Als Bargeld findet die europäische Einheitswährung zwar erst ab 1. Januar 2002 den Weg in die Geldbeutel der Konsumentinnen und Konsumenten im Euro-Land. An den Finanzmärkten ist der Euro aber längst eine feste Grösse. Als Buchgeld, also in virtueller Form, wurde er bereits Anfang 1999 eingeführt.

An den Börsen im Euro-Land werden die Aktien seitdem nur noch in Euro gehandelt. Im Devisenhandel haben die Lokalwährungen der Euro-Staaten kaum noch eine Bedeutung, da ihr Wechselkurs zum Euro Ende 1998 unwiderruflich fixiert wurde. Während die Kaufkraft innerhalb des Euro-Raums dadurch seither erhalten blieb, ist die Entwicklung des Aussenwerts der Einheitswährung – vor allem in Relation zum Dollar – bislang kein Ruhmesblatt. Die neue Währung hat zudem in der Indexwelt ihren Niederschlag gefunden. So wurde als Barometer für Euro-Land-Aktien die Familie der Dow-Jones-Euro-Stoxx-Indizes lanciert. Diese Indizes dienen wiederum als Basis für derivative Finanzinstrumente, die inzwischen in grosser Zahl emittiert wurden

All dies lässt den Schluss zu, dass der Euro-Day, der sich im Alltag der Euro-Länder mit grossem Getöse ankündigt, die Finanzgemeinde kalt lassen wird. Denn in ihren Wertschriftendepots ist die Währungsumstellung schon vor drei Jahren erfolgt. Doch zieht das eine oder andere börsenkotierte Unternehmen, das in den Bargeldaustausch involviert ist oder davon profitiert, das Augenmerk der Anleger auf sich.

Grosse Aufmerksamkeit erregt derzeit die Debatte, was mit all dem Bargeld in den bisherigen Lokalwährungen passieren wird, das dem Fiskus vorenthalten wurde oder aus Drogenhandel, Prostitution und anderen dubiosen Geschäften stammt. Über das Ausmass des betroffenen Bargeldumlaufs inner- und ausserhalb des Euro-Raums gibt es nur wilde Spekulationen. Doch was soll das für eine Bedeutung für die Finanzmärkte haben? Direkt fliessen diese Gelder zwar nicht an die Finanzmärkte. Sie sorgen aber unverhofft für einen Nebeneffekt in einzelnen Titeln.

Wer solches Geld bar hält, steht unter dem Druck, es loszuwerden. Das Naheliegendste, das Bargeld bei den Banken im Euro-Land umzutauschen, erweist sich als Hürde. Denn wenn etwa deutsche Nichtkunden Beträge im Gegenwert von 15 000 Euro und mehr umtauschen wollen, müssen die Finanzinstitute deren Herkunft klären respektive in Verdachtsmomenten Anzeige erstatten. Und genau dieser Kontrolle wollen sich die Besitzer von Geldern, die nicht versteuert oder mit illegalen Geschäften erworben wurden, ja entziehen. Ob und in welchem Ausmass die Geschehnisse in den USA im Euro-Land die Kauflust dämpfen, lässt sich noch nicht abschätzen.

Das Bargeld in einen Koffer zu packen und damit zu einer Bank in der Schweiz zu reisen, ist so diskret auch wieder nicht möglich. Glaubt man Steuerfahndern, dem Zoll und den Grenzschützern, könnte die Reise nämlich schon vor der Grenze enden. Im Hinblick auf den grössten Währungsumtausch der Geschichte haben sie die Kontrolle von Reisenden in die Schweiz und nach Luxemburg auf Flughäfen, in Zügen und vor den Grenzübergängen angeblich deutlich verschärft. Anton-Rudolf Götzenberger, Anlageberater in Deutschland und Autor diverser Werke zum Thema Schwarzgeld, hält das allerdings für Panikmacherei. Er bezweifelt, dass die dafür erforderlichen personellen Kapazitäten geschaffen wurden. «Aus einer schwarzen Mark wird ein schwarzer Euro», lautet sein Fazit, das er so auch im Abschnitt «Der Schwarzgeld-Euro-Tausch» seines Buchs «Schwarzgeld-Anlage in der Praxis» festhält.

Wie dem auch sei: Wer das Bargeld unbehelligt über die Grenze bringt, sieht sich auch bei den hiesigen Banken mit den Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes konfrontiert. Bei Beträgen über 25 000 Franken oder dem entsprechenden Gegenwert muss sich der Kunde zwingend identifizieren und angeben, ob er der wirtschaftlich Berechtigte ist.

Um einen Totalverlust unversteuerten und illegalen Bargelds zu vermeiden, ist nicht auszuschliessen, dass es deren Besitzer ausgeben, bevor die Umtauschfrist abläuft. «Von dieser neuen und zeitlich begrenzten Kauflust profitieren vor allem die Anbieter von Gütern und Dienstleistungen in höheren Preissegmenten», schreiben die Analysten der Credit Suisse. Abgesehen haben es die Käufer dabei insbesondere auf Luxusgüter: Teure Uhren, wertvoller Schmuck, Antiquitäten und Gemälde sind ebenso begehrt wie Immobilien in Spanien, Luxuskarossen und Jachten. Die Absicht dahinter ist klar: Der Geldwert soll so zumindest erhalten werden. Allenfalls lassen sich einige dieser Objekte gar mit einem Gewinn wieder abstossen.

Von höheren Umsätzen werden in erster Linie Uhren- und Schmuckhersteller sowie Auktionshäuser profitieren. Christian Arnold, Luxusgüter-Analyst bei der Bank Vontobel, warnt davor, diesen Effekt überzubewerten. Er geht davon aus, dass die Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft beschränkt bleiben. Unabhängig von Umsatzsteigerungen durch die Shoppingtouren der Schwarzgeldbesitzer favorisiert er derzeit die Schweizer Luxusuhren-Holding Richemont und den Uhrenhersteller Swatch Group.

Neben der Swatch Group sieht UBS Warburg den französischen Luxuskonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) und das italienische Uhren- und Schmuckhaus Bulgari als Gewinner der Luxus-Kauflust. In exklusive Lederwaren und hochpreisige Schönheitsprodukte dürften weniger Gelder fliessen, da sie nicht so wertbeständig respektive kurzlebiger sind.

Die direkten Gewinner der Währungsumstellung sind Unternehmen, die darin involviert sind. Bis zur Einführung des Euro-Bargelds werden rund 50 Milliarden neue Münzen produziert. Daraus ergibt sich ein lukratives Geschäft für die Produzenten von Münzrohlingen, die sie den staatlichen Münzstätten zur Prägung liefern. So decken drei deutsche Unternehmen rund 70 Prozent des europäischen Bedarfs ab: Neben den Krupp Vereinigten Deutschen Metallwerken (VDM) und der KM Europa Metal ist das vor allem EuroCoin.

Die hundertprozentige Tochtergesellschaft der börsenkotierten Vereinigten Deutschen Nickel-Werke (VDN) stellt nach eigenen Angaben 40 Prozent aller im Euro-Raum benötigten Rohmünzen her. Als einziger Produzent bietet sie die Rohlinge für alle acht neuen Euro-Münzen an. EuroCoin hat im Geschäftsjahr 2000 mehr als 40 Prozent zum Gesamtumsatz des Mutterhauses beigetragen. Dass die Aufträge einbrechen könnten, wenn der Erstbedarf an neuen Münzen gedeckt ist, fürchtet EuroCoin nicht. Zum einen müssen jährlich 15 bis 18 Prozent der Münzen ersetzt werden. Auch sei zum andern der Erstbedarf eher zu knapp bemessen worden. Es winken also Folgeaufträge.

Automaten im öffentlichen Verkehr, in Parkhäusern, Telefonkabinen, Spielcentern, für Zigaretten, Getränke und Verpflegung im Euro-Raum werden ab nächstem Jahr mit Euro-Münzen gefüttert. Banken brauchen Geräte zum automatischen Zählen und Abpacken der neuen Noten und Münzen. Bankkunden wollen aus den Automaten Euro-Noten beziehen oder an den Selbstbedienungsautomaten auch Euro wechseln können. So lässt die Währungsumstellung auch bei Produzenten und Vertreibern von Automaten aller Art die Kasse klingeln.

Teilweise muss lediglich die Software neu programmiert werden. Je nach Baujahr und -art müssen die alten Geräte aber auch ersetzt werden. Allein in den zwölf betroffenen EU-Staaten gilt es, 200 000 Bankautomaten umzurüsten, damit sie inskünftig Euro-Noten sowohl ausspucken als auch entgegennehmen. Mit diesen Anpassungen wurde Diebold betraut. Das Unternehmen, dessen Aktien an der New York Stock Exchange gehandelt werden, gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Bankomaten.

Generell erhalten die Automatenhersteller Aufträge für neue Geräte oder zum Umrüsten nicht nur aus den zwölf betroffenen EU-Ländern, sondern auch aus den Nachbarstaaten. Sind aber all die betroffenen Automaten ersetzt oder umgerüstet, versiegen die Einnahmen, die durch die Währungsumstellung gefördert werden, erst einmal. Im Gegensatz zu den Münzherstellern können die Produzenten nämlich nicht so rasch mit Folgeaufträgen rechnen. Laut Aussagen von Urs Hagmann, Verkaufsleiter bei der Sotremo in Moudon, einem Vertreiber von Geldverarbeitungsautomaten, beträgt die Lebensdauer solcher Geräte sechs bis acht Jahre. Wer also stark vom europäischen Markt abhängig ist, hat klare Nachteile gegenüber den Anbietern, die wie Diebold auch andere Märkte beliefern.

Geografisch wie produktemässig gut diversifiziert ist das britische Unternehmen De La Rue, dessen Aktien an der London Stock Exchange kotiert sind. Es ist zum einen der weltweit grösste Hersteller von Banknotenpapier. Darüber hinaus zeichnet es in einem Joint Venture mit der portugiesischen Notenbank für die Produktion der Euro-Noten in Portugal verantwortlich. Zum anderen produziert und vertreibt De La Rue auch Systeme für die Bargeldverarbeitung. Abnehmer sind nicht nur Zentral- und Geschäftsbanken, sondern auch der Detailhandel und die Freizeitindustrie.

All diese Unternehmen sind nun einem enormen Zeitdruck ausgesetzt, die neuen Geräte fristgerecht umrüsten und liefern zu können. Denn die Merkmale der Euro-Noten und -Münzen sind erst seit Anfang September im Detail bekannt. Und erst jetzt, da die Auslieferung des Bargelds an die Banken gestartet wurde, können die erforderlichen Tests mit dem neuen Geld in grösserem Umfang durchgeführt werden.
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