Das Jahr 2015 neigt sich dem Ende zu, und damit ist auch wieder die Zeit gekommen, in der eine Investmentbank nach der anderen ihre Prognose für das kommende Jahr veröffentlicht. Neu unter diesen Einschätzungen sind die internationalen Aktienfavoriten von Morgan Stanley. Nachdem es ein entsprechendes Produkt für die USA schon seit sechs Jahren gibt, präsentieren die Analysten der US-Investmentbank jetzt aus einem intern beobachteten Aktienuniversum von rund 5600 globalen Aktien erstmals ihre internationalen Kauftipps für die kommenden zwölf Monate.
Es könnte sein, dass die Premiere sinnvoll ist. Nach Ansicht der Autoren der Studie sind US-Aktien im internationalen Vergleich mittlerweile vergleichsweise teuer. Zudem sehe sich die Wall Street mit einer möglichen Zinswende, mit bereits sehr hohen Gewinnmargen und mit boomenden Aktienrückkäufen sowie mit Fusionsaktivitäten konfrontiert. Und das berge Überhitzungspotenzial.
Klare Auswahlkriterien
Bei der Festlegung auf die aussichtsreichsten Werte haben die Experten von Morgan Stanley vor allem auf ein Erfüllen der folgenden Kriterien geachtet: Titel, bei denen die hauseigenen Analysten eine vom Marktkonsens abweichende Meinung vertreten, vorhandene potenzielle Kurskatalysatoren, die das Zeug dazu haben, in den nächsten zwölf Monaten eine Neueinschätzung der Aktie durch die Marktteilnehmer zu bewirken. Und es wurden jeweils Szenarien erstellt, bei denen das maximale Auf- und Abwärtspotenzial für den Aktienkurs errechnet wird. Chancen auf eine Qualifikation bekamen nur jene Werte, bei denen das Risikoprofil stimmt.
Einfluss auf die Entscheidung hatte ausserdem das Urteil über die Marktposition, welche die Unternehmen jeweils innehaben, zudem die Fähigkeiten des Managements sowie die Wachstumsaussichten. Berücksichtigt wurden dabei nur Gesellschaften mit einem Börsenwert von mehr als drei Milliarden Dollar, wobei auch eine ausreichende Handelsliquidität eine Rolle spielte.
Viele Favoriten aus Asien und den Schwellenländern
Herausgekommen ist am Ende eine Liste mit 36 internationalen Aktien, deren Chance-Risiko-Verhältnis als besonders günstig für Anleger eingestuft wird. Auch wenn den Angaben zufolge bei der Zusammensetzung der Auswahlliste auf eine ausgewogene Mischung geachtet worden ist, fällt doch auf, dass 16 Werte aus dem asiatischen Raum inklusive Japan stammen. Branchenseitig liegen Schwerpunkte beim Finanzsektor (7x) sowie bei der Technologiebranche (6x), und jeweils fünf Titel stammen aus den Bereichen Nichtbasiskonsumgüter und Basiskonsumgüter.
Nachfolgend fünf Titel, die moderat bewertet sind und die laut Morgan Stanley zu jenen mit dem höchsten Kurspotenzial gehören.
Rio Tinto: Wette auf den Eisenerzpreis
Der erste Wert kommt allerdings nicht aus Asien oder aus einem Schwellenland, sondern bei Rio Tinto Plc. (ISIN: GB0007188757) handelt es sich um einen britisch-australischen Rohstoffkonzern. Allerdings leidet die Aktie des Branchenriesen unter dem in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Verfall der Rohstoffpreise. Als besonders negativ erweist sich dabei der Preiseinbruch beim Eisenerz, weil der Konzern damit den Grossteil seines Gewinns erzielt. Wenig überraschend bezeichnet Morgan Stanley daher den Eisenerzpreis als wichtigen Kurstreiber für die Rio-Tinto-Aktie.
Läuft alles rund, wird ein Kursanstieg auf 89,32 australische Dollar (AUD) für möglich gehalten, im Negativfall dafür Kurse von nur noch 37,32 AUD. Das Basis-Szenario bezeichnet Notierungen von 62,0 AUD für gerechtfertigt, was gegenüber den aktuellen Kursen von 47,14 AUD theoretisch 31,5 Prozent Luft nach oben lassen würde. Das auf unter elf bezifferte KGV berge Potenzial, weil es um fast 20 Prozent unter der Bewertung anderer vergleichbarer Unternehmen liege, heisst es bei Morgan Stanley.
Grupo Financiero Santander Mexico: Chancen im Kreditgeschäft
Beim nächsten Favoriten von Morgan Stanley handelt es sich, wie der Name unschwer erkennen lässt, mit Grupo Financiero Santander Mexico SAB (ISIN: US40053C1053) um ein mexikanisches Kreditinstitut. Der zuvor deutlich gefallene Aktienkurs befindet sich seit dem vierten Quartal auf Erholungskurs, und wenn es nach der US-Investmentbank geht, wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Das Basisszenario beinhaltet ein Kursziel von 13 Dollar, was verglichen mit der aktuellen Notierung von 9,63 Dollar ein Potenzial von rund 35 Prozent bietet.
Gesetzt wird bei dieser Prognose auf eine gut laufende Konjunktur am Heimatmarkt, was dem Kreditgeschäft und den Gewinnen helfen würde. Als Pluspunkt im Vergleich mit anderen Banken aus Mexiko wird auch die Corporate Governance hervorgehoben. Das KGV wird in diesem Fall für 2016 mit knapp 13 angegeben. Sollte es besonders gut laufen, seien beim Kurs auch 16,0 Dollar denkbar, im Fall von konjunkturellen Enttäuschungen bestehe dafür aber ein Abwärtsrisiko bis auf 7,0 Dollar.
Hyundai Motor: KGV aussergewöhnlich tief
Die nächste Empfehlung für 2016 stammt mit Hyundai Motor Co. Ltd. (ISIN: USY384721251) aus Südkorea. Nach einer zwischenzeitlichen Auszeit befindet sich der Aktienkurs des Autobauers wieder im Aufwind. Bei aktuell gültigen 151'500 koreanischen Won ist der Abstand zum Morgan-Stanley-Kursziel von 206'000 mit rund 35 Prozent ebenfalls attraktiv. Das maximale Abwärtspotenzial wird zwar auf 130'000 Won beziffert, die Risiken werden aber nicht zuletzt wegen einer als moderat eingestuften Bewertung als begrenzt bezeichnet.
In der Tat bewegt sich das für 2016 geschätzte KGV nur bei 5,5. Es könnte sein, dass der Markt dem Titel aber schon bald wieder eine höhere Bewertung zubilligen wird, denn neue Modelle bieten Phantasie, und es besteht Hoffnung auf positive Impulse über die Währungsfront. Ausserdem ist eine künftig aktionärsfreundlichere Dividendenpolitik denkbar. Bull-Case: 270'000 Won, Bear-Case: 130'000 Won.
PTT Plc.: Hohes Kurspotenzial …
Mit knapp 40 Prozent birgt das derzeit bei 270 Baht gehandelte thailändische Mineralölunternehmen PTT Plc. (ISIN: TH0646010R18) zumindest theoretisch noch mehr Kurspotenzial als Hyundai Motor. Als Kursziel im Basisszenario werden 270 thailändische Baht genannt. Im bullischen Szenario wird ein Anstieg bis auf 420 Baht für möglich gehalten, im Negativfall hingegen ein Absturz bis auf 220 Baht.
Den Analysten zufolge ist die Gesellschaft vergleichsweise gut gerüstet, um mit den schwachen Ölpreisen zurechtkommen zu können. Im kommenden Jahr wird jedenfalls mit steigenden Gewinnen gerechnet. Und auf Basis dieser Annahme bewegt sich das geschätzte KGV bei gut acht. Weil sich der Titel in der Regel praktisch identisch mit der thailändischen Börse bewegt, kommt es für eine gute Performance hier aber auch auf die Entwicklung am Aktienmarkt in Bangkok an.
… und eine Verdopplungschance bei Sony
Besonders viel Luft nach oben wittert Morgan Stanley bei Sony Corp. (ISIN: JP3435000009). Gemessen an den derzeitigen Notierungen von 3245 japanischen Yen besteht bei einem im Basisszenario unterstellten Kursziel von 5000 Yen ein Kurspotenzial von 54,1 Prozent. Im Idealfall werden sogar 7200 Yen für machbar gehalten, während das maximale Abwärtspotenzial im Negativfall bei 2800 Yen gesehen wird.
Die Hoffnungen ruhen hier auf einer erfolgreichen Umsetzung der Umstrukturierung im Unternehmen. Damit ist aber auch klar, dass in enttäuschten Reformhoffnungen die grössten Risiken bestehen. Morgan Stanley ist in dieser Hinsicht aber optimistisch gestimmt und rechnet mit langfristig steigenden Gewinnen. Das KGV für 2016 wird auf unter 15 taxiert.
Schweizer Titel in der Auswahlliste: Nestlé und Credit Suisse
Mit Nestlé S.A. (ISIN: CH0038863350) und Credit Suisse Group AG (ISIN: CH0012138530) haben es auch zwei Schweizer Titel in die Auswahlliste von Morgan Stanley geschafft. Beim Nahrungsmittelkonzern, der dank seiner guten Marktstellung lobend als Kerninvestment im Nahrungsmittelbereich hervorgehoben wird, ist das Kursziel bei 85 Franken festgezurrt – rund 12 Prozent über der derzeitigen Notierung. Im Bullen-Szenario könnten laut Morgan Stanley aber auch 95 Franken erreichbar sein, wogegen im Bären-Szenario die untere Begrenzung für den Aktienkurs mit 68 Franken angegeben wird. Das KGV beläuft sich den Schätzungen zufolge für 2016 auf 21,5.
Nur im einstelligen Bereich und damit deutlich tiefer wird hingegen das KGV bei Credit Suisse gesehen. Hier werden grosse Hoffnungen in den neuen Vorstandschef gesetzt und auf einen erfolgreichen Konzernumbau. Im Basisszenario wird ein Kursziel von 31 Franken angestrebt, was rund 40 Prozent über dem derzeitigen Kurs liegt. Im Maximalfall halten die Analysten von Morgan Stanley sogar Kurse von 36 Franken für erreichbar. Im Worst Case sollen 24 Franken möglich sein.
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