Ein Vorteil der Tokenisierung besteht darin, dass viele Teile der Wertschöpfungskette von der Emission bis zur Abwicklung und Verwahrung eines Wertpapiers papierlos und automatisiert vonstattengehen können. Das spart Zeit und kann Teile der Wertschöpfungskette überflüssig machen. Aus regulatorischen Gründen ist ein breiter Einsatz tokenisierter Assets noch nicht ohne weiteres möglich. Vor allem bei Aktien wurden bislang nur Vorstufen getestet, die aber einer echten Tokenisierung einer Aktie nicht gleichkommen. Die Beseitigung regulatorischer Unklarheiten und Hürden ist jedoch nur eine Frage der Zeit.

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Ebrahim Attarzadeh ist CEO der Europe Stifel Bank in Frankfurt (ehemals MainFirst). Zuvor leitete er unter anderem den Aktienhandel der Investmentbank und war Chef von MainFirst in der Schweiz.

Es ist damit zu rechnen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre jedes wichtige Wertpapier tokenisiert wird. In der Folge wird es auch zu Umbrüchen in der Finanzindustrie kommen. Insbesondere die Intermediärfunktion von Banken wird an Bedeutung verlieren, weil sie bei einigen Transaktionen komplett entfallen kann. Dies wird auch eine Neubepreisung der Leistungen nach sich ziehen. Demgegenüber wird die Rolle von Investmentbanken und spezialisierten Beratungshäusern sogar potenziell aufgewertet, weil die Emittenten von Wertpapieren in der Transformation ihrer Finanzfunktion Unterstützung benötigen werden. 

Illiquide Assets werden via Tokens handelbar 

Verschiebungen sind auch bei Handelsplattformen sowie im Abwicklungs- und Verwahrgeschäft zu erwarten. In einer guten Ausgangsposition sind hier die Innovationsführer, die für tokenisierte Vermögenswerte schon entsprechendes Wissen und Infrastrukturen haben.

Häuser, die im klassischen Wertpapiergeschäft über Grösse und damit über Skalenvorteile verfügen, werden also nicht zwingend zu den Gewinnern der Token Economy gehören. Zugleich verfügen die Platzhirsche jedoch über ausreichend tiefe Taschen, um sich notwendige Technologien oder Infrastrukturen anzueignen. Technologiebedingte Disruption kann also auch Konsolidierung nach sich ziehen.

Ferner entsteht mit der Tokenisierung von bislang illiquiden, nicht bankfähigen Vermögenswerten (Non-Bankable Assets, NBA) ein ganz neues Feld. Sie funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Tokenisierung klassischer Wertpapiere: Eigentumsrechte an eigentlich illiquiden Vermögenswerten werden in kleine Teile zerlegt und dann handelbar gemacht. Typische Anwendungsfälle hierfür sind wertvolle Kunstobjekte und Oldtimer, Uhren, Wein, Immobilien oder nicht börsenkotierte Unternehmensbeteiligungen wie Private-Equity-Fonds oder Direktinvestments. 

Grosse Geschäftschancen für die Finanzindustrie

Durch die Unterteilung in überschaubare Losgrössen werden diese Vermögenswerte erstmals auch für weniger vermögende Anleger und teilweise sogar Kleinanleger investierbar. Wenn sich am Markt entsprechende Produkt- und Handelslösungen herausbilden, ist auf diese Weise eine weitreichende Demokratisierung von vormals exklusiven Vermögenswerten vorstellbar. 

Diese Beispiele zeigen, dass sich aus der Tokenisierung von NBA völlig neue Geschäftschancen für die Finanzindustrie ergeben. Die Banken sind indes noch eher zögerlich. Dies ist umso erstaunlicher, weil es um ein Geschäft mit schier endlosen, neuen Möglichkeiten im Banking geht – vor allem im Wealth Management, das ohnehin seit Jahren unter Margendruck steht und neue Impulse dringend braucht.

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