Wenn Vertreter der Kunsthandelszunft selber sammeln, hat das zuweilen einen schalen Beigeschmack. Sind die angehäuften Werke womöglich Gefälligkeitsgaben der Künstlerschaft und somit von geringerer Qualität als die sorgfältig in Privat- und Museumssammlungen platzierten Werke? Oder ist es umgekehrt so, dass die Kunstprofis die besten Stücke für sich abzweigen und ihrer Klientschaft vorenthalten?
Eine Nachlassauktion ist oft der Moment der Wahrheit, und manche aufwendig als «Privatsammlung» vermarktete Werkgruppe entpuppt sich als verbrämter Rest eines Warenlagers. Ein Musterbeispiel dafür, wie man es richtig macht, konnte man nach dem Tod der Zürcher Kunsthändlerin Doris Ammann erleben; ihre Privatsammlung wurde ab Mai 2022 in New York versteigert. Die überraschte Öffentlichkeit durfte nicht nur die exorbitante Qualität einer Gruppe von Werken bestaunen, die zuvor die Wände der Amman’schen Villa am Zürichberg zierte, sondern auch nachvollziehen, wie man es mit Talent, Fleiss, Ausdauer und dem berühmten «guten Auge» (sprich: Kenntnis und Geschmack) schaffen kann, mit Kunst quasi aus dem Nichts innert eines halben Jahrhunderts ein Multimillionenvermögen aufzubauen.
Aus der Schweizer Provinz
Doris Ammann und ihr jüngerer Bruder Thomas stammten aus Ermatingen im Kanton Thurgau, und der familiäre Hintergrund war keineswegs kunstaffin. Jedoch hatte Thomas schon mit 18 Jahren begonnen, für den Appenzeller Galeristen Bruno Bischofberger (wohlgemerkt in Zürich) zu arbeiten. Doris war in Betriebswirtschaft ausgebildet worden und hatte in Luxushotels wie dem «Badrutt’s Palace» in St. Moritz praktiziert.