Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Stefan Kreuzkamp*: Die Notenbanken, wie so häufig in den vergangenen Jahren. Dazu kommen natürlich politische Themen wie der Brexit, die anhaltende Angst vor einer Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie die geopolitischen Spannungen am Persischen Golf.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Ganz kurzfristig betrachtet war es natürlich der Nationalfeiertag der Eidgenossenschaft. So konnte die Schweizer Börse am 1. August natürlich noch nicht auf die Zinsentscheidung der US-Notenbank reagieren. Aber Spass beiseite: Als kleine, offene Volkswirtschaft ist die Schweiz natürlich nicht nur stark von Weltkonjunktur und geldpolitischen Entscheidungen anderswo betroffen, sondern auch speziell anfällig für Störungen, etwa im globalen Handel. Das sind dann in der Regel Themen, die man am Besten mit Blick auf einzelne Unternehmen oder Sektoren analysiert, gerade im Zusammenspiel mit wichtigen Handelspartnern wie etwa Deutschland.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Wir sehen den SMI bis Juni 2020 derzeit weiterhin bei 9450 Punkten, je nach der weiteren Entwicklung könnte es im August aber zu einer Revision nach oben kommen.
Die Fed hat die erwartete Zinswende vollzogen. Was sind die Auswirkungen an den Märkten?
Die Fed hat nicht nur die Leitzinsen gesenkt, sondern auch ab 1. August auf eine weitere Bilanzreduktion verzichtet. Dass viele Marktteilnehmer darüber enttäuscht waren, sagt vielleicht mehr über die Märkte als über die US-Notenbank aus. Der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell, hat die Bedrohungen für die US-Wirtschaft und die Notwendigkeit einer zusätzlichen Lockerung der Geldpolitik während der Pressekonferenz am Mittwoch eher heruntergespielt. Da kann man ihm eigentlich nur schwer widersprechen. Denn im Juli haben die harten Wirtschaftsdaten in den USA tendenziell eher positiv überrascht.
Trotz dem Handelsstreit und den Sorgen vor einer globalen Konjunkturabschwächung läuft die US-Börse in diesem Jahr gut. Warum?
Das hat natürlich einerseits mit der Schwäche des Marktes im vierten Quartal 2018 zu tun. Andererseits half die Hoffnung auf Zinssenkungen durch die Fed.
Die Geldpolitik in den reichen Ländern ist immer noch im Krisenmodus. Das zeigt ein Vergleich der Leitzinsen der wichtigsten Zentralbanken. Mehr dazu hier.
Das Pfund hat nach dem Start von Boris Johnson als Premierminister deutlich nachgegeben. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung in Grossbritannien?
Am Markt wird erst jetzt die Gefahr eines chaotischen Ausstiegs des Vereinigten Königreichs aus der EU so richtig durchgespielt, mit entsprechenden Konsequenzen für das Pfund. Aus unserer Sicht war die Gefahr eines No-Deal-Brexit allerdings im Frühjahr genauso hoch, wenn nicht gar höher. Denn der Handlungsspielraum von PM Johnson erscheint angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus sehr begrenzt.
Der Ölpreis hat sich 2019 erholt, aber die Spannungen zwischen den USA und dem Iran hatten bisher keine grossen Auswirkungen. Wie geht es hier weiter?
Wir sehen den Ölpreis derzeit auf einem fairen Niveau. Bei einem Abflauen der Konjunktur in wichtigen Abnehmerländern und Nachfrageschwäche könnte es trotz der geopolitischen Spannungen sogar zu Rückschlägen kommen. Mittelfristig rechnen wir damit, dass das Angebot wieder steigen wird, nicht zuletzt wegen der neuen Pipeline im südwestamerikanischen Permischen Becken, aber auch in sonstigen Förderstaaten ausserhalb der OPEC wie etwa Brasilien.