Im Haushaltsstreit zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission sind die Fronten verhärtet. Brüssel will die für 2019 geplante deutlich höhere Neuverschuldung nicht hinnehmen und die neue populistische Regierung in Rom keine Vorgaben akzeptieren.
An der Börse, wo Investoren zuletzt viel Geld aus Italien abgezogen haben, setzen Experten darauf, dass am Ende der Finanzmarkt die populistische 5-Sterne-Bewegung und die rechtsgerichtete Lega zum Einlenken bewegen wird. «Bei Anleihe-Renditen von über vier Prozent sollte es im Hinblick auf die derzeitige Verschuldung langsam ungemütlich werden - die Spielräume werden einfach enger», sagt Thomas Metzger, Chef der Vermögensverwaltung beim Bankhaus Bauer in Stuttgart.
Nach dem jüngsten Ausverkauf ist die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen zeitweise auf knapp 3,8 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit viereinhalb Jahren. Aktuell liegt sie bei etwa 3,3 Prozent. Italien muss Investoren also höhere Zinsen bieten, um an Geld zu kommen. Der Risikoaufschlag (Spread) der zehnjährigen Papiere zu vergleichbaren Bundesanleihen liegt mit knapp drei Prozentpunkten so hoch wie zuletzt während der Euro-Schuldenkrise 2012.
«Das kostet den Staat ordentlich Geld,» so Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. «Denn je höher der Zins, desto teuerer werden neue Schulden für die italienische Regierung.» Bis Ende 2019 würden 440 Milliarden Euro an Anleihen fällig - angesichts des derzeitigen Spreads bedeute das Mehrkosten von etwa vier Milliarden Euro, rechnet er vor.
Und diese Entwicklung kann sich noch verschärfen. Denn mit Moody's hat gerade die erste grosse Rating-Agentur die Bonitätsnote des Landes heruntergestuft - mit Verweis auf die Haushaltspläne. Standard & Poor's könnte noch im Oktober nachlegen. Je schlechter die Bonität eines Gläubigers ist, desto höhere Zinsen muss er bieten, um seine Anleihen losschlagen zu können.
Turbulenzen am Anleihenmarkt reissen Banken mit
Der Kursverfall der italienischen Anleihen setzt auch den Banken des Landes zu. Sie hätten schliesslich im Schnitt zehn Prozent ihrer Bilanzsumme in diesen Papieren angelegt, erklärt DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Je geringer der Wert dieser Bonds, desto dünner werden die Kapitalpolster der Institute. «Die Spreads und damit die Zinsen nähern sich einem Niveau, auf dem es sowohl für die Staatsfinanzierung als auch für die italienischen Banken kritisch wird», sagt Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners.
Laut der italienischen Finanzmarktvereinigung Assiom Forex brauchen einige Banken frisches Kapital, sollte sich der Spread zwischen deutschen und italienischen Anleihen auf vier Prozentpunkte erhöhen. Dabei haben die Geldhäuser in den vergangenen Jahren bereits mehrfach den Finanzmarkt angezapft, um mit den vielen faulen Krediten in der Bilanz und notwendigen Restrukturierungen zurechtzukommen. Vor diesem Hintergrund fiel der italienische Bankenindex in den vergangenen vier Wochen zeitweise um mehr als 20 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Tief. Gleiches gilt für die HypoVereinsbank-Mutter Unicredit.
Viel Lärm um nichts?
Die EU-Kommission wird sich laut Commerzbank-Ökonom Wagner an Italien die Zähne ausbeissen. «Die Sanktionsmöglichkeiten der EU sind zu schwach, um Italien wirklich zu beeindrucken und das Land zu einem niedrigeren Defizit zu bewegen.» Die Brüsseler Behörde hat der Regierung in Rom per Brief mitgeteilt, ihr Haushaltsentwurf für 2019 sei ein besonders gravierender Verstoss gegen EU-Regeln. Sie räumte Italien eine Frist bis zu diesem Montag ein, um auf die Bedenken zu antworten. Die Kommission muss das Budget bis spätestens zum 29. Oktober ablehnen, sollte sie es auch offiziell als nicht regelkonform einstufen. Im Falle einer Ablehnung könnte allerdings ein langes juristisches Tauziehen folgen.
Der Knackpunkt in dem Streit ist die deutlich höhere Neuverschuldung als von der Vorgängerregierung zugesagt. Das Haushaltsdefizit soll 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Italien ist nach Griechenland das am höchsten verschuldete Euro-Land: Der Schuldenberg entspricht rund 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, während die EU-Verträge eine Obergrenze von 60 Prozent vorsehen. Das grösste Problem sei, dass die zusätzlichen Ausgaben nicht einmalig, sondern permanent seien, so DekaBank-Experte Kater. Es handele sich nicht um Investitionen, die der Wirtschaft einen Wachstumsschub gäben.
Auch wenn es aus Sicht vieler Experten wahrscheinlich ist, dass sich Italien und die EU-Kommission am Ende zumindest auf einen Formelkompromiss einigen, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren. Ein Selbstläufer ist das aus Sicht von QC-Vermögensberater Altmann nicht. «Für eine Italien-Krise gibt es kein Drehbuch. Ein Rettungspaket kann und wird es nicht geben, dafür ist der Schuldenberg Italiens zu hoch.» Im schlimmsten Fall könnten uns tatsächlich Diskussionen über einen Austritt Italiens aus der Euro-Zone ins Haus stehen. «Die Euro-Krise Teil zwei hat begonnen.»
(reuters/mlo)