Der digitale Token des designierten Präsidenten Donald Trump hat am Wochenende den Kryptowährungsmarkt stark beeinflusst und innert Stunden ein Handelsvolumen von mehreren Milliarden Dollar angezogen. Der Token «Trump», der auf der Solana-Blockchain gehandelt wird, stieg am Wochenende auf eine Marktkapitalisierung von über 15 Milliarden Dollar, wie Daten von Coinmarketcap zeigen. Der Republikaner hatte den Memecoin am späten Freitag auf seinen Social-Media-Konten angepriesen.
Das Angebot betrug eine Milliarde Münzen, wovon 200 Millionen im Umlauf sind. Bei einer Milliarde Tokens betrüge die gesamte Marktkapitalisierung rund 52 Milliarden Dollar. Trumps Buchgewinn läge somit bei rund 42 Milliarden Dollar – 80 Prozent dieser Tokens sind aber noch nicht im Umlauf.
Zufrieden mit dem neuen Memecoin dürften einzig Donald Trump und ganz wenige Auserwählte sein. Am Freitagabend gab es einen Inaugurationsball für kryptonahe Entscheidungsträger in Washington. Informierte Kreise meinten, dass die ihm nahestehenden Kryptoprofis praktisch keine Trump-Coins zugeteilt erhielten und entsprechend nicht vom Milliardengeschäft profitieren.
Aber auch für Privatanlegende gab es nicht wirklich etwas zu gewinnen. Ein furchtloser Spekulant, der in der ersten Stunde blindlings eingestiegen wäre und sich nicht darum gekümmert hätte, ob der Post von Trump echt oder gehackt war, hätte seinen Einsatz in etwa verdreifachen können. Das ist zwar ein schöner Gewinn, aber in der Kryptowelt nicht wirklich aussergewöhnlich – vor allem, wenn man das eingegangene Risiko berücksichtigt.
Aktuelle Blase stellt selbst Dotcom-Euphorie in den Schatten
Einen übertriebenen IPO-Hype gab es bereits 1995, als der Börsengang von Netscape die Wall Street verblüffte. Die Aktien schlossen mehr als 100 Prozent über dem IPO-Preis, weil die Titel praktisch nur Insidern und «besonderen» Kunden der Investmentbanken zugeteilt wurden.
Diese Kurssprünge am ersten Handelstag waren danach während dem Dotcom-Boom 1995 bis 2000 alltäglich. Vorher waren Börsengänge ein langweiliges Geschäft, als es nur darum ging, einen möglichst fairen Preis für die Investorengemeinde zu ermitteln.
Mit den neuen Praktiken bei der Zuteilung waren Missbräuche plötzlich an der Tagesordnung. Im Jahr 2002 verdonnerte die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Credit Suisse First Boston zur Zahlung einer Geldstrafe von 100 Millionen Dollar. Dies, weil die Credit-Suisse-Tochter in den 90er-Jahren Zuteilungen von unterbewerteten IPO-Aktien an Kunden vornahm, die stillschweigend zustimmten, einen Teil der Gewinne in Form von Handelsprovisionen wieder an die Banken zurückzuführen.
Krypto hat ein Fairnessproblem
Diese Übertreibungen wiederholen sich nun im Kryptomarkt, wobei der Trump-Coin nicht speziell auffällt. Vor zehn Tagen ging der Token Aiccelerate DAO (AICC) an die Börse, um bei Handelsbeginn sofort 100’000 Prozent höher gehandelt zu werden. Eine Investition von 1000 Dollar wäre nur wenige Stunden nach Handelsbeginn rund 1 Million Dollar wert gewesen.
Die AICC-Token wurden vor der Börsennotiz hauptsächlich an Personen verschenkt, die ihn in den sozialen Medien bewarben, wie Byron Gilliam, Kryptoexperte von Blockworks, in einem Blogeintrag vor Wochenfrist schrieb. Das ist ein massiver Wandel. Im Jahr 2010 konnte jeder praktisch kostenlos Bitcoins schürfen, und im Jahr 2014 hatten Anlegende Wochen Zeit, sich für die Erstnotierung von Ethereum anzumelden. Dabei bekamen alle so viel zugeteilt, wie sie wollten. Und als Solana im Jahr 2020 auf den Markt kam, hatten alle interessierten Anlegerinnen und Anleger gut drei Monate Zeit, um die Münze für etwas weniger als einen Dollar zu kaufen.
Heute hingegen ist der Prozess undurchsichtig. «Sniper»-Bots kaufen alle guten Token-Neueinführungen, noch bevor ein normaler Anleger überhaupt weiss, dass sie auf den Markt kommen. Von Venture-Capital-Firmen gestützte Altcoins würden zu wahnsinnig hohen Bewertungen gehandelt, und Influencerinnen und Influencer bekommen in Partyrunden unverschämt billige Token geschenkt, zu denen man nur auf Einladung Zugang erhäle, betont der Kryptostratege Gilliam weiter.
Wenig Begeisterung bei Marktteilnehmenden
Peter Tchir, Stratege bei Academy Securities, schrieb in einer Kundennotiz am Sonntag, er könne es kaum glauben, dass es eine «offizielle» Trump-Meme-Münze gebe. Eine Konsequenz macht Tchir sofort aus: Auf der Wettplattform Kalshi beträgt die Chance zur Einführung einer Bitcoin-Reserve in den USA 70 Prozent. Das ist ein Anstieg von 40 Prozent gegenüber dem Wert vor einer Woche.
Dem Bitcoin hat der Trump-Memecoin am Sonntag indessen deutlich zugesetzt. Mit den Kursen ging es um etwas mehr als 7 Prozent in den Keller. Einen noch deutlicheren Rückgang musste die zweitgrösste Kryptowährung Ether verzeichnen, während das Kryptoasset Solana, das die Trump-Memecoins hostet, sich dem Trend widersetzte und eine Rally verzeichnete. Am Montagmorgen kam es dann zu einer heftigen Gegenbewegung beim Bitcoin, die die älteste Kryptowährung auf ein neues Allzeithoch von 109’300 Dollar trieb.
Fazit: Selbst für Experten und Expertinnen befindet sich der Kryptomarkt nun in einer wohl «manischen» Phase des Memecoin-Superzyklus. Und wenn der Kryptoanalyst Jens Adler schreibt, Investorinnen und Investoren könnten nur Bitcoin vertrauen, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Aufschlussreich ist hierbei die Kursentwicklung von Aiccelerate DAO: Wer am ersten Tag eingestiegen ist, sitzt am Montag, 20. Januar, auf einem Kursverlust von 75 Prozent – während die Influencer immer noch auf einem Buchgewinn von 25’000 Prozent sitzen. Das gibt insgesamt kein gutes Bild für einen Teil der neuen Kryptowährungen und Memecoins ab.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Cash.ch unter dem Titel «Krypto-Insider profitieren, Anleger verlieren: Lektionen aus dem Trump-Memecoin-Hype».