). Sollte dereinst die Stempelsteuer abgeschafft werden, entfielen noch rund fünf Franken auf reine Börsengebühren. Satte 500 Franken hingegen streichen die Banken an Courtagen ein.
Daran wird auch die für den November 2000 vorgesehene Kooperation von acht europäischen Börsen leider nichts ändern. Die europäischen Börsen - darunter die Schweiz - haben sich nach langem Hin und Her auf eine Kooperation für den Handel mit bis zu 600 europäischen Bluechips geeinigt. Der ursprüngliche Traum von der gemeinsamen Handelsplattform ist zwar vorerst ausgeträumt. Stattdessen setzen die acht Börsen auf die kostengünstigere und politisch weniger brisante Vernetzung ihrer elektronischen Börsen via Schnittstellen.
Inskünftig wird es im Handel mit europäischen Aktien nur noch einen zentralen Kontrahenten und Ansprechpartner geben. Die grosskapitalisierten deutschen Aktien werden also weiterhin an der Deutschen Börse gehandelt. Sämtliche Kauf- und Verkaufsangebote fliessen in einem Orderbuch zusammen. Das Gleiche gilt für die Schweiz. Allerdings mit der Einschränkung, dass auf Grund gesetzlicher Bestimmungen für die Schweizer Aktien neben dem Orderbuch in Euro auch eines in Schweizerfranken geführt werden muss. Der Ablauf im Handel und die Tarifstrukturen werden mit der Einführung des neuen Systems im November 2000 vereinheitlicht.
Die Kosten der einzelnen Börsen bleiben aber bis auf weiteres unterschiedlich. Allerdings fallen die im Vergleich zu den Courtagen der Banken wie erwähnt kaum ins Gewicht. Viel nachteiliger wirkt sich aus, dass die Bankcourtagen im Handel mit ausländischen Aktien noch happiger sind. Und der von den acht Börsen beschlossene Heimatschutz wird dem vorerst keinen Riegel vorschieben.
Bei der ZKB kostet der Kauf von ausländischen Aktien nahezu doppelt so viel wie der Kauf einer Schweizer Aktie. Auch bei den beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse ist ein 50000 Franken grosses Aktienpaket der deutschen Siemens und der französischen L’Oréal nicht unter 850 Franken zu haben (siehe «Zu hohe Gebühren beim Kauf ausländischer Aktien»).
Weil die Bluechips auch nach der Vernetzung der europäischen Börsenplätze weiterhin an der Heimbörse gehandelt werden, können die Banken mit guten Argumenten die Spesen für den Kauf von ausländischen Aktien hoch halten. Erst mittelfristig dürften der Wettbewerb und die Transparenz zu einheitlicheren Gebühren führen.
Für die Privatanleger liegt das grosse Kostensenkungspotenzial also nicht in tieferen Gebühren der Börsen. Die beiden bedeutenden elektronischen Börsen der Schweiz und Deutschlands (siehe «Die grössten Börsen» auf Seite 188) sind laut Experten mit ihren Kosten im europäischen Vergleich gut positioniert. Viel mehr Spielraum nach unten liegt in den Courtagesätzen der Banken. Und wer da Geld sparen will, muss aufs Internet ausweichen.
Immer mehr Banken locken denn auch die selbstständigen Anleger mit günstigeren Angeboten auf ihre Internetplattformen. Die Credit Suisse hat ihr bestehendes Angebot Youtrade unlängst um den Handel mit US-Wertpapieren ergänzt. Und neben den bereits etablierten Discountbrokern bietet jetzt auch die UBS ihren Kunden den Kauf von Aktien an sechs Börsen via Tradepac zum Discounttarif an. Während Stempelsteuer und Börsenabgaben gleich bleiben, erhalten die Anleger ihre Bluechips zu bedeutend tieferen Courtagesätzen. Statt ein Prozent Courtage müssen die Anleger beim Kauf via Tradepac für das besagte Nestlé-Paket nur noch 0,3 Prozent berappen - fast 400 Franken weniger.
Für die an der deutschen beziehungsweise der französischen Börse gekauften Siemens- und L’Oréal-Titel kommt bei der UBS ein von 1,7 Prozent auf 1,05 Prozent reduzierter Courtagesatz zur Anwendung. Auch bei der CS sind die Gebühren für US- und Schweizer Aktien tiefer.
Bereits jetzt laufen an der Schweizer Börse SWX mehr als zehn Prozent der Aufträge über die diversen Internetplattformen der Banken ins System. Die durchschnittliche Auftragsgrösse liegt bei rund 7000 Franken. Die Privatanleger entdecken also den kostengünstigeren Kanal. In den USA wird laut Schätzungen bereits rund ein Viertel des privaten Aktienhandels online abgewickelt. Tendenz stark steigend.
«Dank dem Internet können alle Anbieter kostengünstiger produzieren», sagt Beat Trinkler, Mitglied der Geschäftsleitung bei der zur «Zürich»-Gruppe gehörenden Privatbank Rüd, Blass & Cie AG.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Banken die damit verbundenen Rationalisierungs- und Automatisierungsmassnahmen eingeleitet haben. Und das ist laut Aussagen von Experten längst noch nicht überall der Fall. Weil die Banken die Internetlösungen in ihre hochkomplexe Informatikarchitektur eingebettet haben, müssen einige Institute die Internetaufträge der Kunden noch manuell weiterbearbeiten. Doch wer kein vollautomatisiertes Prozedere anbieten kann, macht eine Mischrechnung und operiert damit zu teuer. «Es ist nicht einzusehen, weshalb die Schweizer Börse ihren hochtechnologischen Apparat mit den 10 Rappen pro 1000 Umsatzfranken finanzieren soll, während die Banken sich ihre Transaktionskosten via Internet mit einem dreissig- bis vierzigmal höheren Betrag abgelten lassen», sagt ein Experte.
Trinkler erwartet denn auch im Einklang mit anderen Beobachtern, dass der Handel mit Wertpapieren zur Commodity wird. «Kosten wird in der Zukunft vor allem die Beratung.» Auch Franz Winkler prophezeit: «Im Geschäft mit den Privatkunden werden die Margen brutal unter Druck kommen.» Die Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter seien klein, die Standplätze der Anbieter dank der Netzwerktechnologie und dem Internet irrelevant. «Mit dem Internet kommen die Börsen zum Anleger.»
Doch der technologische Fortschritt und die jüngsten Bestrebungen der Broker, sich zusammenzuschliessen und bei den Abwicklungen die offiziellen Börsen aussen vor zu lassen, birgt gerade für die Privatanleger wieder Gefahr. Mit der unlängst beschlossenen Allianz bündeln die Börsen zwar die Liquidität. Und das gereicht auch den Privatanlegern zum Vorteil. Denn wo die Liquidität am höchsten ist, sind die Geld-Brief-Spannen (so genannte Spreads) klein. Während der Unterschied zwischen Kauf- und Verkaufskurs bei den viel gehandelten Aktien der Credit Suisse Group meist etwa 50 Rappen beträgt, sind es bei der fast exakt gleich teuren, aber weit weniger gehandelten Micronas-Aktie gut und gerne drei Franken. Auch die Volatilitäten sind bei liquiden Titeln meist tiefer als bei Nebenwerten - auch das ein entscheidender Vorteil für die Anleger. «In den letzten sechs Monaten waren die Volatilitäten von Warrants auf Schweizer Nebenwerten fast ein Prozent höher als jene von Warrants auf SMI-Aktien», bestätigt Timon Zielonka von der Bank Leu.
Dass die Börsen im Hinblick auf die Bestrebungen der Broker, Liquidität an den Börsen vorbeizuschleusen, Dampf machen, nützt also den Privatanlegern. Die einheitlichen Börsenöffnungszeiten werden ihnen sogar noch mehr dienen als den Grossanlegern, die ohnehin mit rund um die Uhr handelnden Brokern vernetzt sind. Auch die vorgesehene Mindestgrösse von einer Aktie pro Transaktion ermöglicht den Privatanlegern den Kauf von bislang unerschwinglichen schweren Aktien.
Sollte es den privaten Computernetzwerken für Grossanleger gelingen, einen substanziellen Teil der Liquidität an den offiziellen Börsen vorbeizuschleusen, hätten wieder die Privatanleger das Nachsehen. Und die traditionellen Börsen auch, denn die leben auf Grund der umsatzabhängigen Gebühren von hohen Volumen. Deshalb tun die Privatanleger gut daran, den Traum der fortschrittlicheren Börsenchefs von der grossen gemeinsamen Handelsplattform mitzuträumen. Wäre dereinst auch Japan dabei, könnte die Vision vom Handel rund um die Uhr und rund um den Globus Wirklichkeit werden - und vor allem wäre der Albtraum mit den hohen Gebühren für japanische Aktien endlich vorbei.
Doch einstweilen bleibt den Anlegern nur die Hoffnung, dass dank knallhartem Wettbewerb unter den Banken und Brokern das Angebot an sinnvollen und umfassenden Onlinediensten steigt und die Gebühren auch im traditionellen Wertpapierhandel herunterkommen.