Das aufregendste Detail in der Affäre von Minister David Mellor mit dem Model Antonia de Sanchez war zweifellos sein eher exzentrisches Sexualverhalten. Fussballfan Mellor, so enthüllte seine Geliebte zur Begeisterung von «Sun» und «Mail», pflege den geschlechtlichen Nahkampf vorzugsweise im blauen Trikot seines geliebten FC Chelsea zu vollziehen. Premier John Major entliess 1992 seinen Minister.
Der Fall Mellor gilt als Paradebeispiel der so genannten Bettgeschichte. Diese unterscheidet sich von anderen journalistischen Formen in einem Punkte markant: Es gibt kaum Kenner der Faktenlage. Da beim Paarungsverhalten im Normalfall eben nur ein Paar beteiligt ist, bleibt die Zahl der Zeugen naturgemäss auf zwei reduziert. So steht Aussage gegen Aussage.
Eine einzelne Zeugin genügt deshalb nicht, um die Affäre ins Rollen zu bringen. Es braucht drei Zusatzelemente, damit der Abschuss gelingen kann. Zuerst wird der Boulevard, um die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu erhöhen, stets allerhand Details aus dem Intimleben ans Tageslicht tragen, die nur im Direktkontakt überhaupt zu erfahren sind – das Fussball-Shirt beispielsweise. Auch Ständerat Rolf Büttiker wurde 1998 zum Geständnis gezwungen, weil im Buch «Verkaufte Illusionen» der Prostituierten Rita Dobler die persönlichen Details zu stimmig waren.
Zweitens müssen Beweise her. Als «Newsweek» Bill Clinton mit dem Verdacht konfrontierte, er habe sich mit Monica Lewinsky eingelassen, konnte der kühl dementieren. In die Bredouille geriet er erst, als sie ihr blaues Kleid mit den vermuteten präsidentiellen Spermaspuren aus dem Wandschrank hängte.
Und drittens, am wichtigsten, muss das private Techtelmechtel zur öffentlichen Sache hochstilisiert werden. Nur wenn Land und Nation in höchster Gefahr sind, wird der Eingriff in die Privatsphäre zur staatserhaltenden Pflicht. Das zeigte sich schon bei der Mutter aller Bettgeschichten: Da Christine Keeler mit dem britischen Verteidigungsminister Profumo wie mit dem russischen Schifffahrtsattaché Iwanow nächtens zugange war, musste Sicherheitsrisiko Profumo 1963 zurücktreten. Auch Willy Brandt sah sich erst mit ausserehelichen Vergnügungen konfrontiert, als ihm 1974 in der Affäre Guillaume politisch das Wasser am Halse stand.
Insofern sind «Blick» und «SonntagsBlick» in der Causa Thomas Borer der Strategie konsequent gefolgt. So durfte ihre Wackelzeugin Djamile Rowe erst allerlei vertrauensstiftende Details bis hin zu des Botschafters Brustbehaarung öffentlich machen. Dann legte man vermeintliche Belege wie unscharfe Fotos und eidesstattliche Erklärungen auf den Tisch. Und schliesslich wurde das öffentliche Interesse dadurch herbeigeredet, dass man den unschweizerisch fröhlichen Partygänger Borer als Image-Zerstörer der Eidgenossenschaft im Ausland dämonisierte («Herr Deiss, handeln Sie!»). Ausser Deiss glaubte das niemand.
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Genres, dass oft gerade der Übereifer in der Demontage den Angegriffenen rettet. Als die «Züri Woche» in den Neunzigerjahren eine angebliche Liaison zwischen den Zürcher Stadtratsmitgliedern Ursula Koch und Willy Küng publik machte, blieb dies ohne grosse Resonanz: Zu durchsichtig war das Eigeninteresse des bürgerlichen Blattes, via private Enthüllung den linken Gegner politisch zu diskreditieren. Auch im Fall Borer war das Eigeninteresse zu offenkundig. Nur tief greifende Animositäten machten erklärbar, warum hier eine gigantische Kampagne losgetreten wurde, bloss um einen politisch wenig wichtigen Kleinstaaten-Botschafter abzusetzen. Der allzu offensichtliche Vernichtungswunsch der Journalisten hat Borer mehr geholfen als alles andere. Auch Bill Clinton ist dem Impeachment dadurch entgangen, dass all die medialen Attacken der US-Öffentlichkeit nur noch dégoutant erschienen.
Darum endet für die vermeintlichen Opfer die Betthupferl-Story vielfach positiv. Bill Clinton geht es heute besser denn je. Im Falle von Minister Mellor erwies sich zwar, dass die hübsche Anekdote seines FC-Chelsea-Trikots reine Erfindung war. Mellor wurde Fussballkommentator und stieg drei Jahre nach dem Verlust des Amtes als «BBC-Personality of the Year» zu neuer Popularität empor.
So gesehen, steht der Talkmaster-Karriere von Thomas Borer nichts mehr im Weg.
Kurt W. Zimmermann
Langjähriger Medienmanager und Inhaber der Consist Consulting AG in Zürich.
E-Mail: kurt.zimmermann@consist.ch
Der Fall Mellor gilt als Paradebeispiel der so genannten Bettgeschichte. Diese unterscheidet sich von anderen journalistischen Formen in einem Punkte markant: Es gibt kaum Kenner der Faktenlage. Da beim Paarungsverhalten im Normalfall eben nur ein Paar beteiligt ist, bleibt die Zahl der Zeugen naturgemäss auf zwei reduziert. So steht Aussage gegen Aussage.
Eine einzelne Zeugin genügt deshalb nicht, um die Affäre ins Rollen zu bringen. Es braucht drei Zusatzelemente, damit der Abschuss gelingen kann. Zuerst wird der Boulevard, um die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu erhöhen, stets allerhand Details aus dem Intimleben ans Tageslicht tragen, die nur im Direktkontakt überhaupt zu erfahren sind – das Fussball-Shirt beispielsweise. Auch Ständerat Rolf Büttiker wurde 1998 zum Geständnis gezwungen, weil im Buch «Verkaufte Illusionen» der Prostituierten Rita Dobler die persönlichen Details zu stimmig waren.
Zweitens müssen Beweise her. Als «Newsweek» Bill Clinton mit dem Verdacht konfrontierte, er habe sich mit Monica Lewinsky eingelassen, konnte der kühl dementieren. In die Bredouille geriet er erst, als sie ihr blaues Kleid mit den vermuteten präsidentiellen Spermaspuren aus dem Wandschrank hängte.
Und drittens, am wichtigsten, muss das private Techtelmechtel zur öffentlichen Sache hochstilisiert werden. Nur wenn Land und Nation in höchster Gefahr sind, wird der Eingriff in die Privatsphäre zur staatserhaltenden Pflicht. Das zeigte sich schon bei der Mutter aller Bettgeschichten: Da Christine Keeler mit dem britischen Verteidigungsminister Profumo wie mit dem russischen Schifffahrtsattaché Iwanow nächtens zugange war, musste Sicherheitsrisiko Profumo 1963 zurücktreten. Auch Willy Brandt sah sich erst mit ausserehelichen Vergnügungen konfrontiert, als ihm 1974 in der Affäre Guillaume politisch das Wasser am Halse stand.
Insofern sind «Blick» und «SonntagsBlick» in der Causa Thomas Borer der Strategie konsequent gefolgt. So durfte ihre Wackelzeugin Djamile Rowe erst allerlei vertrauensstiftende Details bis hin zu des Botschafters Brustbehaarung öffentlich machen. Dann legte man vermeintliche Belege wie unscharfe Fotos und eidesstattliche Erklärungen auf den Tisch. Und schliesslich wurde das öffentliche Interesse dadurch herbeigeredet, dass man den unschweizerisch fröhlichen Partygänger Borer als Image-Zerstörer der Eidgenossenschaft im Ausland dämonisierte («Herr Deiss, handeln Sie!»). Ausser Deiss glaubte das niemand.
Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Genres, dass oft gerade der Übereifer in der Demontage den Angegriffenen rettet. Als die «Züri Woche» in den Neunzigerjahren eine angebliche Liaison zwischen den Zürcher Stadtratsmitgliedern Ursula Koch und Willy Küng publik machte, blieb dies ohne grosse Resonanz: Zu durchsichtig war das Eigeninteresse des bürgerlichen Blattes, via private Enthüllung den linken Gegner politisch zu diskreditieren. Auch im Fall Borer war das Eigeninteresse zu offenkundig. Nur tief greifende Animositäten machten erklärbar, warum hier eine gigantische Kampagne losgetreten wurde, bloss um einen politisch wenig wichtigen Kleinstaaten-Botschafter abzusetzen. Der allzu offensichtliche Vernichtungswunsch der Journalisten hat Borer mehr geholfen als alles andere. Auch Bill Clinton ist dem Impeachment dadurch entgangen, dass all die medialen Attacken der US-Öffentlichkeit nur noch dégoutant erschienen.
Darum endet für die vermeintlichen Opfer die Betthupferl-Story vielfach positiv. Bill Clinton geht es heute besser denn je. Im Falle von Minister Mellor erwies sich zwar, dass die hübsche Anekdote seines FC-Chelsea-Trikots reine Erfindung war. Mellor wurde Fussballkommentator und stieg drei Jahre nach dem Verlust des Amtes als «BBC-Personality of the Year» zu neuer Popularität empor.
So gesehen, steht der Talkmaster-Karriere von Thomas Borer nichts mehr im Weg.
Kurt W. Zimmermann
Langjähriger Medienmanager und Inhaber der Consist Consulting AG in Zürich.
E-Mail: kurt.zimmermann@consist.ch
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